# taz.de -- Wissenschaftler für Open Access: Freier Zugang zu Forschungsergebn… | |
> Die Open-Access-Bewegung setzt sich dafür ein, dass wissenschaftliche | |
> Publikationen im Internet frei zugänglich sind. | |
Bild: Das breite Interesse zeigt, dass die Open-Access-Bewegung über ein paar … | |
BERLIN taz | Wissenschaftler sind keine Bestsellerautoren. Ihre Werke über | |
Oberflächenstrukturen, Insekten-DNA oder höhere Mathematik werden es | |
niemals mit den Absatzzahlen von "Harry Potter" oder Schätzing-Romanen | |
aufnehmen können. Reich wird also niemand mit solchen Veröffentlichungen - | |
doch in der akademischen Welt ist es ohnehin die Veröffentlichung an sich | |
und der Ruf des Autoren, der sehr viel schwerer wiegt als Honorare. Und | |
nichts befördert die Reputation besser als eine möglichst weite Verbreitung | |
der Forschungsergebnisse, sodass Kollegen Notiz davon nehmen. | |
Das findet auch Lars Fischer. "Wissenschaft lebt von Offenheit und | |
Kommunikation", antwortet er, wenn man ihn fragt, warum er beim Bundestag | |
eine E-Petition für "Open Access" eingereicht hat. Fischer ist studierter | |
Chemiker, Wissenschaftsjournalist und Blogger bei [1][wissenslogs.de.] "Die | |
Petition soll die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass der | |
Open-Access-Gedanke breite Unterstützung genießt." | |
Tatsächlich ist die Unterstützung groß. Bis zum Redaktionsschluss dieser | |
Zeitung haben bereits mehr als 19.500 Menschen die E-Petition | |
unterzeichnet. Das reicht aber nicht aus, um vor dem Petitionsausschuss des | |
Bundestags eine Anhörung dazu zu erzwingen, dass "wissenschaftliche | |
Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen | |
Bürgern kostenfrei zugänglich sein sollen", wie es im Text der Petition | |
heißt. Die breite Unterstützung zeigt auch, dass die Open-Access-Bewegung | |
über ein paar onlineaffine Contentverschenk-Hippies hinausgeht. | |
Das allein ist nicht selbstverständlich - schließlich wandten sich im | |
Frühjahr 2009 zahlreiche Autoren, Chefredakteure und Verleger im | |
"[2][Heidelberger Appell]" gegen Open Access. Wissenschaftsorganisationen, | |
die "Open Access" unterstützen, wurden "weitreichende Eingriffe in die | |
Presse- und Publikationsfreiheit" vorgeworfen, "deren Folgen | |
grundgesetzwidrig wären". Autoren würden "auf eine bestimmte | |
Publikationsform" festgelegt. Vorwürfe, die der Philosophieprofessor Roland | |
Reuß formuliert hatte und für die er in Autoren wie Daniel Kehlmann und | |
Günter Grass, dem Soziologen Ulrich Beck, der damaligen taz-Chefredakteurin | |
Bascha Mika und vielen anderen Unterstützer fand. | |
Selbst Experten wie etwa der Netzphilosoph Peter Glaser schlossen sich dem | |
Appell zunächst an. Doch wie einige andere zog er seine Unterschrift bald | |
zurück. Begründung: Er habe eigentlich nur gegen Google protestieren | |
wollen, die sich mit ihrem Books-Programm die Welttextmasse einverleiben | |
wolle. | |
Doch der "Heidelberger Appell" zeigte, wie groß die Missverständnisse rund | |
um "Open Access" sind: Die Bewegung für freie Veröffentlichungen ist nicht | |
aus einem Zwang, sondern aus der Not vieler Wissenschaftler entstanden. Und | |
aus den Chancen, die das Publizieren im Internet mitbringt. | |
Bevor es diese Möglichkeit gab, waren Wissenschaftsverlage das Nadelöhr, | |
durch das sich Forscher zwängen mussten, wenn sie veröffentlichen wollten. | |
Die Verlage kauften ihnen oft die Exklusivrechte für ihre Werke ab und | |
vertrieben sie dann in Fachmagazinen und Büchern. Nicht einmal auf der | |
eigenen Homepage dürfen die Wissenschaftler diese Texte dann noch | |
publizieren. Und die Verlage verlangten seit Mitte der 90er immer höhere | |
Preise für ihre Titel - sodass Bibliotheken ihre Abos aus Geldgründen | |
reihenweise kündigten. | |
Anders als Belletristikautoren sahen und sehen die Verfasser der | |
Wissenschaftsartikel meist keine Honorare oder Vorschusszahlungen, sondern | |
