# taz.de -- Weltwirtschaftsforum: Der Geist von Davos ist irritiert | |
> Der Streit um eine stärkere Regulierung polarisiert die Topmanager und | |
> Politikelite auf ihrem inoffiziellen Gipfeltreffen in den Schweizer | |
> Bergen. | |
Bild: Fürchtet vor allem, dass sich der Staat zu sehr in die Bankgeschäfte ei… | |
DAVOS taz | Jakob A. Frenkel legt sich mächtig ins Zeug. Der grauhaarige | |
Herr, Chef von JPMorgan Chase, einer der größten Banken der USA, | |
gestikuliert, produziert Sorgenfalten auf seine Stirn und fixiert die | |
Kamera. Liveschaltung für den US-Sender CNBC vom Weltwirtschaftsforum aus | |
Davos. Frenkel sagt: "Freier Handel ist ein Gewinn für alle. Dass es auch | |
mal Verlierer gibt, ist keine Rechtfertigung für staatliche Eingriffe." | |
Es ist der erste Tag des informellen Weltgipfels der Wirtschafts- und | |
Politikelite. Im Kongresszentrum des verschneiten Schweizer Skiortes läuft | |
die Diskussionsveranstaltung "Die nächste globale Krise". Frenkel und | |
andere Vorstände legen dar, warum nicht die Banken, sondern angeblich der | |
Staat neue Turbulenzen an den Finanzmärkten verursachen könnten. Ihr | |
Argument: Wenn die Regierungen sich mit Gesetzen noch mehr in die | |
Wirtschaft einmischen, erhöhen sie deren Kosten, was zu verminderten | |
Investitionen und weniger Jobs führt. Die Gegenposition vertritt Kenneth | |
Rogoff, Ökonomieprofessor der Harvard-Universität. Für ihn besteht das | |
größte aktuelle Krisenrisiko nicht in zu starker Regulierung, sondern in | |
der durch die Bankenrettung verursachten gigantischen Staatsverschuldung, | |
Dann fordert die Moderatorin die Gäste auf, abzustimmen. 51 Prozent der | |
anwesenden Manager und Unternehmer sehen die Schulden als größte Gefahr, 49 | |
Prozent haben Angst vor Überregulierung. | |
Diese Frontstellung zieht sich durch das gesamte Forum, das am Sonntag | |
endet: Etwa die Hälfte der 2.500 Wirtschaftsvertreter, Ökonomen und | |
Politiker meint, dass US-Präsident Obama grundsätzlich richtig liege mit | |
seinem neuerlichen Versuch, die Banken in die Schranken zu weisen und ihre | |
Größe zu begrenzen. Die andere Hälfte der WEF-Teilnehmer sagt dagegen, dass | |
es jetzt mal reichen müsse mit den Staatsinterventionen nach der | |
Finanzkrise. Zwischen den Lagern herrscht kein Frieden. | |
So etwas ist in Davos eher unüblich. Sonst regiert der vielbeschworene | |
Geist von Davos, den WEF-Gründer und Chef Klaus Schab so perfekt | |
personifiziert: Lasst uns die Hände reichen, damit es allen noch besser | |
geht. Der Sinn eines Besuches beim Forum besteht für viele darin, | |
gepflegten Bildungsurlaub mit eingestreuten Businessterminen zu | |
absolvieren. Man sitzt in der "Technology Lounge" des verwinkelten | |
Kongresszentrums in weißen Ledersofas, dreht sich um und denkt: "Den weißen | |
Haarschopf kenne ich doch." Dann steht Bill Clinton drei Meter entfernt, | |
und wer will, kann auch mit ihm reden. Im benachbarten Hotel Steigenberger | |
Belvedere trifft sich Vorstand A mit Vorstand B auf dem sonnigen Balkon zum | |
Hummer, um das nächste Geschäft vorzubereiten. Und nachmittags folgt man | |
Schwabs Einladung zur Spendengala für Haiti, damit auch das eigene | |
Unternehmen auf der Liste steht. | |
Eine Rede, wie sie der französische Staatspräsident gehalten hat, ist die | |
Ausnahme. Nicolas Sarkozy liest den Bankern die Leviten, wirft ihnen | |
Unmoral und Gier vor. Zur Beleidigung fehlt nicht mehr viel. Manche Herren | |
des großen Geldes schütteln entgeistert die Köpfe. Andere Zuhörer aber | |
finden die Philippika gegen den Finanzkapitalismus engagiert und | |
weitreichend und spendieren stehend Ovationen. | |
Sarkozy setzt damit die Linie fort, die Obama unlängst vorgegeben hat. Auch | |
Großbritanniens Premier Brown erhebt eine Steuer auf Bonuszahlungen und der | |
Internationale Währungsfonds scheint eine grenzüberschreitende Steuer auf | |
Finanztransaktionen zumindest in Erwägung zu ziehen. | |
Zu denen, die den Kopf über so etwas schütteln, gehört auch Hans Wagener. | |
Der Senior Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | |
PricewaterhouseCoopers findet die neuesten Vorschläge aus den USA und | |
Frankreich "abstrus". Gegen "einfache zielgerechte Regulierung" hat Wagener | |
nichts einzuwenden. Er sagt: "Leitplanken müssen sein, die bestehenden noch | |
höher zu machen wird jedoch nichts ändern, weil sie zum Teil an den | |
falschen Stellen stehen. Das hat die Krise gezeigt." Anstatt Banken | |
bestimmte Geschäftsmodelle zu verbieten, hielte er es für besser, | |
beispielsweise Ratingagenturen einer Aufsicht zu unterstellen. | |
Stanley Bergman sieht das ähnlich. Der Chef des Medizinartikel-Verkäufers | |
Henry Schein Inc. berichtet aus dem Kollegenkreis: "Manche Vorstände werden | |
sehr ärgerlich." Und auch er selbst macht sich Sorgen angesichts dessen, | |
was Obama und Sarkozy verkünden. "Wollen wir wieder da landen, wo Margaret | |
Thatcher begonnen hat?" | |
30 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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Baden-Württemberg | |
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