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# taz.de -- Schreiber, Leuna und die CDU/CSU: Schwarzes Loch DSL-Bank
> Die DSL-Bank war halbstaatlich – Aufsicht hatte die Union. Doch Ermittler
> dürfen nicht aussagen. Als der Münchner Justizapparat von den
> Ermittlungen erfuhr, "gab es mächtig Ärger".
Bild: Karlheinz Schreibers Hände, aufgenommen im Gserichtssaal.
In der Ära Kohl und Strauß war er der Mann der diskreten Kontakte und
Geldflüsse. Vor zehn Jahren wurde er zur Schlüsselfigur des
CDU-Spendenskandals. Und in den vergangenen Jahren drohte er aus seinem
kanadischen Fluchtdomizil der Union immer wieder mit so manchem neuen
Beben.
Jetzt steht Karlheinz Schreiber in Augsburg vor Gericht. Der Knackpunkt in
seinem Prozess, der bald in die vierte Woche geht, ist politisch pikant:
Ist Schmiergeld, das der ehemalige Waffenlobbyist dem Fiskus vorenthalten
haben soll, an Parteien und Politiker geflossen? Nach taz-Informationen
führen Spuren auch zu einer Bonner Bank, die in Obhut der Kohl-Regierung
stand. Nur: Der Zeuge, der darüber sprechen könnte, soll im Prozess nicht
gehört werden.
Strategische Schachzüge gehören zur Strafverteidigung. Und Jens Bosbach
beherrscht sein Metier. Gerade hatte Karlheinz Schreiber, am zweiten
Verhandlungstag, über seine Verteidigung erklären lassen, er habe 1991
insgesamt rund 1,4 Millionen Mark Schmiergelder aus dem
Fuchs-Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien als illegale Spenden an die CSU
weitergeleitet. Da warf der 35-jährige Schreiber-Anwalt die für den
Steuerhinterziehungs-Prozess zentrale Frage auf: Sind Geldflüsse aus den
angeblich nicht versteuerten Schreiber-Millionenprovisionen und diversen
Geschäften verdeckt auch an Parteien und Politiker gegangen? Vor allem:
Haben die Justizbehörden entsprechende Hinweise nicht verfolgt?
Ein Vorstoß mit Brisanz. Denn Ermittlungsunterlagen, die der taz vorliegen,
zeigen: Zwei Augsburger Schreiber-Ermittler, Staatsanwalt Winfried Maier
und Steuerfahnder Winfried Kindler, hatten 1999 Hinweise, die sie zur
Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank) führten. Die Bonner
DSL Bank war damals ein halbstaatliches Geldinstitut. Die
Ermittlungsunterlagen zeigen, dass diverse DSL-Konten Berührungspunkte
zwischen dem Schreiber-Komplex und einem anderen Großfall mutmaßlicher
Polit-Korruption darstellten: dem schmiergeldträchtigen Leuna-Geschäft.
Wie kamen die Fälle Schreiber und Leuna bei der DSL Bank in Kontakt? Die
ostdeutsche Raffinerie Leuna war Anfang der 90er-Jahre an den französischen
Konzern Elf Aquitaine verkauft worden. Auf staatspolitischer Ebene hatten
Helmut Kohl und der damalige französische Staatspräsident François
Mitterrand den Deal auf den Weg gebracht. Maier und Kindler wussten, dass
nach dem Leuna-Verkauf Provisionen in Höhe von 80 Millionen Mark geflossen
waren, davon rund 50 Millionen an den deutschen Lobbyisten Dieter Holzer.
Französische und Schweizer Ermittler hatten eine "deutsche Spur" entdeckt.
Ihr Verdacht: Schmiergelder seien auch an hochrangige deutsche Politiker
gegangen, vorrangig der Union.
In einem weit verzweigten System von Offshore-Unternehmen,
Briefkastenfirmen und Stiftungen waren die Leuna-Millionenprovisionen
verschwunden. An zentralen Stellen tauchte, wie Schweizer Ermittler
herausfanden und ihren Augsburger Kollegen mitteilten, neben Holzer immer
wieder der Name eines anderen Deutschen als "wirtschaftlich Berechtigter"
auf: Ludwig-Holger Pfahls, der ehemalige CSU-Verteidigungsstaatssekretär,
gegen den Staatsanwalt Winfried Maier damals im Schreiber-Fall ermittelte.
Pfahls hatte von Schreiber 3,8 Millionen Mark aus dem Fuchs-Panzer-Deal
angenommen, was er 2005 vor Gericht einräumte.
Maier und Kindler fiel auf, dass im Schreiber-Komplex Gelder offenbar über
dasselbe Firmen- und Kontengeflecht flossen, in dem auch
Leuna-Schmiergelder verschwunden waren. Dabei spielten Konten der DSL Bank
eine wichtige Rolle. Das Bundeslandwirtschafts- und das -finanzministerium
hatten zur fraglichen Zeit die Aufsicht über das Geldinstitut. Beide
Ressorts lagen in den Händen von CDU und CSU. Seit Jahren. Ausgerechnet
zwei Unions-Staatssekretäre der für die DSL Bank zuständigen Ministerien
hatten Dieter Holzer bei der Realisierung des provisionsträchtigen
Leuna-Deals unterstützt - gleichzeitig standen ihre Namen auch im
Terminkalender von Karlheinz Schreiber.
