# taz.de -- Aktivist Tadzio Müller zu Kopenhagen: "Die Polizei lernt voneinand… | |
> Obwohl der Kopenhagen-Gipfel gescheitert ist, waren die Aktionen nicht | |
> umsonst, sagt Mit-Organisator Tadzio Müller. Radikalere Aktivisten und | |
> NGOs ziehen nun wieder stärker an einem Strang. | |
Bild: "Wir müssen die die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ändern." - … | |
taz: Herr Müller, herrscht bei Ihnen noch Katzenjammer ? | |
Tadzio Müller: Nein. Eine realistische Einschätzung dessen, was in | |
Kopenhagen passiert ist, zeigt, dass wir sowohl Erfolge errungen als auch | |
Niederlagen einstecken mussten. | |
Was waren die Erfolge? | |
Wir wollten aufzeigen, dass die UN-Klimakonferenz in dieser Form keinen | |
sinnvollen Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten wird. Zugegeben, | |
dieses Ziel haben die Offiziellen für uns erfüllt. Wir haben aber durchaus | |
dazu beigetragen. Unser zweites Ziel war auf die Bewegung gerichtet: Uns | |
aktionistisch orientierten Netzwerken ging es darum, die großen NGOs davon | |
zu überzeugen, nicht nur an den offiziellen Konferenztischen zu sitzen. Ich | |
persönlich bin nicht der Meinung, dass Regierungen und internationale | |
Organisationen in der Lösung der Klimakrise überhaupt keine Rolle spielen | |
werden. Aber um wirkliche Lösungen durchzusetzen, müssen wir viel stärker | |
die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ändern. Und dies erreichen wir | |
auf der Straße. Dass am Ende NGO-Vertreter die Säle verließen, um im | |
wahrsten Sinne des Wortes der UN-Konferenz den Rücken zu kehren - über | |
diese Aktion habe ich mich sehr gefreut. | |
Und was würden Sie sagen, waren Ihre Misserfolge? | |
Wir waren nicht ausreichend in der Lage, unsere Inhalte nach außen zu | |
tragen. Die Idee der Klimagerechtigkeit konnte nicht radikal besetzt | |
werden. | |
Der radikale Block fiel auf der Großdemonstration in Kopenhagen eher | |
mickrig aus. Ist das Thema Klima in der linken Szene vielleicht noch gar | |
nicht so recht angekommen? | |
Der Block war zwar schlecht organisiert, das stimmt. Aber aus Deutschland | |
waren sehr viele von unseren AktivistInnen da. Ein Fehler war vielleicht | |
sogar, dass wir uns zu sehr auf unsere Szene bezogen haben und darum nicht | |
so viele aus anderen Spektren dafür mobilisierten, auch über die Demo | |
hinaus zu bleiben. Vieles ist aber auch auf das Polizeiverhalten | |
zurückzuführen. | |
Wie meinen Sie das? | |
Die Massenverhaftungen haben viele Leute eingeschüchtert und vor allem die | |
Dänen vom Protest abgehalten. Viele von uns, darunter auch ich, waren ja | |
bereits verhaftet, bevor die Proteste überhaupt losgingen - präventiv, also | |
dafür, nichts getan zu haben. Das hatte im europäischen Maßstab schon eine | |
neue Qualität. | |
Könnte ein solches Vorgehen Schule machen? | |
Definitiv. Schon bei vorherigen Gipfelprotesten ist mir aufgefallen, wie | |
sehr die Polizei voneinander lernt. Die Käfige für Gefangene waren ja eine | |
Leihgabe der deutschen Regierung; erstmals eingesetzt wurden sie beim | |
G-8-Gipfel in Heiligendamm. | |
Welche Konsequenzen ziehen Sie auch mit Blick auf die nächsten | |
Klimakonferenzen in Bonn und in Mexiko? | |
In Mexiko wird es sicherlich Protest geben. Die lateinamerikanischen | |
Bewegungen werden diesen Anlass nutzen, um bestätigt zu bekommen, dass wir | |
global nicht alleine sind. Was in Bonn passieren wird, ist noch unklar. | |
In Bonn könnte es womöglich gar keine Proteste geben? | |
Im Rheinland baut sich gerade eine Gruppe auf, und auch international gibt | |
es Interesse an Demonstrationen. Etwas wird also mit Sicherheit passieren. | |
Es gibt in unseren Kreisen aber auch Stimmen, die sich eine Abkehr von den | |
Großveranstaltungen wünschen und sich lieber wieder stärker regional | |
engagieren wollen, zum Beispiel gegen Braunkohletagebau und neue | |
Kohlekraftwerke. Da passiert schließlich sehr viel. Wenn es uns gelingt, | |
alle Initiativen miteinander zu vernetzen und eine Debatte zu entfachen, | |
wie ein wirklich klimagerechter Energiesektor aufgebaut werden kann, dann | |
haben wir mehr erreicht, als sich die Regierungsvertreter in Kopenhagen je | |
erträumt haben. | |
21 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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