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# taz.de -- Besondere Schwere der Schuld: Lebenslänglich für Marwa-Mörder
> Der Mörder der schwangeren Ägypterin Marwa el-Sherbini muss lebenslang in
> Haft. Das Landgericht Dresden verhängte am Mittwoch die Höchststrafe und
> stellte eine besondere Schwere der Schuld fest.
Bild: Am letzten Verhandlungstag demonstrieren und beten Muslime vor dem Gerich…
DRESDEN dpa | Höchststrafe für ein brutales Verbrechen aus Fremdenhass: Der
Russlanddeutsche Alex W. ist wegen Mordes an der Ägypterin Marwa
El-Sherbini zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das
Landgericht Dresden stellte am Mittwoch zugleich die besondere Schwere der
Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren
praktisch ausgeschlossen.
Der 28-Jährige war wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher
Körperverletzung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen,
aus Fremdenhass die schwangere Marwa El-Sherbini am 1. Juli im Dresdner
Landgericht erstochen und ihren Mann Elwy Ali Okaz schwer verletzt zu
haben. Der Ehemann wurde danach irrtümlich von einem zu Hilfe eilenden
Bundespolizisten angeschossen.
Die Bluttat spielte sich vor den Augen des dreijährigen Sohnes des Paares
ab. Sie hatte in der arabischen Welt Bestürzung und Proteste ausgelöst. Der
ägyptische Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy, äußerte sich
sehr zufrieden über das Urteil. Man habe die Höchststrafe gefordert und die
Höchststrafe bekommen, sagte er am Mittwoch in Dresden nach der
Urteilsverkündung.
Alex W., der seit 2003 in Deutschland lebt, hatte in einer Erklärung seines
Anwalts die Tat gestanden, das Motiv Fremdenhass aber bestritten.
Das Dresdner Landgericht folgte mit dem Urteil den Plädoyers der
Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger. Die Verteidigung hatte auf
Totschlag und versuchten Totschlag im Affekt plädiert und sah Indizien für
eine paranoide Persönlichkeitsstörung. Kurz vor Prozessende war ein
Schreiben von der russischen Generalstaatsanwaltschaft eingetroffen. Darin
hieß es, der Angeklagte sei im Juli 2000 wegen einer psychischen Erkrankung
aus der Armee ausgemustert worden.
Der 28-jährige Angeklagte nahm das Urteil mit gesenktem Kopf regungslos zur
Kenntnis. Nach seiner Aussiedlung habe Alex W. das Leben in Deutschland als
"Multikultischeiße" empfunden, sagte Richterin Birgit Wiegand nach der
Urteilsverkündung. Er sei der Meinung gewesen, dass Ausländer ihm die
Arbeit wegnehmen. In erster Linie habe er Muslime verachtet. "In seinen
Augen waren sie alle Islamisten", sagte Wiegand. Dass er selbst anderer
Herkunft sei, habe er verdrängt. Dass er ein perfekter Deutscher sein
wollte, sei eine "utopische Vorstellung" gewesen.
Alex W. muss auch für alle Schäden in Folge des Messerangriffs aufkommen.
Die Richterin sagte weiter, der 28-Jährige müsse den Eltern, dem Witwer,
dem Bruder und dem dreijährigen Sohn der getöteten Ägypterin "alle
materiellen und immateriellen Schäden ersetzen".
Das Verbrechen an Marwa El-Sherbini geschah während eines
Berufungsprozesses wegen Beleidigung. Der arbeitslose Spätaussiedler hatte
die 31-jährige Ägypterin im August 2008 auf einem Spielplatz wegen ihres
Kopftuchs als "Islamistin" und Terroristin beschimpft.
Der Mordprozess am Dresdner Landgericht hatte am 26. Oktober unter
schärfsten Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Alex W. hatte sich die meiste
Zeit vermummt gezeigt. In der ersten Prozesswoche war er ausgerastet. Er
hatte mit den Füßen getrampelt und seinen Kopf auf die Tischplatte
geschlagen und so eine Unterbrechung des Prozesses erzwungen. Mehrere
Zeugen hatten im Gericht die fremdenfeindliche Gesinnung des Angeklagten
bestätigt.
Etwa 100 Muslime aus ganz Deutschland haben am Mittwoch vor der Verkündung
des Urteils in Dresden gegen Diskriminierung protestiert. Es gehe nicht
darum, Druck auf das Gericht auszuüben, sagte einer der Redner. Die
Demonstration richte sich gegen antiislamische Hetze im Internet. Die
Teilnehmer forderten von der Regierung, gegen alle Internetseiten und
Vereine vorzugehen, die zum Hass gegen den Islam und seine Anhänger
aufrufen. Die Ermordung von Marwa El-Sherbini sei angesichts solcher Hetze
nicht überraschend gewesen, sagte Scheich Abu Anas aus Braunschweig.
11 Nov 2009
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