# taz.de -- Berliner Arbeitsamt hilft Künstlern: Vermittlung in Sachen Kunst | |
> Vom Zauberer über Salsa-Bands bis zum singenden Weihnachtsmann: Die | |
> Arbeitsagentur hat eine Künstlervermittlung für Unterhaltungsschaffende. | |
> Doch die Konkurrenz in Berlin ist groß. | |
Bild: Erfolgreich: Anwalt Christian Zimmer und Mandantin Rebecca Molinari | |
An der weißen Decke klebt eine Kreuz-Dame. "Die hat ein Close-up-Zauberer | |
zurückgelassen, als er uns einen Kartentrick vorführte", erzählt Jennifer | |
Moos. Die Decke gehört zu einem Büro der Bundesagentur für Arbeit in der | |
Friedrichstraße, Moos ist eine der Beschäftigten. Das Zimmer sieht anders | |
aus, als man sich einen Büroplatz der Arbeitsagentur gemeinhin vorstellt. | |
Es wirkt eher wie ein Redaktionsraum der Bravo: An der Wand pappen | |
unzählige Fotos von Bands und Musikern. Allerdings keine Teeniestars: Die | |
Musiker auf den Bildern sind Kunden der Arbeitsagentur, registriert bei der | |
ZAV-Künstlervermittlung, der Künstler-Fachvermittlung der Bundesagentur für | |
Arbeit. | |
Berlin, der wichtigste Tummelplatz für freie Künstler in Deutschland, ist | |
der größte aller sieben Standorte der Künstlervermittlung. Die vor 60 | |
Jahren unter dem Dach des Arbeitsamts gegründete ZAV-Künstlervermittlung | |
wirbt für sich als "Top-Adresse im Vermittlungsbereich" mit einem einmalig | |
großen Pool an Künstlern unter anderem aus Film & TV, Theater, Komparserie, | |
Mode und Musik. | |
Andrea Nordbrink arbeitet seit vier Jahren als Arbeitsvermittlerin für | |
Musiker und DJs. Sie kann auf mehr als 1.300 Bands in ihrer Kartei | |
zurückgreifen - von der Metalband bis zur Bayern-Kapelle. "Die meisten sind | |
Vollprofikünstler, denen wir Arbeit verschaffen wollen, damit sie nicht die | |
Leistungen der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen müssen." Der Andrang der | |
Unterhaltungsschaffenden im Bereich Musik etwa sei groß. | |
Im Büro in der Friedrichstraße versuchen 20 Mitarbeiter, das Nützliche für | |
die Künstler mit dem Angenehmen für die Agentur - weniger Hartz-IV-Kunden - | |
zu verbinden. Auch sie sind Vollprofis, die sich mit dem spezifischen | |
Aufgabengebiet bestens auskennen. "Viele Vermittler waren vorher in der | |
künstlerischen Branche tätig oder haben im Veranstaltungsmanagement | |
gearbeitet", sagt Michael Dunst, einer von zwei Teamleitern und früher Chef | |
des alten Frannz-Klubs in Prenzlauer Berg. Andrea Nordbrink ist zwar | |
gelernte Journalistin, aber privat auch Chorsängerin. | |
Die Betreuung der ZAV-Klientel verläuft denn auch nicht so sehr nach jenen | |
bürokratischen Mechanismen, über die sich andere Kunden der Arbeitsagentur | |
gern beschweren. Das Haus der Künstlervermittler hat zwar feste | |
Sprechstundenzeiten, aber auf die wird nicht starr gepocht. "Wir passen uns | |
ein wenig dem anderen Tagesrhythmus der Künstler an", sagt Nordbrink. | |
"Außerdem besuchen wir sie häufig an ihren Arbeitsplätzen, um uns ein Bild | |
von ihrem Können zu machen." Manchmal reicht auch eine CD, die ihr die | |
Musiker zuschicken, wenn sie nicht selbst vorbeischauen. "Nur | |
professionelle Künstler, von deren Qualität wir uns überzeugt haben, werden | |
in die Künstlerkartei aufgenommen." Gelegentlich kommen Musiker auch ins | |
Haus zum Vorspielen und Vorsingen. In der sechsten Etage gibt es ein | |
kleines Studio samt Konzertflügel. Ablehnungen von Künstlern seien keine | |
Seltenheit, sagt Nordbrink. Singende Hausfrauen, Hobbymusiker oder Bands, | |
die nur Eigenkompositionen zur Selbstverwirklichung spielen, schaffen es | |
nicht in die Kartei. | |
Die potenziellen Arbeitgeber sind vielfältig: Bei den staatlichen | |
Künstlervermittlern klingelt sowohl der Kleingärtner an, der ein Duo für | |
sein Sommerfest sucht, als auch das Großunternehmen, das eine Big Band für | |
die Firmenfeier möchte, oder der ADAC, wenn er Musiker für seinen | |
Jahresball braucht. Während zuletzt einige repräsentative Großevents der | |
Sparwelle zum Opfer fielen, holen ausgerechnet Kfz-Verkäufer massenhaft die | |
Musikanten ins Autohaus. Mit Klängen von Bach bis AC/DC sollen Käufer | |
gelockt werden. | |
Und die Ansprüche der Arbeitgeber sind eindeutig. "Die Firmen sagen ganz | |
klar, was sie wollen. Sie buchen lieber Musiker, die bekanntes Repertoire | |
