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# taz.de -- Ein Pirat und der Rechtspopulismus: König der Minarette
> Aaron Koenig, Piratenparteivorstand, begrüßt das Schweizer Nein zu
> Minaretten und verlinkt sein Blog mit einer rechtspopulistischen
> Anti-Islam-Seite. Nur ein Fauxpas?
Bild: Aaron Koenig am Abend der Bundestagswahl 2009.
Man mache es sich zu einfach, schreibt Aaron Koenig [1][in seinem Blog],
die Schweizer "pauschal in die rechtspopulistische Ecke zu stellen". Das
Bundesvorstandsmitglied der Piratenpartei führt an, die Schweizer seien es
seit Jahrhunderten gewöhnt, "ihre Meinung auszudrücken, insbesondere bei
Volksentscheiden."
Die bundesdeutsche parlamentarische Demokratie bekommt von ihm noch einmal
ihr Fett ab: "Wir hingegen haben uns daran gewöhnt, dass Parteienvertreter
über unsere Köpfe hinweg für uns entscheiden – kein Wunder, dass sich
Politikverdrossenheit und ein Gefühl von Ohnmacht ausbreiten." Das
Volksabstimmungs-System der Schweiz solle auf die Bundesrepublik
Deutschland übertragen werden, damit die 'Weisheit der Massen' maßgeblich
für politische Entscheidungen werde.
Dem entgegnet die Parteienforscherin Susanne Frölich-Steffen, dass man die
Idee direkter Demokratie, so wie sie in Deutschland oder in Österreich
existiere, keinesfalls eins-zu-eins auf die politische Kultur in der
Schweiz übertragen könne. Die Schweizer Verfassung sei so angelegt, dass
die Volksentscheide eher bremsend seien: "Die Volksentscheide in der
Schweiz sind keine 'Weisheit der Vielen', sondern ein notwendiges
Korrektiv", so Frölich-Steffen, "Das funktioniert nur in Balance mit der
Schweizer Allparteienregierung".
In Deutschland und Österreich hingegen beobachte man, dass
direktdemokratische Elemente "eher als Anschubinstrument" wirkten. Aaron
König betrachte Dinge in einer vereinfachenden Weise, wenn er derartige
Vergleiche ziehe.
Seit den 80er Jahren gab es zahlreiche Volksentscheide in der Schweiz, die
durch die rechtspopulistische SVP und die AUNS (Aktion für eine unabhängige
und neutrale Schweiz) beeinflusst wurden, weiß die Parteienforscherin.
Frölich-Steffen sagt auch, dass man den Blogbeitrag inhaltlich "durchaus
als rechtspopulistisch" ansehen könne, denn: "Rechtspopulisten setzen immer
auf direkte Demokratie, Xenophobie und Vereinfachung".
Aaron Koenig schreibt, es drücke sich in der Entscheidung für das
Minarett-Verbot "vielmehr ein Unbehagen gegen eine politische Bewegung mit
Allmachtsanspruch aus". Koenig setzt Islam mit Islamismus gleich und ist
offenbar der Meinung, dass der Islam nicht von der Religionsfreiheit
geschützt sein soll, denn "Freiheit geht immer nur so weit, wie sie die
Freiheit eines anderen nicht verletzt".
Kleiner Fauxpas eines Politik-Unerfahrenen? Laut "Political Compass"
versteht sich Koenig [2][Aaron_Koenig:als klar linksliberal]. Sein
Parteikollege [3][Wolfgang Dudda] hingegen setzt Koenig in seinem Blog
[4][in eine Reihe] mit tabubrechenden Klartextrednern wie Thilo Sarrazin
und Hanns-Olaf Henkel. Also doch eher Stammtischpopulismus: das, was eben
in der Mitte der Gesellschaft so geredet wird, und eben auch in der
Piratenpartei. Vielleicht. Bekannt ist zumindest, dass Aaron Koenig
[5][große Sorge davor] hat, dass "sich Stadtteile mit hoher
Einwandererdichte in 'No-Go-Areas' verwandeln".
Den Beitrag des Anstoßes, "Respekt an die Schweiz", würzte Koenig mit einem
Link auf Informationen zum "politischen Islam". Die Quelle ist der
Webauftritt "Zukunft Europa", wo nebenbei auch Unterschriften gegen den
EU-Beitritt der Türkei gesammelt werden.
Ursprünglich stammt die von Koenig verlinkte Argumentationshilfe gegen den
Islam vom Webauftritt "Bundesverband der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von
Demokratie, Heimat und Menschenrechten" – die fusionierten 2008 zur
"Bürgerbewegung Pax Europa".
Biplab Basu von ReachOut Berlin sagt, man könne die Bürgerbewegung Pax
Europa "klar als rechtspopulistisch" bezeichnen
([6][Hintergrundinformationen]). Pax Europa wende sich gegen eine
"schleichende Islamisierung", ihre Protagonisten würden häufig "pauschale
Behauptungen" aufstellen, die nirgendwo belegt seien und nur dazu dienten,
Hass zu säen.
Für seinen Blogbeitrag "Respekt für die Schweiz" hat Aaron Koenig im Netz
zwar auch Zustimmung geerntet, mindestens aber auch genauso viel Kritik –
auf unterschiedlichen Ebenen. Zahlreiche Kommentatoren, von denen viele
Koenig auch mit "Du" ansprechen, zeigten sich enttäuscht von "der
undifferenzierten Sichtweise" auf den Islam.
Einige andere weisen auf die völlig andere politische Tradition der Schweiz
hin. Und mehrere kommentieren in die Richtung "Man sollte die indirekte
Politik in unserem Land auch nicht immer als Bevormundung abstempeln."
[7][Solche Schlüsse] zieht übrigens auch Koenigs Vorstandskollege Andreas
Popp in seinem Blogbeitrag "Die Schattenseiten der direkten Demokratie".
Rücktrittsforderungen gegen Koenig hat es in unterschiedlichen Blogs und
Blog-Kommentaren ebenfalls schon gegeben.
Die Pressestelle der Piraten hingegen wiegelt ab: Das Ganze sei "bisher
relativ harmlos" aufgenommen worden. Koenig habe schließlich in seinem Blog
[8][einen zweiten Beitrag] nachgeschoben, zudem finde sich dort doch der
klare Hinweis, dass es sich bei den dort veröffentlichten Inhalten um die
private Meinung eines Parteimitglieds handele.
1 Dec 2009
## LINKS
[1] http://aaron-koenig.blogspot.com/2009/11/respekt-fur-die-schweiz.html
[2] http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer
[3] http://www.wolfgang-dudda.de
[4] http://www.wolfgang-dudda.de/?p=5874
[5] http://aaron-koenig.blogspot.com/2009/10/sarrazin-und-die-missgluckte-deuts…
[6] http://www.reachoutberlin.de/index.php?name=News&file=article&sid=7…
[7] http://andipopp.wordpress.com/2009/11/30/die-schattenseiten-der-direkten-de…
[8] http://aaron-koenig.blogspot.com/2009/12/religion-und-politik.html
## AUTOREN
Julia Seeliger
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