# taz.de -- Streit um Kulturpreis begelegt: Das gute Ende eines Skandals | |
> Roland Koch (CDU) verleiht dem Islamwissenschaftler Navid Kermani nach | |
> langem Hin und Her doch den Hessischen Kulturpreis. Der Eklat bleibt aus. | |
> Und alle Beteiligen treffen den richtigen Ton. | |
Bild: Am Donnerstagabend wurde der Hessische Kulturpreis an Kardinal Lehmann, S… | |
Am Donnerstagabend wurde der Hessische Kulturpreis an Kardinal Lehmann, | |
Salomon Korn, Navid Kermani und Peter Steinacker verliehen. | |
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lobte ihre Verdienste um den | |
interreligiösen Dialog und "als Brückenbauer zwischen den Religionen". Den | |
Rahmen bot der prächtige, neoklassizistisch-jugendstilmäßig ausgestattete | |
Friedrich-von-Thiersch-Saal im Wiesbadener Kurhaus, dem "schönsten Kurhaus | |
der Welt", wie schon Kaiser Wilhelm II. 1907 feststellte. | |
Den Hessischen Kulturpreis gibt es seit 1982, ohne dass er je öffentliche | |
Erregung ausgelöst hätte. Doch diese Preisverleihung war anders. Es hatte | |
zuvor einen handfesten Skandal gegeben. Denn die beiden Christen unter den | |
vier Ausgezeichneten, der frühere evangelische Kirchenpräsident Peter | |
Steinacker und Kardinal Lehmann, hatten bei Roland Koch gegen den | |
Schriftsteller und Islamwissenschaftler Navid Kermani interveniert. In | |
einem Text Kermanis entdeckten sie "Gotteslästerung", obwohl dieser nur auf | |
die Verherrlichung des brutalen Todes Christi am Kreuz hinwies und auch | |
seine emotionale Berührung durch eine Kreuzigungsdarstellung Guido Renis | |
offenbarte. Ministerpräsident Koch und das Kuratorium strichen Kermani im | |
Handstreich von der Preisträgerliste. Der Eklat war da. | |
Kein Wunder, dass es im bis auf den letzten Platz gefüllten Festsaal | |
hochgespannte Erwartungen gab. Würde sich Koch, der bislang nur geschwiegen | |
hatte, für die dienstfertige Ausladung Kermanis nach der Intervention der | |
beiden Christenfunktionäre entschuldigen? Kämen die beiden Christen von | |
ihren hohen Rössern herab? Es knisterte im Saal, jedem der fünf Redner war | |
ein Fauxpas zuzutrauen. | |
Doch die Gewitterwolke entlud sich nicht. Koch redete nüchtern und sachlich | |
eine ganze Stunde, obendrein entschuldigte er sich persönlich bei Kermani | |
für die protokollarischen Fehlleistungen. Kermani erfuhr von seiner | |
Ausladung nämlich aus der Zeitung. Salomon Korn, Vizevorsitzender des | |
Zentralrats der Juden, sagte Kluges zu den nicht verhandelbaren säkularen | |
Grundlagen der "europäischen Kultur": der Trennung von Staat und Religion | |
sowie der Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen. Damit müssen sich | |
alle Religionen abfinden. Kardinal Lehmann erläuterte sein Verständnis | |
eines interreligiösen Dialogs, das wohl im Wesentlichen alle Preisträger | |
unterschreiben würden. | |
Kermani zeigte sich als Freund klarer Worte. Zunächst bedankte er sich bei | |
den deutschen Medien dafür, dass sie die abrupte Ausladung so couragiert | |
kommentierten. Das habe ihn darin bestärkt in der "Auffassung, dass | |
"Deutschland weltoffener" geworden sei: Deutsche Medien stellen sich fast | |
unisono vor einen angegriffenen Muslim und deutschen Intellektuellen. | |
Zugleich griff Kermani den Wahlkämpfer Koch an, der mit fremdenfeindlichen | |
Parolen schon mehrfach im Trüben gefischt hatte. Kermani verwahrte sich | |
gegen die Bezeichnung "muslimischer Schriftsteller", einer Etikettierung, | |
der er allerdings selbst Vorschub leistete, als er sich bereit erklärte, | |
den Preis als Repräsentant einer Religion zu akzeptieren, also in eine | |
Identitätsfalle tappte, die er sonst kritisiert hatte. Ein Schriftsteller | |
repräsentiert keine Institution - weder eine Religion noch eine Nation, | |
sondern nur sich selbst. | |
Mit großem Applaus wurde Kermani bedacht, weil er sein Preisgeld jener in | |
einem sozialen Brennpunkt liegenden katholischen Kirchgemeinde in Köln | |
spenden wird, die ihrerseits vor zwei Jahren die Kollekte für den | |
Moscheebau in Köln gespendet habe. Nächstenliebe, so steht es auch im | |
Koran, ist oberste Pflicht. Der ehemalige evangelische Kirchenpräsident | |
Peter Steinacker schließlich beschäftigte sich in seiner nachdenklichen | |
Dankesrede mit dem schwieriger gewordenen Bekenntnis zu einer Toleranz, die | |
die "Dynamik durch Differenz" nicht untergräbt, sondern fruchtbar macht im | |
Dialog. | |
Insgesamt eine dreistündige, bis in die Musikauswahl ehrliche, Unterschiede | |
nicht verleugnende Veranstaltung. Zwischen Kardinal Lehmanns und Kermanis | |
Reden spielte man György Ligetis "Dialogo" - für Violoncello solo. Das war | |
so klug und mit Bedacht gewählt wie das Spielen eines Streichquartettsatzes | |
von Felix Mendelssohn-Bartholdy vor Salomon Korns Rede - im | |
Mendelssohn-Jahr. | |
28 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
## TAGS | |
Navid Kermani | |
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