# taz.de -- Analyse des Schweizer Referendums: Frauen stimmten gegen Minarette | |
> Ausschlaggebend für die Mehrheit gegen Minarette in der Schweiz war laut | |
> Forschern die Zustimmung von linksgerichteten Frauen. Sie wollten ein | |
> Zeichen gegen eine autoritäre Kultur setzen. | |
Bild: Keine Schweizer Verhältnisse: Minarettspitze neben Kirchturmspitze in Ma… | |
Nach der völlig überraschenden Mehrheit von 57,2 Prozent für ein | |
Minarettverbot in der Schweiz stellt sich die Frage, wer diejenigen waren, | |
die am Sonntag für das Referendum gestimmt haben. Statistisch nachweisbar | |
ist ein starkes Stadt-Land-Gefälle zwischen GegnerInnen und | |
Befürworterinnen. Und wie bei ähnlichen Abstimmungen in den Niederlanden | |
und Belgien fand die Verbotsinitiative dort am stärksten Unterstützung, wo | |
die wenigsten oder keine der rund 380.000 Schweizer MuslimInnen leben. | |
Die größte Zustimmung erhielt die Verbotsinitiative in den rein oder | |
überwiegend ländlichen Kantonen. An der Spitze mit über 71 Prozent liegt | |
der Kanton Appenzell-Innerrhoden. In allen Großstädten des Landes, in denen | |
über 90 Prozent der MuslimInnen leben, wurde das Minarettverbot abgelehnt. | |
Am deutlichsten mit fast 60 Prozent im Stadtkanton Genf, wo eine der vier | |
Schweizer Moscheen mit Minarett steht. Deutlich war die Ablehnung auch an | |
den beiden Minarettstandorten Zürich und Winterthur. Der einzige | |
Minarettstandort mit einer Mehrheit für das Verbot war die ländliche | |
Kleinstadt Wangen bei Olten. | |
Ausschlaggebend für die landesweite Mehrheit war - ebenfalls ähnlich wie in | |
den Niederlanden und Belgien - nach Überzeugung der beiden PolitologInnen | |
Regula Stämpli und Michael Hermann die hohe Zustimmung von Frauen, die sich | |
als Feministinnen und als links verstehen und zum Teil bei den Grünen oder | |
der Sozialdemokratischen Partei aktiv sind. "Diese Frauen wollten ein | |
Zeichen setzen gegen eine Kultur, die sie als autoritär, machohaft und | |
aggressiv empfinden", erklärt Hermann. Sie verbänden mit dem Islam vor | |
allem Burka, Scharia, "Ehrenmorde" und andere Formen der Unterdrückung von | |
Frauen. | |
Zwar spielten diese Aspekte bislang in der Schweiz keine Rolle. Hier sind | |
die Muslime besser integriert als in jedem anderen europäischen Land. Doch | |
das hinderte viele linke und feministische Frauen nicht an der Zustimmung | |
zum Minarettverbot. Ebenso wenig wie die Doppelmoral der | |
Verbotsinitiatoren, der rechtspopulistischen Parteien SVP und EDU, die in | |
ihren Parteiprogrammen ein rückständiges Frauenbild propagieren. | |
Ein Teil der VerbotsbefürworterInnen aus dem linken Lager legte am | |
Abstimmungssonntag aus persönlichen oder taktischen Gründen ein "Ja" in die | |
Urne in der durch alle Umfragen genährten sicheren Erwartung, dass die | |
Initiative landesweit keine Mehrheit erhalten werde. Und bei den Umfragen | |
vor der Abstimmung, die zumeist nicht anonym, sondern telefonisch | |
durchgeführt wurden, gaben sie an, mit "Nein" stimmen zu wollen. Das ist | |
einer der wesentlichen Gründe, warum der Schweizer Umfrageguru Claude | |
Longchamps so weit danebenlag wie nie zuvor. In seiner letzten, zwei Wochen | |
vor der Abstimmung für das Schweizer Fernsehen durchgeführten Befragung | |
prognostizierte Longchamps eine Zustimmung zum Minarettverbot von lediglich | |
37 Prozent. | |
2 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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