# taz.de -- Koalition in Brandenburg steht: Rot-rot ist sich grün | |
> SPD und Linke einigen sich äußerst zügig auf einen Koalitionsvertrag, | |
> dabei kopieren sie Rot-Rotes aus Berlin. Ärger bereitet einzig die | |
> Braunkohle - aber nur ein wenig. | |
Bild: Schneller fertig als geplant: Rot-rot in Brandenburg. | |
POTSDAM taz | Bis kurz nach Mitternacht hatten SPD und Linke am Montag im | |
Potsdamer Kongresshotel getagt. Ganz am Rande der Landeshauptstadt, | |
zwischen Wald und Wiesen der Pirschheide, mit Blick auf den Templiner See. | |
Wieder einmal liefen die Gespräche herzlich, geschmeidig. So geschmeidig, | |
dass sich Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und | |
Linken-Fraktionschefin Kerstin Kaiser die sechste und letzte Runde am | |
Dienstag gleich sparten. Damit ist nach Berlin das derzeit zweite rot-rote | |
Landesbündnis eingetütet. | |
Nach gut zwei Wochen Verhandlungen und vier Wochen nach der Landtagswahl | |
haben sich SPD und Linke geeinigt. Nach außen betonten Platzeck und Kaiser | |
bis zum Schluss, wie einig man sich bei den abgehandelten Themen gewesen | |
sei. Offiziell wird der Vertrag zwar erst am Donnerstag vorgestellt, doch | |
die meisten Inhalte sind bekannt. Eine Politikwende wird es mit Rot-Rot in | |
Brandenburg nicht geben. Wohl aber versucht der Vertrag, soziale Härten | |
abzufedern. Viel mehr war nicht zu erwarten: Im Landeshaushalt klafft für | |
2010 ein Milliardendefizit. | |
So bleibt vieles beim Alten. Die Schulstruktur wird nicht angetastet und | |
Gemeinschaftsschulen sollen lediglich als Modellprojekte getestet werden. | |
Eine von der SPD beabsichtigte Kreisgebietsreform fällt aus und die | |
heimische Braunkohle soll weiter genutzt werden. Zudem werden rot-rote | |
Projekte aus Berlin erprobt: einen öffentlichen Beschäftigungssektor für | |
8.000 Langzeitarbeitslose und Mindestlöhne bei öffentlichen Aufträgen. Wie | |
in Berlin wird künftig beim Landespersonal gespart. Von den heute 51.000 | |
Stellen in der Landesverwaltung wird bis 2019 jede fünfte gestrichen. | |
Betriebsbedingte Kündigungen schloss Platzeck jedoch aus, vielmehr sollen | |
auslaufende Stellen nicht wieder besetzt werden. | |
Kurz vor Schluss vereinbarten SPD und Linke allerdings die Neueinstellung | |
von 1.250 Lehrern und 1.000 Erziehern, beides Wahlkampfversprechen von | |
Platzeck und Kaiser - wenn auch die Linke fast doppelt so viele Stellen | |
gefordert hatte. Dazu kommt ein Schüler-Bafög für bedürftige Gymnasiasten, | |
außerdem bleibt Studieren gebührenfrei. Mehr gibt der Haushalt nicht her, | |
vor allem nicht mit Blick auf die Steuersenkungspläne im Bund. | |
Gütlich einigten sich beide Parteien auch in der Verteilung der | |
Ministerposten: Fünf Ressorts gehen an die SPD, vier an die Linke. Die SPD | |
bekommt Inneres, Arbeit und Soziales, Wissenschaft und Kultur, | |
Infrastruktur und Landwirtschaft sowie Bildung. Die Linke stellt die | |
Minister in Wirtschaft, Finanzen, Justiz sowie Umwelt und Gesundheit. | |
Bei aller Harmonie - aus beiden Parteien kam bis zum Schluss Kritik. Vor | |
allem die 89er SPD-Gründer wertet das Bündnis als falsch. Man habe 1989 die | |
SED entmachtet, jetzt aber beteilige man ihre Nachfolgerin an der Macht, | |
protestierten die ehemaligen Bürgerrechtler Stefan Hilsberg und Markus | |
Meckel. In der ersten Landtagssitzung am vergangenen Donnerstag versuchten | |
SPD und Linke den Konflikt zu entschärfen: Geschlossen votierten sie dafür, | |
erstmalig seit 1990 die Abgeordneten auf Stasi-Tätigkeit zu überprüfen. | |
Bei der Linken rumort es wegen der Braunkohle. Vor allem die Lausitzer | |
Basis protestiert gegen deren Weiternutzung. Sie fürchtet Abbaggerungen von | |
Dörfern und wehrt sich gegen das Verpressung von Kohlendioxid. Vor der Wahl | |
hatte sie eine Initiative für den Ausstieg aus der Kohle bis 2040 | |
unterstützt. Kaiser betonte, dass neue Kraftwerke erst ab 2020 denkbar | |
seien und nur bei "drastischer Reduktion des CO2-Ausstoßes". | |
Auch Umweltverbände und Grüne kritisieren das Festhalten an der Kohle. | |
CDU-Chefin Johanna Wanka bezeichnete den Vertrag als "ideenlos" und als | |
"Symbolpolitik". So sei die öffentliche Beschäftigung nicht mehr als eine | |
"Job-Attrappe". Nach zehn Jahren gemeinsamer Regierung hatte sich die SPD | |
nun für eine Beteiligung der Linken entschieden. Matthias Platzeck | |
begründete dies mit größeren Schnittmengen und einer komfortableren | |
Mehrheit. | |
Nun müssen am 4. November noch Parteitage der SPD und Linken den Vertrag | |
absegnen. Eine Ablehnung ist trotz kritischer Stimmen nicht zu erwarten - | |
die Basis beider Parteien will die Regierungsbeteiligung. | |
28 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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