# taz.de -- Problemfilm-Komödie "Looking for Eric": Cantona als Antidepressivum | |
> Eric Bishop hat sein Leben vergeigt - bis ihm Fußballer Eric Cantona | |
> erscheint und ihn rettet. In "Looking for Eric" von Ken Loach sind vor | |
> der Kamera alle gleich - auch Eric Cantona. | |
Bild: Der ehemalige Profi-Fußballer Eric Cantona bei der Deutschland-Premiere … | |
"Wenn die Möwen", Eric Cantona hält inne und nimmt einen großen Schluck aus | |
einem Wasserglas, "dem Fischerboot folgen, dann weil sie glauben, dass | |
Sardinen ins Meer geworfen werden." Nur diesen einen Satz sagte der Stürmer | |
von Manchester United im Januar 1995 bei einer Pressekonferenz, auf der | |
eigentlich eine Entschuldigung erwartet wurde. Kurz zuvor war er bei einem | |
Spiel gegen Crystal Palace nach einer Roten Karte im Kung-Fu-Stil in eine | |
Gruppe gegnerischer Fans gesprungen, die ihn angeblich beleidigt hatten. | |
Cantona wurde für ein halbes Jahr gesperrt. | |
Ken Loach zeigt die TV-Aufnahmen der Pressekonferenz im Abspann seines | |
neuen Films "Looking for Eric". Der Ausschnitt erklärt allen | |
Fußball-Analphabeten, die mit dem Namen Cantona nicht viel anfangen können, | |
warum der Franzose der perfekte Katalysator für das Drehbuch von Paul | |
Laverty ist. | |
Genau so eine Mischung aus Raubein und Zen-Meister, aus Macho und Philosoph | |
braucht Eric Bishop (Steve Evets) nämlich in "Looking for Eric", um sein | |
Leben wieder in den Griff zu bekommen. Gleich zu Beginn unternimmt der | |
Postbeamte einen recht hilflosen Selbstmordversuch, der ihn ins Krankenhaus | |
bringt. Auch nach vielen Jahren kommt er nicht darüber hinweg, dass die Ehe | |
mit seiner Traumfrau Lily in die Brüche ging - was allein seine Schuld war. | |
Er lebt zusammen in Manchester mit seinen beiden pubertierenden | |
Stiefsöhnen, die seine Erziehungsversuche völlig ignorieren. Eric schaut | |
hilflos dabei zu, wie der ältere der beiden immer mehr ins kriminelle | |
Milieu abrutscht. Die einzigen, die noch zu ihm halten, sind seine Kumpel | |
von der Post. | |
Doch eines Abends geschieht ein Wunder: Als Eric in seinem Schlafzimmer | |
einen Joint raucht, steht plötzlich sein Held Eric Cantona hinter ihm | |
(gespielt von Cantona selber). Mit einer Mischung aus altbekannten | |
Lebensweisheiten und rätselhaften Aphorismen leistet der Franzose Hilfe zur | |
Selbsthilfe. Mit der Zeit wird der Postbote wieder Herr über sein Leben. | |
Wie es von einem Realisten wie Loach nicht anders zu erwarten ist, wird das | |
fantastische Element so beiläufig wie möglich behandelt. Der Joint muss als | |
Hinweis genügen, dass Cantona ein Hirngespinst Erics ist. Wie immer in den | |
Filmen des 73-Jährigen bekommt der Star keine Sonderbehandlung. Jeder ist | |
vor dem Auge der Kamera gleich wichtig. Loachs langjähriger Kameramann | |
Danny Ackroyd beobachtet, statt teilzunehmen. Er bewahrt respektvollen | |
Abstand, um die Schauspieler nicht zu stören. Es geht um das, was zwischen | |
den Personen passiert. Die Darsteller sollen miteinander agieren und nicht | |
für die Kamera. | |
Loachs Stil ist wie immer so uneitel, dass man auf die Idee kommen könnte, | |
er habe keinen. Dabei bilden beim Briten Form und Inhalt eine perfekte | |
Einheit: Alles ist bei ihm auf den Menschen ausgerichtet. Weder der | |
Regisseur noch die Filmtechnik soll sich zwischen Zuschauer und die Figuren | |
auf der Leinwand drängen. Daher verzichtet er auf Zooms, auffällige | |
Kamerafahrten, extreme Blickwinkel oder Brennweiten - die Bilder sollen | |
immer nah an der Alltagswahrnehmung des Menschen bleiben. Nicht seine | |
Fokussierung auf die Verlierer der Gesellschaft macht Loach zum großen | |
Humanisten des europäischen Kinos, sondern dass er für seine Botschaften | |
eine schlüssige filmische Sprache gefunden hat. | |
So logisch sich die Form aus Loachs Weltsicht ergibt, so uneben und bemüht | |
wirkt allerdings das Drehbuch. Zwar driftet das Werben des Protagonisten um | |
seine Verflossene Lily nie in die seichten Gewässer der Romantic Comedy ab, | |
dafür wird die Annäherung des Vaters an seine Stiefsöhne mit einem | |
dramatischen Kriminalplot aufgebauscht, der wenig plausibel geraten ist. | |
Das alles nur, um am Ende mit einem Finale zu triumphieren, in dem die | |
Solidarität der Machtlosen über einen scheinbar unüberwindbaren Feind | |
siegt. Das hat zwar wenig mit Erics Geschichte zu tun, aber Loach wäre | |
nicht Loach, wenn er nicht auch in diesem Feelgood-Movie eine politische | |
Botschaft verpacken würde. | |
"Looking for Eric". Regie: Ken Loach. Mit Eric Cantona, Steve Evets u. a. | |
Großbritannien/Frankreich u. a. 2009, 116 Min. | |
4 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Sven von Reden | |
## TAGS | |
Neoliberalismus | |
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