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# taz.de -- Kasachstan übernimmt OSZE-Präsidentschaft: Ein Bock wird zum Gär…
> Keine Wahl in Kasachstan war bisher fair und transparent. Zu diesem
> Schluss kamen die Beobachter von der OSZE. Jetzt wird die Organisation
> von Kasachstan geführt.
Bild: Der Jurist und Menschenrechtler Jewgeni Jowtis wurde zu vier Jahren Gefä…
Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew sonnt sich im
internationalen Erfolg. Denn am Neujahrstag übernahm das zentralasiatische
Land zwischen China und dem Kaspischen Meer trotz gravierender Demokratie-
und Menschenrechtsdefizite die Präsidentschaft der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für das Jahr 2010.
Zum ersten Mal übernimmt ein Nachfolgestaat der Sowjetunion - zudem mit
einer muslimischen Mehrheitsbevölkerung - den Vorsitz der Organisation, die
sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus der Konferenz für
Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) gebildet hat. Die OSZE sollte vor
allem die demokratischen Reformen in den Staaten des ehemaligen Ostblocks
und den Nachfolgestaaten der 1991 implodierten Sowjetunion begleiten.
Der kasachische Außenminister Kanat Saudabajew, der die
OSZE-Präsidentschaft führt, erklärte am 1. Januar, dass Kasachstan den
Werten der OSZE verpflichtet sei. Der Außenminister erwähnte in der
Presseerklärung jedoch weder das Wort "Demokratie" noch das Wort
"Menschenrechte". Er sprach stattdessen von "Vielseitigkeit" und
"Toleranz". Der 69-jährige Nursultan Nasarbajew, der noch zu Sowjetzeiten
Präsident wurde und das Land seit über zwanzig Jahren regiert, sieht in der
OSZE-Präsidentschaft die internationale Anerkennung seines an Gas und Öl
reichen Landes.
Allerdings verhagelten Berichte über ein angebliches kasachisches
Urangeschäft mit dem Iran die Festfreude in der mit Prunkbauten neu
errichteten Hauptstadt Astana. Zwei Tage vor der Amtsübernahme war das
kasachische Außenministerium sogar genötigt, ein Urangeschäft mit dem Iran
offiziell zu dementieren. Das ist umso schmerzhafter, da gerade Kasachstan,
auf dessen Boden während der Sowjetzeit Atomraketen stationiert waren, die
Nichtverbreitung von Atomwaffen zur Gründungsideologie des unabhängigen
Staats gemacht hat.
Die kasachische OSZE-Präsidentschaft ist umstritten. Die Befürworter -
unter ihnen die USA und vor allem das bis Oktober 2009 von der SPD geführte
Auswärtige Amt - sehen in dem OSZE-Vorsitz einen Ansporn für Kasachstan,
Reformen in Richtung Menschenrechte und Demokratie voranzutreiben. "Wir
glauben, dass es eine große Chance für Kasachstan ist", sagte Gernot Erler
(SPD) noch in seiner Funktion als Staatsminister des Auswärtigen Amts.
Kasachstan verpflichtete sich vor der Übernahme der Präsidentschaft, die
Reformen beim Wahlrecht und bei den Menschenrechten zu forcieren. Das ist
auch bitter nötig. Denn nicht eine der in Kasachstan abgehaltenen Wahlen
wurden vom Büro für Menschenrechte und Demokratie, das ausgerechnet für die
OSZE die Wahlen beobachtet, als fair und transparent bezeichnet. Im Sommer
2007, bei der letzten Parlamentswahl, erhielt die "Partei der Macht" alle
Sitze.
Doch im Vergleich zu den benachbarten zentralasiatischen Despotien ist die
Gesellschaft in Kasachstan spürbar freier, und die Zivilgesellschaft und
die Medien haben deutlich mehr Rechte. In Turkmenistan zum Beispiel
regierte bis zu seinem Tod 2006 ein Präsident, dem goldene Denkmäler
errichtet wurden, die sich mit dem Lauf der Sonne drehten. Und der
usbekische Präsident Islam Karimow schreckte 2005 nicht zurück, einen
Volksaufstand in der Stadt Andischan niederschießen zu lassen.
In der Rangliste der Pressefreiheit rangiert Kasachstan dennoch beharrlich
auf den unteren Plätzen. Auffällig oft sterben Journalisten bei
Verkehrsunfällen. Steuerbehörden treiben Oppositionszeitungen in den Ruin,
und Geschäftsleute und Oppositionspolitiker werden getötet oder
verschwinden spurlos. 2006 wurde der führende kasachische
Oppositionspolitiker Altynbek Sarsenbajew entführt und danach regelrecht
hingerichtet. In die Tat sollen Mitarbeitern des kasachischen
Geheimdienstes verwickelt sein.
Die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
kritisiert die kasachische OSZE-Präsidentschaft daher als ein Signal in die
falsche Richtung. Doch bereits 2008 verteidigte Gernot Erler die deutsche
Unterstützung: "Präsident Nasarbajew weiß sehr genau, dass dieses Privileg
des Vorsitzes auch mit bestimmten Erwartungen verbunden ist, und er hat ja
auch schon darauf reagiert."
Ein Jahr später, im Sommer 2009, wurde ein häufiger Gesprächspartner
Erlers, der Jurist und Menschenrechtler Jewgeni Jowtis in Kasachstan zu
vier Jahren Gefängnis verurteilt. Jowtis war als Autofahrer in einen Unfall
verwickelt, bei dem ein Passant starb. Den Prozess und die langjährige
Haftstrafe kritisierten internationale Menschenrechtsorganisationen.
Die Beobachter sind sich einig, dass der Prozess von der Direktive bestimmt
wurde, den Menschenrechtler auf lange Zeit hinter Gitter zu bringen. Jowtis
war bis zu seiner Verurteilung international das Gesicht der kasachischen
Zivilgesellschaft. Nicht zuletzt seine Auftritte waren für viele Zweifler
der Grund, trotz Bedenken für die OSZE-Präsidentschaft Kasachstans zu
stimmen. Ein halbes Jahr vor der kasachischen Amtsübernahme landete der
Kämpfer für die Demokratie im Gefängnis.
Es könnte noch schlimmer kommen. 2009 kursierten in Kasachstan Gerüchte,
der Bevölkerung könne ein Referendum über die lebenslange Präsidentschaft
Nursultan Nasarbajews vorgelegt werden.
4 Jan 2010
## AUTOREN
Marcus Bensmann
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