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# taz.de -- Medienrechtler gegen Parteien-Fernsehen: Die Politik blockiert
> Die gesellschaftlichen Gruppen müssen ihre Rolle ernst nehmen, sagt der
> Medienrechtler Dieter Dörr von der Uni Mainz. Er setzt sich für mehr
> Staatsferne beim öfentlich rechtlichen Rundfunk ein.
Bild: ZDF-Redakteur Nikolaus Brender ist ein Opfer des Parteien-Einflusses gewo…
Herr Dörr, taz-LeserInnen fordern in Leserbriefen, der Bundespräsident möge
einschreiten, um den Durchmarsch der Politik beim ZDF zu stoppen. Ist es
wirklich so schlimm?
Dieter Dörr: Es ist zumindest eine Frage von ganz grundsätzlicher Bedeutung
und geht über die Problematik, ob Nikolaus Brender Chefredakteur des ZDF
bleibt, hinaus. Es geht um die höchsten Gremien des ZDF, den Fernsehrat und
den Verwaltungsrat. Deren Zusammensetzung macht es möglich, dass die
politischen Parteien maßgeblichen Einfluss auf den Sender nehmen können –
durch nicht eben unwichtige Entscheidungen, wer Chefredakteur oder
Programmdirektor wird. Sie könnten theoretisch hier sogar eigene Vorschläge
machen, weil der ZDF-Intendant diese Posten nur im Einvernehmen mit dem
Verwaltungsrat besetzen kann. So etwas gibt es nirgendwo sonst im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dabei ist ein Verwaltungsrat eigentlich
dazu da, die wirtschaftliche Führung eines Senders durch den Intendanten zu
kontrollieren – und nicht Einfluss aufs Programm zu nehmen. Aber bei so
wichtigen Personalentscheidungen nimmt der ZDF-Verwaltungsrat natürlich
Einfluss aufs Programm.
Im Verwaltungsrat sitzen allein sechs Spitzenpolitiker: Fünf amtierende
oder ehemalige Ministerpräsidenten der Länder sowie Medien-Staatsminister
Bernd Neumann (CDU).
Richtig. Und für seine Personalvorschläge braucht der Intendant eine
Drei-Fünftel-Mehrheit in diesem 14-köpfigen Gremium – das heißt, hier kann
die Politik allein alle Personalvorschläge blockieren. Aber die
Zusammensetzung des Fernsehrates ist noch problematischer: Denn von den 77
Mitgliedern des Fernsehrats sind nur fünf ohne jede Mitwirkung des Staates
oder der politischen Parteien entsandt werden – und zwar die Vertreter der
Kirchen und des Zentralrats der Juden.
Aber die meisten FernsehrätInnen sind doch VertreterInnen der berühmten
„gesellschaftlichen Gruppen“, also letztlich von uns allen. Welchen
Einfluss hat hier die Parteipolitik?
Ganz einfach: 16 Vertreter von im ZDF-Staatsvertrag aufgeführten
gesellschaftlichen Gruppen werden unmittelbar von den Ministerpräsidenten
der Länder ausgesucht. Da gibt es keine Verbände, die Leute vorschlagen.
Juristisch muss man diese Fernsehräte also dem Staat zurechnen. Die anderen
gesellschaftlichen Gruppen müssen Listen mit jeweils drei Vorschläge
machen, aus denen sich wieder die Ministerpräsidenten einen aussuchen. Auch
hier entscheidet der Staat bei der Auswahl mit. Und die restlichen
Fernsehräte – also die Vertreter der Länder, des Bundes und der Parteien -
sind natürlich ganz logisch der Politik zuzurechnen.
Das spottet aber doch jeder „Staatsferne“, die für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich gelten sollte.
Stimmt: Selbst bei Anlegung großzügigster Maßstäbe sind hier die Grenzen
bei weitem überschritten. Das Verfassungsgericht hat über
Gremienzusammensetzungen leider noch nie konkret entscheiden – aber immer
klar gestellt, dass der Staat keinen maßgeblichen Einfluss auf den Rundfunk
gewinnen darf.
Das ist aber beim ZDF doch schon lange so – warum kommt der Protest erst
jetzt?
In der juristischen Fachöffentlichkeit ist schon immer kritisch diskutiert
worden, man muss jetzt endlich sehr kritisch die Frage stellen, was
staatliche Vertreter überhaupt in den Gremien zu suchen haben. Dass es
jetzt zum Schwur kommt, liegt daran, dass sich die beteiligten Politiker –
allen voran Roland Koch – so eindeutig geäußert haben, dass es für jeden
klar ist, dass es hier um inhaltliche Einflussnahmen geht.
Wie sieht es bei der ARD aus? Droht hier auch ein Durchmarsch der Politik?
Eine Gremienzusammensetzung wie beim ZDF gibt es bei der ARD nicht. Früher
war die Zahl der staatlichen Vertreter im NDR Rundfunkrat auch sehr hoch –
doch hier sind diese Misstände mittlerweile abgebaut und die Staatsferne
deutlich gestärkt. Trotzdem bleibt natürlich auch bei der ARD ein
Kardinalproblem, das sich juristisch gar nicht lösen lässt: Die Vertreter
der gesellschaftlichen Gruppen – also von Umweltverbänden, Gewerkschaften,
Handelskammern – sortieren sich ebenfalls nach parteipolitischer Couleur.
Aber das ist ein gesellschaftliches Problem, dass ich nicht dadurch in den
Griff bekomme, dass ich die Zahl der offen staatlichen oder
parteipolitischen Vertreter in den Gremien begrenze. Das lässt sich nur
bekämpfen mit einem Appell an diese Verbände, ihre Rolle ernst zu nehmen –
sie sitzen dort als Vertreter der Gesellschaft, nicht der Parteien.
Gemeinsam mit über 30 anderen Rechtsexperten fordern Sie, das
Bundesverfassungsgericht anzurufen. Klageberechtigt mit Blick auf die
Zusammensetzung der Gremien sind entweder ein Drittel der Mitglieder des
Bundestags oder jede Landesregierung. Dort trifft Ihr Vorschlag bislang auf
wenig Gegenliebe. Welche Chancen hat der Appell wirklich?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war bislang bei den Richtern in
Karlsruhe immer in sehr guten Händen. Und natürlich ist das eine vertrackte
Forderung: Die Politik soll hier handeln, um ihren eigenen Einfluss im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückzunehmen – das verlangt ein hohes Maß
an Altruismus. Aber die Politiker, die verbal immer stark für die
Staatsferne des Rundfunks eintreten – also besonders die von SPD, Grünen
und FDP – müssen jetzt Taten folgen lassen. Es geht schließlich um ein ganz
hohes Gut, um nichts weniger als die Rundfunk- und Medienfreiheit. Und
unsere Demokratie ist auf hochwertige, unabhängige Informationen und die
Kontrolle der Politik durch unabhängige Medien angewiesen. Da kommt der ARD
wie dem ZDF eine ganz zentrale Rolle zu. Nach der heutigen Entscheidung
wird man hier nicht zur Tagesordnung übergehen können.
28 Nov 2009
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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