Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Europäischer Filmpreis: Familientreffen in Bochum
> Familientreffen bei der Preisverleihung in Bochum: Ausgezeichnet wurden
> unter anderem Michael Haneke, Kate Winslet, Ken Loach und Isabelle
> Huppert. Überraschungen blieben aus.
Bild: Kate Winslet (hier bei der Berlinale) erhielt abermals eine Auszeichnung …
Es hätte die Eröffnungsszene eines Werbefilms sein können. Während im
feuerrot erleuchteten Hintergrund die Sirenen der Metallindustrie tönten,
fuhren zweihundert Meter weiter Limousinen am roten Teppich vor und
entließen Promis in die Glasarchitektur der Bochumer Jahrhunderthalle.
Die Verleihung des Europäischen Filmpreises stand an und diese ist vier
Wochen, bevor das Revier endgültig in sein Jahr als Kulturhauptstadt
startet, auch eine kleine Generalprobe für die hoch verschuldete ehemalige
Industrieregion.
Der Ort der Zeremonie wurde dabei mit Bedacht gewählt. Die Jahrhunderthalle
ist ein ehemaliges Stahlwerk und wird heute repräsentativ für Theater und
Empfänge genutzt. "Ich habe gemischte Gefühle, diesen Preis in einer
ehemaligen Fabrik entgegenzunehmen," erzählte der Brite Ken Loach.
In Bochum wurde Loach für sein Lebenswerk geehrt. Nach der Preisverleihung
fügte er hinzu: "In Großbritannien haben wir keine guten Erfahrungen mit
der Deindustrialisierung gemacht, aber das Thema ist zu wichtig für
Soundbites." Für die Soundbites waren dann auch andere zuständig.
Schon bevor die Verleihung offiziell begann, standen die Grußformeln im
Zeichen der Kulturhauptstadt. Wim Wenders erinnerte an seine Jugend, als er
die Schule schwänzte, um die Oberhausener Kurzfilmtage zu besuchen. Der
gebürtige Essener Dieter Gorny zitierte das Motto von Ruhr 2010: "Wandel
durch Kultur – Kultur durch Wandel", um im Anschluss die Wichtigkeit der
Kreativindustrien, für deren Förderung er im Kulturhauptstadtjahr
verantwortlich ist, zu betonen. Und die zeitgleich ebenfalls ihren ersten
Test bestehen mussten.
In Unna fand parallel eine Meisterklasse der European Film Academy in einem
ehemaligen Auffanglager statt, das zukünftig als Standort für
Kreativbetriebe dienen soll. Trotz der bedeutungsschwangeren Umgebung war
die Preisverleihung dann aber doch überraschend kurzweilig. Das lag nicht
zuletzt auch an Moderatorin Anke Engelke, die die Abwesenheit von
Preisträgerin Kate Winslet als beste Schauspielerin dadurch überspielte,
dass sie ein leeres Sofa interviewte.
Ohnehin stand der Abend eindeutig im Zeichen des österreichischen
Regisseurs Michael Haneke, der für "Das weiße Band" Auszeichnungen als
bester Film, bestes Drehbuch und beste Regie entgegennehmen durfte. Sein
Abonnement am Rednerpult wurde ihm nur von Danny Boyle streitig gemacht,
dessen "Slumdog Millionaire" sowohl den Publikumspreis als auch den Award
für die beste Kameraarbeit zugesprochen bekam.
Dass beide Filme in Cannes und bei den Oscars schon zu den Preisträgern
gehörten, dürfte dabei nicht weiter schädlich gewesen sein, die
Auszeichnungen der Jury bewiesen selten Mut zum Experiment.
Auch "Katalin Varga", das Debüt des englischen Regisseurs Peter Strickland,
hatte bereits auf der Berlinale den silbernen Bären gehalten, bevor er in
Bochum als "European Film Academy Discovery 2009" ausgezeichnet wurde.
Der Preis für Tahar Ramin, der in "A Prophet" einen Gefangenen spielt, der
im Knast zum Boss einer Gang aufsteigt, war dann im Gegenzug aber
notwendig, um eine Enttäuschung zu verhindern, denn der Film des
französischen Regisseurs Jacques Audiard war als Favorit in den Abend
gegangen.
Den zum ersten Mal vergebenenPreis für den besten Animationsfilm gewann die
französische Produktion "Mia et le Migou". In diesem Genre lässt sich der
routiniert vorgetragenen Klage über die Dominanz des US-Kinos gegenüber
Europa eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Über weite Teile der
Veranstaltung wirkte sie jedoch wie ein Tribut an die Gastgeber.
"Kino ist eine europäische Sprache," erklärte Isabelle Huppert in ihrer
Dankesrede für den "Lifetime Award" und Ken Loach forderte
protektionistische Maßnahmen zum Schutz des europäischen Films. Wirklich
erregen vermochte sich darüber jedoch niemand und nach zwei Stunden Festakt
verlief auch der Rest des Abends eher gemütlich. Nur mit dem einsetzenden
Schneefall hatte niemand gerechnet.
14 Dec 2009
## AUTOREN
Christian Werthschulte
## TAGS
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regisseur Jacques Audiard über Flucht: „Wann bricht das Pferd zusammen?“
Um Tamilen in Paris dreht sich „Dämonen und Wunder“. Ein Gespräch über d…
Arbeit mit tamilischen Schauspielern, die Realität und das Erfinden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.