# taz.de -- Reformunfähige Reform-Unis: Das System des Stillstands | |
> Deutschlands Bildungsföderalismus und der blinde Bologna-Aktionismus | |
> haben die Hochschulen gelähmt. Doch die größten Aufgaben stehen noch | |
> bevor. Ein Aufruf zu Lockerungsübungen. | |
Bild: Die Studenten haben es vorgemacht: Sie sind beweglich. Jetzt müssen nur … | |
Erstens haben wir schon immer alles gewusst. Zweitens wissen wir es auch in | |
Zukunft. Drittens tun wir deshalb nichts. Und viertens sind die anderen | |
Schuld. So in etwa lauten die Argumente der HochschulrektorInnen, mit denen | |
sie angesichts des Studierendenstreiks am Mittwoch vor die Presse traten. | |
Damit stehen sie in einem großen Kreis mit den KultusministerInnen der | |
Länder, deren Ministerialbeamten und der Bildungsministerin Annette Schavan | |
(CDU). Ihr Prinzip: Alle zeigen mit den Fingern auf die anderen. Deswegen | |
bewegt sich – nach zehn Jahren hektischstem Reformeifers – heute nichts | |
mehr an Deutschlands Unis. | |
Dieser Stillstand hat System. Die Reformhochschulen sind reformunfähig | |
geworden. Grund dafür ist: Der deutsche Bildungsföderalismus – eigentlich | |
konzipiert für einen Wettbewerb der Ideen – institutionalisiert das Prinzip | |
des Schuldverschiebens. Weil die Reformen des Hochschulwesens auf tausenden | |
Schultern lasten, sind alle ein bisschen und niemand so richtig | |
verantwortlich. Gleichzeitig wurden diese Schultern chronisch überlastet: | |
In den letzten zehn Jahren mussten all jene MinisterialbeamtInnen, | |
Uni-PräsidentInnen, die DekanInnen und ProfessorInnen und nicht zuletzt | |
auch die Studierenden über jedes Stöckchen springen, das ihnen im Namen der | |
Bologna-Reformen hingehalten wurde. Ohne, dass mal in Ruhe geklärt wurde, | |
was Sinn macht und was nicht. Wer so viel hüpft, wird später steif. | |
Die Starre, die sich dadurch heute ergibt, ist fatal. Denn der | |
Bologna-Prozess ist noch lange nicht an seinem Ende. Im Gegenteil: Weil das | |
Bologna-Projekt von Anfang an umstritten war, entschieden sich die Reformer | |
zunächst für einen radikalen Weg: Umsetzen, umsetzen, umsetzen. Koste es, | |
was es wolle. Heute heißt an den Unis zwar alles anders, die größten | |
Probleme anzugehen steht aber noch aus. | |
Für diese Aufgabe braucht es erneut Bewegungsfreude. Dass die Studierenden | |
beweglich sind, haben sie in den letzten Jahren und Wochen gezeigt. Um die | |
Blockaden in den hochschulpolitischen Chef-Etagen zu lösen, bedarf es aber | |
auch dort einer unideologischen Entkrampfung. Zunächst müssten die | |
hauptberuflichen Hochschulreformer einmal eingestehen: Ja, vieles ist noch | |
Humbug. Und dann müssen die Studierenden mitreden dürfen an den Tischen, an | |
denen die Zukunft beschlossen wird. Jede Wette: Das macht alle locker. | |
25 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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