Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU übernimmt Athens Finanzen: Griechen müssen kriechen
> Striktes Sparen, höhere Steuern und alle drei Monate zum Rapport -
> Griechenland kommt unter die Finanzaufsicht der EU. Und Athen muss die
> Vorgaben zügig umzusetzen.
Bild: Griechenlands Bürger sollen harte Einsparungen hinnehmen, doch sie wehre…
BRÜSEL taz | Die EU-Kommission stellt den griechischen Haushalt unter ihre
Kontrolle. Dafür schöpft Währungskommissar Joaquin Almunia, wie er am
Mittwoch betonte, alle Möglichkeiten des Lissabon-Vertrags aus. Die
griechische Regierung wird dazu verpflichtet, das Mitte Januar eingereichte
Stabilitätsprogramm und die zusätzlichen Ankündigungen des
Ministerpräsidenten vom Dienstag zügig in die Tat umzusetzen.
Schon in einem Monat will die Kommission die Fortschritte kontrollieren.
Zugleich wird das Defizitverfahren verschärft. Weil die griechische
Regierung jahrelang falsche Haushaltszahlen meldete, wird ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Mitte Februar müssen die
europäischen Finanzminister den Maßnahmen noch zustimmen.
Die griechische Regierung hat versprochen, das Haushaltsdefizit von derzeit
12,7 Prozent bis 2012 schrittweise auf unter drei Prozent zu senken. Das
soll durch eine umfassende Reform der Staatsausgaben und eine strikte
Sparpolitik erreicht werden. Höhere Steuern auf Alkohol, Benzin und Tabak,
weniger Steuervergünstigungen und weniger Steuerschlupflöcher sollen die
Staatseinnahmen erhöhen. Ein Einstellungsstopp für Behörden in diesem Jahr,
um zehn Prozent gekürzte Budgets der Ministerien, eine Renten- und
Gesundheitsreform und Gehaltskürzungen für Beamte sollen die Staatsausgaben
verringern.
Der Brüsseler Finanzexperte Daniel Gros glaubt allerdings nicht, dass sich
die griechischen Schuldenprobleme durch eine Absprache zwischen der
EU-Kommission und der griechischen Regierung beheben lassen. In einem
Aufsatz für das von ihm geleitete Zentrum für Europäische Politikstudien
rechnet er vor, dass die Griechen seit Jahren über ihre Verhältnisse leben.
Seit fast einem Jahrzehnt ist die Sparrate des Landes negativ - nur die
Portugiesen leben noch sorgloser auf Pump.
Während Spanien und Irland erst durch die Immobilienkrise in die Bredouille
geraten seien und sich aus eigener Kraft aus der Schuldenkrise befreien
könnten, sehe die Lage in Griechenland düster aus: "Brüssel kann nur auf
die Regierungen einwirken. Doch das Problem ist die Bevölkerung. Den
Menschen fehlt jedes Bewusstsein dafür, wie ernst die Lage ist," sagte Gros
der taz.
Die Krise müsse sich noch verschärfen, bevor die Regierung Papandreou eine
Chance habe, ihren Sparkurs innenpolitisch durchzusetzen. "Die
Sozialpartner müssen merken, dass es ernst ist." Eine Finanzspritze der
anderen Euroländer lehnt Gros ab, weil diese.den Reformwillen der
griechischen Regierung zunichte machen würde.
Einen Generalstreik und daraus folgenden Staatsbankrott hält Gros für
möglich. Die Euroländer sollen einen Europäischen Währungsfonds gründen, um
in einem solchen Fall die ungedeckten griechischen Wechsel aufzukaufen und
die Glaubwürdigkeit der Eurowährung zu erhalten. Ein solcher Fonds könnte
analog zum Internationalen Währungsfonds Auflagen machen, bevor er Kredite
gewährt.
Viele EU-Staaten, allen voran Deutschland, lehnen die Idee ab, weil sie
ihre eigenständige nationale Wirtschaftspolitik nicht aufgeben wollen. "Die
Krise kann aber das Denken in diese Richtung beschleunigen", glaubt Gros
und erinnert an die neue europäische Bankenkontrolle, die vor der Krise
ebenfalls politisch nicht durchsetzbar schien. Die Bundesregierung habe
sich ja auch vehement gegen einen Europäischen Bankenrettungsfonds
ausgesprochen und am Ende ihre eigenen Banken im nationalen Alleingang
retten müssen. "Die Lernwilligkeit in Berlin ist begrenzt. Man fragt sich,
auf was für einem Planeten die dort leben."
Dass die Lage in Griechenland ernst ist, bestreitet aber auch in Berlin
niemand mehr. Vermutlich werden am 15. Februar die Finanzminister die
strengen Auflagen der Kommission bestätigen. Schon einen Monat später muss
Papandreou Bericht erstatten, welche Maßnahmen realisiert wurden. Am 15.
Mai und danach alle drei Monate muss er den Bewährungshelfern in Brüssel
weitere Reformen präsentieren. "Die Märkte werden entsprechend positiv
reagieren", glaubt Almunia. Davon ist auch Daniel Gros überzeugt. "Wenn es
unter den Griechen einen Konsens gibt, dass die Reformen nötig sind, werden
die Kreditzinsen sinken. Dann kann sich Griechenland selber helfen."
3 Feb 2010
## AUTOREN
Daniela Weingärtner
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU soll helfen: IWF fordert Hilfe für Griechenland
Die EU muss der Regierung in Athen beistehen, meint IWF-Chef Strauss-Kahn.
Doch das wird schwierig, denn der Vertrag von Maastricht enthält eine "No
Bail-out"-Klausel.
Griechische Staatsfinanzen: Blut, Schweiß und Tränen
Die EU-Kommission hat den Sparplan der Griechen gebilligt, doch der ist
äußerst rigide. Die Proteste der Bauern deuten darauf, auf welchen
Widerstand der Sparkurs stoßen wird.
Überschuldung in der EU: Die Gefahr lauert in Spanien und Italien
Eigentlich befindet sich Athen mit seinem auf Pump finanzierten
Staatshaushalt in guter Gesellschaft: Gegen 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten
läuft ein Defizitverfahren.
Streit der Woche: Soll Griechenland gerettet werden?
Griechenland ist hoffnungslos überschuldet, der Eurokurs bricht ein. Wenn
nicht bald geholfen wird, droht ein Staatsbankrott. Soll Europa die
Hellenen retten, obwohl es gegen EU-Recht verstößt?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.