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# taz.de -- Gespräch mit Ägyptens wichtigstem Blogger: "Arabische Domains sch…
> Ein Gespräch mit Blogger Wael Abbas über arabische Schriftzeichen in der
> Browser-Adresszeile, Schikanen gegen Blogger – und die falsche Adelung
> Ägyptens durchs Internet Governance Forum.
Bild: Eine gute Adresse: Wael Abbas' Blog.
KAIRO taz | „Das Internet spricht Arabisch“, verkündete Ägyptens
Technologieminister Tarek Kamel stolz. In der Nacht zum Dienstag wurde die
weltweit erste Domäne eingerichtet, die nicht mit lateinischen Buchstaben
geschrieben wird: ".misr" – das arabische Wort für Ägypten mit arabischen
Schriftzeichen als Toplevel-Domain.
Verkündet wurde dieser Schritt auf einem Treffen des [1][„Internet
Governance Forum“] IGF im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich. Bei der
Zusammenkunft dieses beratenden Gremiums soll vier Tage lang über die
zukünftige Ausgestaltung des Internets diskutiert werden. „Das ist ein
großartiger Moment für uns“, sagte Kamel bei der Einführung der arabischen
Domäne auf der von der UN gesponserten Konferenz.
Doch selbst von arabischer Seite findet nicht jeder die Einführung der
neuen Domänen gut. „Das wird total überbewertet“, meint Wael Abbas,
Ägyptens prominentester Blogger im Gespräch mit taz.de. „Arabische Domänen
schaffen Distanz, denn auf sie kann nur mit arabischer Tastatur zugegriffen
werden“, urteilt er.
Im Internet gehe es aber darum, dass weltweit Netzwerke geschaffen werden.
Der neue Schritt, fürchtet Wael Abbas, „führt zu einer Lokalisierung des
Internets“. Am Ende, glaubt er, stünde ein ähnliches Phänomen wie beim
Lokalfernsehen in den USA, bei dem sich alle nur noch für ihre unmittelbare
Umgebung interessierten und keine Ahnung haben, was in der Welt vorgehe.
Der ägyptische Blogger Wael Abbas hat sich auch international einen Namen
gemacht, als er Videos von Folter auf Polizeistationen ins Netz stellte. Er
zeigt sich auch enttäuscht, dass das Internet Governance Forum, diesmal
Ägypten als Konferenzort gewählt hat. Das Treffen der IGF verbessere das
Image der ägyptischen Regierung zu unrecht, klagt er. Ein Vorbehalt den er
mit der internationalen Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“
teilt.
„Ägyptische Blogger werden regelmäßig eingesperrt, werden verprügelt oder
sogar gefoltert, um ihre Passwörter zu erfahren“, erzählt Abbas. „Zwar gi…
es keine direkte Zensur des Internets in Ägypten, von wenigen kurzfristigen
Ausnahmen abgesehen, aber das Netz wird von der ägyptischen Internetpolizei
beobachtet“, erklärt er. „Und wenn es ein Problem aus ihrer Sicht gibt,
dann gehen sie direkt zur Quelle und verhaften die Blogger.“
Immer wieder würden Blogger, Journalisten oder Bürger, die im Internet
gegen die Regierung aktiv sind, vor Gericht gezogen. Der bekannte Blogger
Karim Amer sitzt für vier Jahre im Gefängnis, weil er laut Anklage, den
ägyptischen Präsidenten und religiöse Institutionen verunglimpft haben
soll. Mousaad Abu Fagr, der auf seinem Blog über die Probleme der Beduinen
im Sinai mit der Regierung geschrieben hatte, wurde als „Bedrohung der
Nationalen Sicherheit“ weggesperrt.
Es gibt über ein Dutzend Beschlüsse von Gerichten ihn freizulassen –
bislang wurden alle ignoriert. Abbas selbst wird immer bei der Aus- und
Einreise am Flughafen schikaniert. Sein Laptop und seine Datenträger werden
regelmäßig konfisziert. „Als ob ich damit Drogen schmuggle“, meint er.
Einmal wurde ihm zu Hause von einem Polizeioffizier ein Vorderzahn
ausgeschlagen. Obwohl Abbas gleich drei medizinische Atteste vorgelege,
wurde der Fall aus "Mangel an Beweisen" von den Behörden fallengelassen.
Abbas glaubt fest an die Macht des Internets auch in Ägypten in dem über
ein Viertel der Bevölkerung nicht lesen und schreiben kann. „Es gibt 20
Millionen Menschen in diesem Land, die direkt oder indirekt Zugang zum
Internet haben. Das ist einer von vier Ägyptern“, erläutert er.
Und dann gebe es im Land noch 55 Millionen Mobiltelefone und oft würden
Inhalte aus dem Netz, Fotos und Videos per Bluetooth vom Netz auf die
Handys geladen. Die von Abbas ins Netz gesetzten Foltervideos, machten auch
auf diesem Wege im ganzen Land die Runde. „Das geht dann soweit, dass auch
die offiziellen Medien am Ende gezwungen werden, sich damit
auseinanderzusetzen“, sagt er.
Und selbst die Behörden müssen am Ende reagieren. Zwei ägyptische
Polizeioffiziere wurden zu Haftstrafen verurteilt, weil sie auf einer
Polizeistation lachend einen Busfahrer mit einem Besenstil vergewaltigen.
Die Polizisten fühlten sich so sicher, dass sie die Szene auf einem Handy
filmten und Kollegen zeigten. Doch dann bekam Abbas das Video in die Hand
und stellte es ins Internet.
17 Nov 2009
## LINKS
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Governance_Forum
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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