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# taz.de -- Bayerische Schulen: Sieg gegen den Kruzifixwahn
> Drei Jahre musste ein Elternpaar aus Nürnberg kämpfen. Erst dann lenkte
> die Schule ein und entfernte das Kruzifix als staatliches Glaubenssymbol
> aus dem Klassenzimmer.
Bild: Bayerisches Schulgesetz: "In jedem Klassenraum wird ein Kreuz angebracht."
FREIBURG taz | In bayerischen Grund- und Hauptschulen hängt nach wie vor in
fast jedem Klassenraum ein Kruzifix. Eltern können zwar verlangen, dass es
abgehängt wird. Doch wie langwierig dies ist, zeigt ein aktueller Fall aus
Nürnberg.
Der Streit begann im Herbst 2006, als die kleine Petra Weißbäcker*
eingeschult wurde. Ihre Eltern verlangten sofort, das Kruzifix an der Wand
des Klassenzimmers abzuhängen, weil dies der religiösen Neutralität des
Staates widerspreche. "Das Kreuz drückt eine Dominanz des christlichen
Glaubens aus und lässt keinen gleichberechtigten Raum für andere
Weltanschauungen", so ihre Begründung. Als Alternative zur Entfernung des
Kreuzes boten sie an, auch die Symbole anderer Weltanschauungen
aufzuhängen.
Es gab ein Gespräch mit der Schulleiterin und der Klassenlehrerin. Am Ende
gaben die Eltern, Marion Weißbäcker und ihr Partner, "um des Lieben
Friedens willen" nach. Die damalige Klassenlehrerin bemühte sich dann
immerhin um einen religiös neutralen Unterricht. Das änderte sich aber, als
Petras Klasse im Sommer 2008 eine neue Lehrerin erhielt, die mit den
Kindern zweimal täglich christliche Gebete sprach und darin auch auf
Nachfrage keinerlei Problem sah.
Nun wollte Marion Weißbäcker auch nicht mehr zurückstecken und forderte
wieder die Abnahme des Kruzifixes. Sie berief sich auf das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 1995. Damals hatte Karlsruhe die bayerische
Kruzifixpflicht beanstandet. Die Religionsfreiheit verbiete es, dass Kinder
zum "Lernen unter dem Kreuz" verpflichtet werden. In Bayern führte das
Urteil damals zu Aufruhr und die CSU setzte es nur in minimaler Form um.
So heißt es heute im bayerischen Schulgesetz: "Angesichts der kulturellen
und geschichtlichen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz
angebracht." Das Gesetz, das für die rund 3.000 Grund- und Hauptschulen im
Freistaat gilt, sieht allerdings auch vor, dass Eltern widersprechen können
und die Schulleitung dann eine "gütliche Einigung" suchen sollte. Dabei sei
auch der "Wille der Mehrheit" zu berücksichtigen. 1999 erklärte das
Bundesverwaltungsgericht, dieses Gesetz sei verfassungskonform, wenn
widersprechende Eltern dabei im Klassenverband anonym bleiben können und an
die Begründung des Widerspruchs keine überzogenen Anforderungen gestellt
werden.
In der Praxis begann für Marion Weißbäcker ein Hürdenlauf mit ungewissem
Ausgang. Es gab neue Gespräche mit der Schulleitung und der
Klassenlehrerin. Auch das Schulamt und der städtische Schulbürgermeister
schalteten sich ein. Die Rektorin bot an, das Kreuz so zu hängen, dass die
kleine Petra es im Unterricht nicht sieht. Außerdem legte sie den Wechsel
des Mädchens auf eine Grundschule ohne Kruzifixe nahe. Dabei gibt es nach
Auskunft des Schulamts gar keine Grundschulen ohne Kreuz im Klassenzimmer.
So verging mehr als ein Jahr mit Gesprächen und Schriftwechseln. Die
Rektorin warf der Mutter vor, dass sie gar keine Glaubensprobleme geltend
mache. Marion Weißbäcker verwies auf die Pflicht des Staates zur religiösen
Neutralität. Ihre Anwältin Helga Rauh drohte mit einer Untätigkeitsklage.
Da kam kurz vor Weihnachten die Nachricht der Rektorin. Weil Petra schon in
die vierte Klasse gehe, sei ein Schulwechsel "nicht angemessen". Deshalb
werde das Kruzifix nach den Weihnachtsferien abgenommen. Ab diesem
Donnerstag wird Petra also in einem neutralen Klassenzimmer lernen. Ihre
Mutter atmet auf und hofft: "Wenn mehr Eltern von ihrem Recht Gebrauch
machen, ist so etwas künftig wohl einfacher." In Nürnberg war es nach
Angaben des Schulamts der erste Widerspruch gegen ein schulisches Kruzifix
seit 2002.
* Alle Namen der Familie geändert
7 Jan 2010
## AUTOREN
Christian Rath
Christian Rath
## TAGS
Bayern
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