spielen statt eigener Songs", weiß Nordbrink. Andererseits haben auch Leute | |
eine Chance, die mit einer gewissen Exotik aufwarten können. So wie die | |
Mongolin Urna, die vor kurzem anrief und bat, eine CD mit ihren Liedern | |
schicken zu dürfen. "Für Firmenveranstaltungen ist sie sicher interessant. | |
Wenn sie noch gute Fotos, einen Infotext und Referenzen hat, umso besser. | |
Eine professionelle Präsentation ist ganz wichtig." | |
300 Bands stellen sich, teilweise mit Soundbeispielen, auf der Homepage der | |
Berliner ZAV-Musiksparte vor. Was keineswegs bedeutet, dass sie allein von | |
den Vermittlungen der Bundesagentur leben können. Die Hoffnung, dass sich | |
ein Engagement möglichst sogar in eine Festanstellung für die Künstler | |
verwandelt, erfüllt sich sowieso immer seltener. Erst recht jetzt in der | |
Krise. | |
In der wollen viele Auftraggeber möglichst wenig bezahlen. "Wir vermitteln | |
natürlich nie zu Dumpinglöhnen, 1-Euro-Musiker gibts bei uns nicht", betont | |
Andrea Nordbrink. Für einen professionellen Musiker im Rock-Pop-Bereich | |
sind pro Stunde 50 Euro plus Mehrwertsteuer zu berappen, bei Galabands | |
wirds teurer. "Man muss bedenken, dass die nicht jeden Tag einen Job | |
bekommen. Trotzdem wollen manche Kunden gerade jetzt feilschen." Denen | |
erklärt die blonde Frau dann, dass Musiker im Gegensatz zu einem ähnlich | |
teuren Klempner lange studiert hätten, täglich proben müssten und noch | |
Transportkosten abgingen. "Wir haben ja auch eine Verantwortung für den | |
Markt. Trotzdem ist das Gagenniveau in Berlin niedriger als in | |
Westdeutschland, weil es hier besonders starke Konkurrenz herrscht." | |
Die Chancen auf ein Engagement sind für die konkurrierenden Musiker zudem | |
sehr jahreszeitenabhängig. Musik ist Saisonware. Für Sommerfeste sind | |
insbesondere Latin- und Salsamusiker gefragt, gern mit einer exotischen | |
Tänzerin. In der Weihnachtszeit stehen das klassische Bläsertrio und der | |
singende Weihnachtsmann hoch im Kurs, auch Swingbands mit einem speziellen | |
Weihnachtsprogramm. "Natürlich freuen wir uns über jede Anfrage. Aber wenn | |
jemand einen Sologeiger möchte, weisen wir auch darauf hin, dass der als | |
stundenlanger Alleinunterhalter nicht taugt, weil schlicht der Klangteppich | |
im Hintergrund fehlt." | |
Nach Aussage der Arbeitsagentur rentiert sich die Arbeit der ZAV bereits, | |
wenn nur 15 Prozent der betreuten Künstler vor Hartz IV bewahrt werden. | |
Überhaupt bekommt die Vermittlung gute Zeugnisse ausgestellt: Vor Jahren | |
habe der Rechnungshof sie überprüft, berichtet Dunst - mit dem Ergebnis, | |
dass "die Tätigkeit der Künstlervermittlung im Rahmen ihres gesetzlichen | |
Auftrags nicht in Frage gestellt" sei. Allerdings sei nicht nur die | |
Einsparung von Leistungen das Ziel. "Wir haben auch den besonderen Auftrag, | |
den Arbeitsmarkt in der Kultur zu bedienen." | |
Der Promifaktor spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Nur vereinzelt | |
finden sich in der Homepage-Sparte Rock/Pop neben popularitätsfernen | |
Muckern wie Hein & Kuddel oder Cheers, der Partyband, auch semibekannte | |
Namen wie Guildo Horn oder die Kölner Band Brings. "Berühmte und teure | |
Künstler haben ihre eigenen Agenten", sagt Andrea Nordbrink. In einigen | |
Bereichen würde sich die Künstlervermittlung sogar um die | |
Nachwuchsförderung kümmern, "was auch nicht gerade das Ding der | |
Privatagenturen ist". ZAV-Mitarbeiterinnen sichten etwa Absolventen der | |
Artistenschule Weißensee oder laden junge Schauspieler zum Vorsprechen. | |
Ja, sie weiß, das klingt ein bisschen nach "Arbeitsagentur sucht den | |
Superstar", aber den Eindruck will Andrea Nordbrink unbedingt zerstören. | |
Auf die Frage, ob sie nicht doch ein wenig Entdeckerehrgeiz besitze, | |
antwortet sie nach einer kurzen Pause: "Mein Ehrgeiz besteht darin, dass | |
die Leute ihr Leben als Musiker gestalten können und nicht irgendwann | |
Bürokaufmann werden müssen. Ich liebe diesen Menschenschlag, denn es gehört | |
viel Idealismus dazu, seine künstlerische Leidenschaft auf dem Markt | |
durchzuziehen." | |
29 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Leue | |
## TAGS | |
Bundessozialgericht | |
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