zahlen für die Veröffentlichung noch drauf. Oder willigen ein, Artikel | |
anderer Kollegen zu begutachten - gemäß dem sogenannten | |
Peer-Review-Prinzip. | |
Kurz: Vorwürfe, dass Autoren über digitale Vertriebswege ausgehungert | |
werden, mag man in Bezug auf Google Books diskutieren können. Bei den | |
Wissenschaftspublikationen sind es jedoch allein die Verlage, die an den | |
Veröffentlichungen verdienen - und dieses Geschäftsmodell naturgemäß | |
bewahren wollen. Dabei sind Wissenschaftsveröffentlichungen bereits heute | |
doppelt staatlich subventioniert: einmal weil eine öffentlich finanzierte | |
Bibliothek sie einkauft, und außerdem weil die Inhalte dieser Werke von | |
Wissenschaftlern erarbeitet wurden, die meist an staatlich voll- oder | |
zumindest teilfinanzierten Instituten angestellt sind. | |
Kein Wunder also, dass Überlegungen aufkamen, wissenschaftliche | |
Veröffentlichungen möglichst frei zugänglich zu machen. Was bereits 1991 | |
damit begann, dass der Physiker Paul Ginsparg am Los Alamos National | |
Laboratory einen Server einrichtete, um unveröffentlichte Papers publik zu | |
machen, gipfelte 2003 in der "[3][Berliner Erklärung]", in der sich | |
zahlreiche namhafte Wissenschaftler aus aller Welt für den offenen Zugang | |
zu wissenschaftlichen Publikationen einsetzten. | |
Seitdem basteln Wissenschaftler und Verlage weltweit an | |
Open-Access-Modellen. Beim "grünen Weg" geht es darum, bereits gedruckte | |
Inhalte digital frei zur Verfügung zu stellen, auf der Homepage des | |
Forschers, der seines Instituts oder einem staatlichen Portal. Ökonomisch | |
komplizierter ist der "goldene Weg", bei dem unveröffentlichte Werke | |
kostenlos und unter Einhaltung hoher Qualitätsstandards publiziert werden, | |
etwa in Form von Open-Access-Zeitschriften. | |
Laut dem "[4][Directory of Open Access Journals]" gibt es weltweit bereits | |
mehr als 4.400 solcher Titel, die mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen | |
operieren. In einigen Fällen zahlen weiterhin die Autoren für die | |
Veröffentlichung ihrer Werke. Anderswo decken Förderorganisationen oder | |
Unifonds die Kosten für die Publikation. Oder Forschungseinrichtungen und | |
Bibliotheken zahlen Mitgliedsbeiträge. | |
Der Wissenschaftsverlag Springer bietet Autoren sein "Open Choice"-Modell | |
an: Wer dort ganz konventionell seine Arbeit publiziert, kann 3.000 | |
US-Dollar drauflegen und behält damit einen Teil des Copyrights seines | |
Werks: Online sind seine Texte entgeltfrei zugänglich. Andere Verlage, | |
darunter Oxford University Press, verfahren ähnlich. | |
Fast alle großen deutschen Wissenschaftsorganisationen, darunter die | |
[5][Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)], die | |
[6][Fraunhofer-Gesellschaft] und die [7][Max-Planck-Gesellschaft (MPG)], | |
unterstützen die Open-Access-Bewegungen, indem sie ihre Forscher dazu | |
verdonnern, ihre Werke auch auf den Institutsseiten frei zugänglich zu | |
machen, oder aber indem sie sie dazu ermuntern, in | |
Open-Access-Zeitschriften zu veröffentlichen. | |
Doch nicht in allen wissenschaftlichen Disziplinen läuft die Einführung von | |
Open Access ähnlich geschmeidig: Während in Informatik und | |
Naturwissenschaften schon viel frei im Netz publiziert wird, tun sich | |
Geistes- und Sozialwissenschaftler damit schwer. | |
11 Dec 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wissenslogs.de/ | |
[2] http://www.textkritik.de/ | |
[3] http://open-access.net/de/oa_informationen_der/maxplanckgesellschaft/berlin… | |
[4] http://www.doaj.org/ | |
[5] http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/… | |
[6] http://www.fraunhofer.de/Images/Fraunhofer_OpenAccessPolicy_tcm7-828.pdf | |
[7] http://open-access.net/de/oa_informationen_der/maxplanckgesellschaft/ | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
Meike Laaff | |
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Wissenschaftsrat | |
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