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# taz.de -- Zossen plant Mahnwache gegen Rechts: Feuer gefangen
> Wenige Tage nachdem ihr "Haus der Demokratie" in Zossen abgebrannt ist,
> organisiert die Initiative heute eine Mahnwache. Rechte wollen dagegen
> demonstrieren.
Bild: Die Rechten sind nicht nur im Wahlkampf aktiv: In Zossen, 30 Kilometer s�…
Als sich Lutz Haenicke von seinem Platz erhebt, schießen ihm Tränen in die
Augen. "Wir alle haben in das Haus so viel Arbeit gesteckt", sagt der
66-Jährige mit leiser Stimme. "Aber das darf es nicht gewesen sein. Wir
müssen jetzt erst recht weitermachen und zusammenhalten." Die anderen im
Raum blicken betroffen zu ihm. Viele nicken.
Gut drei Dutzend Erwachsene, alle Mitglieder der Bürgerinitiative "Zossen
zeigt Gesicht", quetschen sich an diesem Montagabend in einen Nebenraum der
evangelischen Kita in Zossen, 30 Kilometer südlich von Berlin. Handwerker,
LehrerInnen und Hausfrauen sitzen auf Stühlen, zwischen ihnen eine
Mitarbeiterin des brandenburgischen Bildungsministeriums und der Landrat
des Kreises Teltow-Fläming. Es ist nur zwei Nächte her, dass das "Haus der
Demokratie", der eigentliche Treffpunkt der Initiative, komplett
niedergebrannt ist (taz berichtete). Ob infolge eines Unfalls oder eines
Anschlags - niemand weiß es, das Landeskriminalamt ermittelt noch. Fest
steht bisher nur: Eine Woche vor dem Brand gab es drei Attacken mit
Knallkörpern auf Fenster und Briefkästen von Mitgliedern und Sympathisanten
der Bürgerinitiative. Auch das "Haus der Demokratie" war seit der Eröffnung
im September 2009 mehrmals Ziel von Anschlägen mit offensichtlich
rechtsradikalem Hintergrund.
Trotz naheliegender Vermutungen warnt Georg-Heinrich von Eichborn,
Vorsitzender des Trägervereins des "Hauses der Demokratie", zu Beginn der
Versammlung: "Wir spekulieren nicht. Uns bleibt nur, nach vorn zu sehen."
Dann fragt er in die Runde: "Freunde, wie ging es euch nach dieser
schrecklichen, katastrophalen Nacht?" Der 55-jährige Peter Schmitt
antwortet schnell: "Total beschissen. Da spürt man eine Wut, die man
nirgendwo rauslassen kann." Und ein 41-Jähriger, der nur zeitweise in der
Stadt wohnt und anonym bleiben will, gesteht: "Ich bin gerade mit relativ
viel Abscheu nach Zossen gefahren. Die direkte Reaktion der Rechten auf den
Brand kann einem schon Angst machen." Er spielt auf Seiten im Internet an,
auf denen Neonazis die Initiative verhöhnten.
Dann spricht eine kleinere, ältere Frau mit kräftiger Stimme. Es ist die
Berlinerin Irmela Mensah-Schramm, bundesweit für ihre antifaschistischen
Aktionen bekannt: "Warum so zurückhaltend? Wenn in Kreuzberg Autos brennen,
sind es immer die Linken. Wenn die Rechten etwas machen, wie es hier
naheliegt, geht keiner in die Offensive."
Die Offensive gegen Neonazi-Umtriebe sollte in Zossen eigentlich das "Haus
der Demokratie" sein. Nach monatelanger Sanierung wurde der DDR-Bau im
Herbst eröffnet. Bis zum Brand gab es darin eine kleine Bibliothek,
Proberäume für Musiker und ein Café für regelmäßige Lesungen. Im Aufbau
befand sich eine Ausstellung über die viel kritisierte Residenzpflicht für
brandenburgische Asylbewerber. Einige Ausstellungskataloge konnte der
Berliner Philipp Kuebart, der die Schau gestaltet hat, noch aus den
Überresten des Bürgerhauses retten. Mehr nicht.
Im Büro des Versicherungsmaklers Jörg Wanke sind die angekokelten Kataloge
gelagert. Dass es dort jetzt nach Asche riecht, stört den 43-Jährigen
nicht. Wenn er im Büro sitzt, kümmert sich der Sprecher der
Bürgerinitiative gerade ohnehin nur noch um die Folgen des Brandes. Seit
Montagfrüh, 7 Uhr, würden permanent Journalisten anrufen. An seinem
Bürofenster sieht man immer noch, dass ehrenamtliches Engagement dieser Art
in Zossen Mut bedarf: Das Glas ist gesplittert, nachdem vor zehn Tagen
jemand kommentarlos einen Böller an die Scheibe geklebt und angezündet hat
- das Ganze gerade mal einen Steinwurf von der örtlichen Polizeiinspektion
entfernt. "Die Nazis wollen, dass wir uns nicht mehr aus dem Haus trauen",
mutmaßt Wanke, dessen Einsatz gegen rechte Gewalt begann, als sein
dunkelhäutiger Sohn in der Schule gemobbt wurde.
Dass sie sich nicht einschüchtern lassen, wollen Wanke und die anderen
Mitglieder der Initiative an diesem Mittwoch um 18 Uhr mit einer Mahnwache
zum Internationalen Holocaust-Gedenktag zeigen. Fast kommentarlos reagieren
die Mitglieder bei dem Vorbereitungstreffen in der Kita auf den Hinweis
Wankes, dass Rechte im Internet zu einer Gegendemonstration mobilisieren,
als ob für sie solche Aufrufe zum Alltag gehörten.
Die Flaggen und Banner für die Mahnwache, mit Aufschriften wie "Zossen
zeigt Gesicht für mehr Demokratie" und "Gegen das Vergessen der
Holocaust-Opfer", sind in der Nacht zu Samstag in Flammen aufgegangen.
"Macht aber nichts, wir haben bereits neue bestellt", sagt Georg-Heinrich
von Eichborn.
27 Jan 2010
## AUTOREN
Bernd Skischally
## TAGS
Prozess
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die Antifa halten dagegen.
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