Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Roland Emmerichs "2012": "Es steht etwas zwischen uns"
> Wie Los Angeles zum x-ten Mal filmisch vernichtet wird, ist
> wahrscheinlich das Markenzeichen von Roland Emmerich und der Grund des
> Films "2012". Überleben dürfen die "Guten Gene".
Bild: Ein Tsunami wütet im Himalaya.
Die erschreckendste Nachricht aus Roland Emmerichs "2012" vorweg: Auch nach
dieser Katastrophe wird der überlebende Teil der "sogenannten Menschheit"
(Friedrich Kittler) keine besseren Filme drehen, als Roland Emmerich sie
dreht. Denn der klügste, sympathischste und in jeder Beziehung absolut auf
dem Boden der Wirklichkeit operierende Mensch im Film wollte sich nicht
retten lassen. Charlie Frost lebt im Yellowstone-Nationalpark, registriert
haargenau alle Anzeichen des bevorstehenden Weltuntergangs und funkt sie in
die Welt. Frost, gespielt von Woody Harrelson, haust in einem Wohnmobil und
betreibt ein Privatradio. Er kennt sich aus mit dem Mythos der Maya, nach
deren Kalender die Welt am 21. Dezember 2012 ihr Ende finden wird. Danach
kommt nichts mehr, aber Frost weiß auch, dass der Mythos nur ein Vorwand
ist. Die Welt wird aus ganz anderen Gründen zugrunde gehen, die Regierungen
hoffen, davonzukommen. Deshalb bauen sie an Archen, die ein paar Leute
retten sollen, damit die zweite Chance offen bleibt. Die Archen können aber
nur einen winzigen Bruchteil der Menschen mitnehmen. Frost weiß das, und er
weiß auch, wo die Archen gebaut werden: in China. Charlie Frost will von
diesem Wissen aber keinen Gebrauch machen. Er will mit der Erde untergehen,
und sein Ehrgeiz geht nur dahin, oben auf einem Gipfel zu stehen und die
Schönheit zu genießen, wenn eine Lavaexplosion, die dreißig Meilen Fläche
abdeckt, den Yellowstone-Nationalpark vernichtet. Frost will mit dem Park
untergehen. Dabei reißt er in einem Ausbruch seiner wirklich sinnfreien
Intentionalität die Arme zum Himmel und funkt bis zum letzten Atemzug. Der
Film wäre, wenn er so enden würde, ein ernst zu nehmender Kommentar zu
aktuellen apokalyptischen Sintflutvisionen. Die zweite Chance, die ja zum
Kern jeder apokalyptischen Geschichtsschreibung gehört, wäre abgeschnitten,
und man könnte mit dem angenehmen Gedanken aus dem Kino gehen, dass hier
einer die nihilistische Option der Menschenweltgeschichtsschreibung so
ernst genommen hätte wie Walter Benjamin und Michel Foucault. Aber dem ist
natürlich nicht so.
Bei Emmerich wird gerettet, was das Zeug hält: humanistisch und spirituell.
Humanistisch, weil der einzige Kontinent, der am Ende noch halbwegs aus dem
Wasser ragt, Afrika ist. Die Wiege der Menschheit eben, damit alles noch
mal von vorn anfangen kann. Und spirituell, weil auch noch die Kaaba in
Mekka stehen bleibt, während Los Angeles, Paris und Rom den Bach
runterrauschen.
Wie Los Angeles zum x-ten Mal filmisch vernichtet wird, ist wahrscheinlich
das Markenzeichen von Roland Emmerich und der Grund des Films. Es stimmt
nämlich, was Marc Weigert, der Visual Effects Supervisor von "2012", sagt:
"Sie haben bestimmt schon viele Filme mit einem Erdbeben gesehen, aber so
eins noch nicht."
Mehr als die Hälfte des Films besteht aus visuellen Effekten, bei denen
sich zum Beispiel zwischen einem im Supermarkt stehenden Paar die Erde
spaltet. Kurz davor sagt der Mann der Frau im Beziehungsgespräch, dass
irgendetwas zwischen ihnen stehe.
Tausend Leute haben an den Effekten gearbeitet und hatten dabei rund ein
Petabyte (eine Million Gigabyte) an Informationen zu verrechnen. Das sind
mehr, als Graig Venter für die Entschlüsselung der menschlichen DNA
benötigte.
Venters DNA ist dann in "2012" auch das Kriterium für die Auswahl der Leute
für die Archen, was zumindest einen guten Witz zur Folge hat. Als Adrian
Helmsley (Chiwetel Ejiotor), der gute afroamerikanische Geist des Films und
wissenschaftliche Berater des Präsidenten, einen Advokaten der Regierung
fragt, warum denn gerade diese Leute ausgewählt worden seien, bekommt er
die "Gute Gene"-Antwort. Daraufhin sieht man die Auserwählten in Reih und
Glied vorbeigehen. Sie sehen aus, wie es der Eintrittspreis für eine
Fahrkarte auf die Arche, der eine Milliarde Euro beträgt, nahe legt:
nämlich nach viel Geld und Macht.
"2012". Regie: Roland Emmerich. Mit John Cusack, Chiwetel Ejiofor
u. a. USA 2009, 158 Min.
11 Nov 2009
## AUTOREN
Cord Riechelmann
## TAGS
Spielfilm
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kriegsfilm „Midway – Für die Freiheit“: Männer, die entschlossen blicken
Roland Emmerich macht sich in „Midway – Für die Freiheit“ am Zweiten
Weltkrieg zu schaffen. Der Film bietet viel Gefechtsgetümmel im Pazifik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.