Die Spuren, auf die Maier und Kindler stießen, waren sehr konkret: Ein für
den Leuna-Schmiergeldkreislauf zentrales Firmenkonto des - später in
Frankreich verurteilten - Lobbyisten Holzer lag bei der Luxemburger
DSL-Dependance. Die Ermittler fanden heraus, dass auch im Schreiber-Komplex
ein verdeckter Geldtransfer von mehreren hunderttausend Mark von der
Liechtensteiner Holzer-Firma Delta International Establishment nach München
1994 über die DSL Bank in Luxemburg gelaufen war. Und sie wussten, dass
Karlheinz Schreiber am 29. Juli 1994 die Holzer-Firma in seinem Kalender
notiert hatte: "Maxwell: Delta Int. EST." Später wird Schreiber erklären,
das von ihm geführte "Maxwell-Konto" sei der CSU zuzurechnen.
Für Winfried Maier war damals klar: Er muss auch in Sachen Leuna ermitteln,
die Schnittpunkte mit dem Schreiber-Komplex waren zu offensichtlich. Doch
die Münchner Justizverwaltung, eine CSU-Domäne, lehnte das ab. Maier durfte
sich nicht einmal mit der französischen Untersuchungsrichterin Eva Joly in
Paris austauschen. Die Münchner Generalstaatsanwaltschaft verweigerte ihm
die Dienstreise. Maier traf die Leuna-Chefermittlerin dennoch. Die deutsche
Spur müsse unbedingt verfolgt werden, sagte sie.
Maier und Kindler griffen zu einem Trick: In einem ihrer Verfahren im
Schreiber-Komplex beantragten sie im April 1999 still und leise die
Beschlagnahme von Bankunterlagen bei der DSL Bank. Das Amtsgericht Augsburg
gab grünes Licht. Zwar konnten sie nur die Bonner DSL-Bankzentrale
durchsuchen, nicht deren Luxemburger Filiale. Aber schon in Bonn stießen
sie auf interessante Informationen. Gegenüber der taz berichten Ermittler,
dass ein Bankvertreter damals ausgesagt habe, das Institut sei seit den
80er-Jahren von der Union als "Hausbank" benutzt und wiederholt
"missbraucht" worden. Vor allem von der CSU. Immer wieder seien diskrete
Geldbewegungen über sie abgewickelt worden, soll der DSL-Banker gesagt
haben.
Wurde die halbstaatliche DSL Bank von der Union also für Schwarzgeldflüsse
benutzt? Gingen Leuna-Schmiergelder über die Luxemburger DSL-Dependance an
deutsche Politiker, etwa durch Barauszahlungen? Auf diese Fragen gibt es
bislang keine eindeutigen Belege. Aber bis heute ist ihnen auch keine
Staatsanwaltschaft nachgegangen. Als der Münchner Justizapparat von der
Hausdurchsuchung erfuhr, "gab es mächtig Ärger", berichten bayerische
Justizinsider. Die DSL Bank sollte tabu bleiben. Genauso wie die
Ermittlungen der Augsburger zur Leuna-Affäre. Die Staatsanwaltschaft gab
die von der Genfer Generalstaatsanwaltschaft überreichten Leuna-Akten ab.
Danach weigerten sich sechs deutsche Justizbehörden zu ermitteln. 2001
winkte auch Generalbundesanwalt Kay Nehm ab. Der Chef der Augsburger
Staatsanwaltschaft, Reinhard Nemetz, kann sich heute an das Thema DSL Bank
"nicht mehr erinnern". Die DSL Bank selbst, mittlerweile ein
Geschäftsbereich der Postbank, will zu den Vorwürfen keine Stellung
beziehen. Mit Verweis auf das Bankgeheimnis.
Winfried Maier brachte es durch seine Ermittlungen im Fall Schreiber zu
einer gewissen Berühmtheit: einerseits, weil es vor allem seiner
Beharrlichkeit zu verdanken war, dass Vorwürfe gegen Schreiber belegt
werden konnten. Andererseits, weil er dem bayerischen Justizapparat bald
vorwarf, Ermittlungen aus Rücksichtnahme auf die CSU behindert zu haben.
Maier wurde zum Zeugen in zwei Untersuchungsausschüssen.
Zur DSL Bank wurde Maier nie befragt. Vorige Woche wies das Augsburger
Landgericht den Antrag der Schreiber-Verteidigung ab, ihn als Zeugen zu
laden. Begründung: Wenn aus Schreibers Provisionen Spenden an Parteien
geleistet wurden, seien diese fiskalisch nur begrenzt absetzbar gewesen und
daher für die Straffindung "unerheblich". Ob der ehemalige Staatsanwalt
Maier in seinen Ermittlungen behindert worden sei, sei für die Entscheidung
unbedeutend. Er sei "ein ungeeignetes Beweismittel". Damit bleibt wohl das
Bonner DSL-Institut das, was es seit Beginn der Augsburger
Schmiergeld-Ermittlungen ist: die Bank, über die niemand spricht.
5 Feb 2010
## AUTOREN
Rainer Nübel
## TAGS
Waffenlobby
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