# taz.de -- Artes Karambolage wird 200: Grafiker gegen Vorurteile | |
> Am Sonntag läuft die 200 Folge von "Karambolage" (20.40 Uhr, Arte). Das | |
> subversive Magazin widmet sich seit rund sechs Jahren deutschen wie | |
> französischen Eigenheiten. | |
Bild: Sieht so die Deutsch-Französische Freundschaft aus? | |
Warum schießen die Deutschen in der Silversternacht Raketen in die Luft, | |
während es in Frankreich zur gleichen Zeit ganz still ist? Wie | |
unterschiedlich begehen Deutsche und Franzosen den 1. April und was hat es | |
mit dem deutschen "akademischen Viertel" auf sich? | |
Fragen rund um Gemeinsamkeiten und Unterschiede dies- und jenseits des | |
Rheins versucht seit mehr als sechs Jahren ein subversives Magazin für | |
Alltagskultur zu beantworten. "Karambolage" wird jeden Sonntagabend auf | |
Arte ausgestrahlt, dieses Wochenende zum 200. Mal. | |
"Als ich nach Jahren in Deutschland zurück nach Frankreich kam, merkte ich | |
erst, wie groß die Vorurteile meiner Landsleute gegenüber den Deutschen | |
sind", sagt Regisseurin Claire Doutriaux. Die Franzosen beschäftigten sich | |
kaum mit deutscher Gesellschaft und Geschichte. "Ich habe nach einem Format | |
gesucht, um den Dialog voranzutreiben", so Doutriaux, die auch an der | |
Gründung des Senders beteiligt war. | |
Kurzweilig, bunt und frisch sollte das Magazin ihrer Vorstellung nach sein. | |
Statt Sterotype zu bedienen, wollte sie Details wie Wörter, Gegenstände | |
oder Riten in den Mittelpunkt stellen. "Das Konkrete als Leitplanke, um | |
keinen Blödsinn zu erzählen." Von Beginn an legte ihr Team großen Wert auf | |
die Ästhetik. "Wenn man über Einzelheiten berichtet, müssen diese mit | |
Bildern gezeigt werden und man muss grafisch drum herum arbeiten", versucht | |
sie den Ansatz zu verdeutlichen. | |
Das Besondere: Mehr als 50 Grafiker arbeiten regelmäßig für "Karambolage". | |
Zwei Monate braucht einer von ihnen im Schnitt für einen dreiminütigen | |
Beitrag. So werden die Etymologie des Wortes "Apfel" oder die | |
unterschiedlichen Arten des Monopoly-Spiels in Deutschland und Frankreich | |
über detailverliebte Bildcollagen erzählt. Fotos, Animationen, Trickfilme | |
und Grafiken illustrieren das Gesagte. Diese ambitionierte und kreative | |
Optik macht den Reiz von "Karambolage" aus. | |
In der zwölfminütigen Sendung erzählen Wissenschaftler, Grenzgänger, | |
Normalos über Alltägliches. Sie klären über Eigenarten, Worte, Gegenstände | |
auf. In "Was mir fehlt" vermisst eine in Deutschland lebende Französin die | |
Schneckengabel und -zange, und eine Deutsche in Frankreich trauert dem | |
deutschen Schokopuddingpulver hinterher. In "Der Ausdruck" erklärt eine | |
Sprachwissenschaftlerin, der "gute Rutsch" habe nichts mit "rutschen" zu | |
tun, sondern sei von dem hebräischen Wort "Rosch" (Anfang) abgeleitet. | |
Für die 200. Sendung hat die "Karambolage"-Redaktion den französischen | |
Profifußballer Willy Sagnol auf die Couch geladen. Neun Jahre spielte er | |
bei Bayern München, seit 2009 lebt er wieder in seiner Heimat. In | |
Deutschland lernte er nicht nur deutsche, sondern vor allem bayerische | |
Eigenarten kennen - und teils auch lieben. "Wenn ich heute Besuch aus | |
Deutschland bekomme, muss der mindestens einen Kasten Bier mitbringen - | |
Tegernseer Hell", sagt Sagnol, während links neben ihm drei animierte | |
Bierflaschen mit Kästen in der Hand durchs Bild laufen. Die neun Münchner | |
Jahre reichten aber nicht aus, um Sagnol etwa die Tradition des kollektiven | |
Massenbesäufnisses am Vatertag verständlich zu machen. Und bis heute wird | |
aus dem "ich" bei ihm ein "isch". | |
Auch zur 200. Sendung darf das Rätsel nicht fehlen. Dreißig Sekunden wird | |
eine beliebige Alltagsszene gezeigt und gefragt "Wo wurde das gedreht? In | |
Deutschland oder Frankreich?" Indizien sind meist kleine Schilder im | |
Hintergrund - Verkehrszeichen, Werbetafeln, Logos. Oft das Highlight der | |
zwölf Minuten. | |
Normalerweise wird "Karambolage" jeden Sonntag um 20 Uhr ausgestrahlt, also | |
in harter Konkurrenz zur "Tagesschau". Mit etwa 100.000 Zuschauern ist es | |
auch im siebten Jahr erfolgreich. Dass in Frankreich eine halbe Million | |
zusehen, liegt an der dort höheren Reichweite von Arte. | |
28 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
Paul Wrusch | |
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Anusch Thielbeer ist Grafikerin, Illustratorin und vieles mehr. Sie gehört | |
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