# taz.de -- Rechtsstreit in Österreich: Petzner will keine Romanfigur sein | |
> Stefan Petzner, Fraktionschef des Bündnisses Zukunft Österreich und | |
> einstiger Haider-Gefährte, erkennt sich in David Schalkos Roman "Weiße | |
> Nacht" wieder. Nun klagt er. | |
Bild: Klagt auf Schadenersatz wegen Bloßstellung: Stefan Petzner. | |
Ein Delphin auf dem Unterbauch des Stefan Petzner ist Gegenstand eines | |
Prozesses gegen den österreichischen Czernin Verlag. Stefan Petzner ist | |
jener solariumgebräunte junge Mann, der nach dem Unfalltod von Jörg Haider | |
in Tränen aufgelöst Interviews gab und schluchzte, er habe seinen | |
Lebensmenschen verloren. Petzner, der heute Fraktionschef der von Haider | |
gegründeten Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) ist, meint sich in | |
Thomas, dem Ich-Erzähler des Romans "Weiße Nacht" von David Schalko, | |
wiederzuerkennen. Das satirische Werk beschreibt das homophil geprägte | |
Verhältnis eines jungen Mannes zu einem messianischen Politiker, der sich | |
mit merkwürdigen, ihm hündisch ergebenen Gestalten umgibt und im Stil von | |
Groschenromanen bedeutungsschwere Wort von sich gibt. Petzner klagt nach | |
Paragraf 7 Mediengesetz auf Schadenersatz wegen Bloßstellung. Die | |
Romanfigur trägt wie er einen tätowierten Delphin links auf dem Unterbauch, | |
nennt Türkis als ihre Lieblingsfarbe, betrachtet das Wort "Flocke" als | |
besonders zärtlich, spricht von "Lebensmensch" und glaubt nicht, dass ihr | |
Idol wirklich durch einen Unfall zu Tode gekommen ist. Die Klageschrift | |
zitiert ausführlich mehrere Textstellen, durch die sich der Mandant des | |
Anwaltsbüros bloßgestellt fühlt. | |
David Schalko, der bei einigen Satiresendungen im ORF Regie führt oder | |
geführt hat, blickt dem Prozess am 19. Februar mit Gelassenheit entgegen | |
"und mit einem Stück Amüsement". Petzner habe recht, wenn er sich | |
wiedererkenne, "aber nicht, wenn er sich beschwert". Denn er verstehe den | |
Sinn von Satire nicht: "Es wäre absurd, wenn man denjenigen, den man | |
satirisch behandelt, nicht erkennen würde. Das würde die gesamte politische | |
Satire ad absurdum führen", meint Schalko im Gespräch. Er kennt Petzners | |
Unterbauch nicht aus eigener Anschauung, und auch die Kenntnis anderer | |
Details verdankt er nicht intimer Bekanntschaft mit der Person, sondern den | |
Medien, in denen der Haider-Jünger ausführlich über sein Seelenleben | |
geplaudert hat. Petzner behauptet, es würden unzulässige Behauptungen über | |
sein Privatleben aufgestellt. Schalko: "Dazu kann ich nur sagen, das sind | |
klare satirische Überhöhungen, das muss man begreifen können." | |
Schalko stellt bei Rechtspolitikern allgemein einen Mangel an | |
Kritikresistenz fest. Petzners Verhalten "sagt mehr aus über Politiker, die | |
meistens von rechts kommen, dass sie immer gleich klagen, wenn sie | |
kritisiert werden. Das beste Beispiel sind die Gebrüder Scheuch, die Udo | |
Jürgens den Kärntner Landesorden in Gold streitig machen wollen, weil er es | |
gewagt hat, sie zu kritisieren." Uwe Scheuch ist der Chef der | |
BZÖ-Abspaltung Freiheitliche in Kärnten (FPK), die in Kärnten regiert und | |
jetzt wieder mit der FPÖ gemeinsame Sache macht. Sein Bruder Kurt ist | |
Fraktionschef im Kärntner Landtag. Die Scheuchs entstammen einer | |
nationalsozialistischen Großbauernfamilie. Bei ihnen sehe man, so Schalko, | |
"dass dieses Kokettieren mit irgendwelchen Regimes aus den 1940er-Jahren | |
nicht von ungefähr kommt." | |
In "Weiße Nacht" sind noch andere Gestalten aus der Kärntner Politik und | |
dem rechten Umfeld zu erkennen. Keine Romangestalt ist allerdings so klar | |
an noch lebende Politiker angelehnt wie der Ich-Erzähler. Schalko meint | |
jedoch, dass Petzner sich nicht beklagen dürfe: "Ich finde, dass nicht | |
einmal Stefan Petzner verarscht wird, sondern dass man direkt Mitleid mit | |
diesem Menschen haben muss. Das ist wohl der Grund, warum die Anwältin | |
schreibt, dass es auch Bloßstellung ist, wenn man mit der Person Mitleid | |
haben muss." | |
Er könnte aber eine wunde Stelle des zartfühlenden Klägers getroffen haben: | |
"Wenn das der Lebenslauf des Stefan Petzner ist, der da beschrieben wird, | |
dann hat er ein ganz anderes Problem, als gegen mich zu klagen." Wichtiger, | |
als Romanfiguren zu identifizieren, sei etwas anderes: "In Wahrheit erkennt | |
man eine Mechanik oder Ästhetik. Darum geht es ja in diesem Buch." | |
In den letzten Jahren haben sich schon viele Journalisten in Interviews und | |
Politiker in öffentlichen Streitgesprächen bemüht, Haider und seine | |
Epigonen zu demontieren. Meist erfolglos. Deswegen glaubt Schalko, dass | |
Satire sich eher als Mittel eignet: "Es ist leichter, über Adolf Hitler zu | |
lachen, als mit ihm zu diskutieren. Ich glaube, das Problem, warum man | |
rhetorisch den Rechten so wenig beikommt, ist, weil sie es nicht wirklich | |
ernst meinen. Sie schicken an den Wähler Signale aus, die vereinfacht sind | |
oder nicht stimmen. Es geht ihnen nicht darum, ob das richtig oder falsch | |
ist, sondern um den Erfolg in der Diskussion." Die derzeit laufende Debatte | |
über Ausländer und Flüchtlinge sei dafür das beste Beispiel. | |
Dass das System Haider in Kärnten, die permanente Spaßpolitik mit | |
landesfürstlich verabreichten Sozialgeschenken, die ja in "Weiße Nacht" | |
aufs Korn genommen wird, ohne Haider fortgesetzt werden könne, glaubt | |
Schalko nicht: "Die Scheuchs machen nicht genug Spaß, und (Landeshauptmann | |
Gerhard) Dörfler ist ungeeignet für Realpolitik. Kein Wunder, dass diese | |
Leute immer in der zweiten Reihe gestanden sind." | |
David Schalko freut sich jedenfalls über die unerwartete Werbung für sein | |
Buch: "Auf den Bestsellerlisten ist es hinaufgeklettert." | |
1 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
Ralf Leonhard | |
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