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# taz.de -- Millionen für Medaillen: Haste ma drei Euro?
> Die Sporthilfe will die Spitzensportförderung zum nationalen Projekt
> machen. Jeder Einzelne ist aufgerufen, mit kleinem Geld seinen Beitrag zu
> leisten.
Bild: Mit einer Werbeoffensive sollen die Bürger motiviert werden, für den Le…
BERLIN taz | Es soll etwas Großes entstehen, "eine Art Bürgerbewegung für
den Sport", so stellt sich das Werner E. Klatten, der Vorsitzende der
Stiftung Deutsche Sporthilfe, vor. Weil sich aber an der Basis nichts
bewegt, mussten die Funktionäre der Sporthilfe die Sache selbst anstoßen.
Eine Revolution von oben sozusagen.
Und in dieses Bild passt, dass man als Vorreiter der "Bürgerbewegung" der
Presse Mitte Januar den Bundesinnenminister Thomas de Maizière
präsentierte. Der oberste Sportpolitiker des Landes setzte mit einer
unterschriebenen Zahlungsverpflichtung an die Sporthilfe das Startsignal
für deren Kampagne "Dein Name für Deutschland".
Es ist der vermutlich größte Werbefeldzug, den die Sporthilfe in ihrer
42-jährigen Geschichte auf den Weg gebracht hat. Das Ziel: Möglichst viele
Bürger dieses Landes sollen als Mini-Sponsoren für die deutschen
Spitzenathleten gewonnen werden. Mit einem monatlichen Mindesteinsatz von
drei Euro wird jeder namentlich und urkundlich in die nationale
Sportspendegemeinde aufgenommen. Auf allen erdenklichen Wegen wird diese
Botschaft derzeit verbreitet: via Fernsehspots, Plakate, Flyer, Facebook,
Twitter, Online-Banner. Klatten erklärt: "Wir wollen die
Spitzensportförderung zur gesellschaftspolitischen Aufgabe eines jeden
machen. In der angelsächsischen Kultur ist das selbstverständlich."
Für das erste Jahr hat man bei der Sporthilfe "konservativ kalkuliert".
Einnahmen von einer knappen Million Euro seien vorstellbar, heißt es. Das
wäre ein knappes Zehntel des derzeitigen Etats. Mittelfristig verspricht
man sich aber davon, die Förderung der Sporthilfe auf ein anderes Niveau
heben zu können. Klatten sagt: "Es wäre toll, wenn wir unseren Athleten
künftig ein Drittel mehr zahlen könnten."
Innenminister de Maizière ist angetan von dem Vorhaben, die Bürger zur
Kasse zu bitten. Wobei er von dem Verdacht freizusprechen ist, staatliche
Hilfe zurückfahren zu wollen. Im Gegenteil. Vor kurzem erst machte er in
seiner Funktion als Sportminister darauf aufmerksam, dass der Bund im Jahre
2010 140 Millionen Euro für den Sport ausgeben werde. Damit hätte sich der
Etat im Vergleich zu 2007 um 30 Prozent erhöht.
Es gäbe kein anderes Politikfeld mit einer solchen Ausgabensteigerung,
erklärte de Maizière. Auch in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise werden
die Geldhähne für den Sport weiter aufgedreht. Der Bundesinnenminister ist
zufrieden: "Mit dem Dreiklang aus der Politik, also Bund und Länder, dem
Deutschen Olympischen Sportbund und der Sporthilfe ist das Fördersystem gut
aufgestellt."
Doch ganz so harmonisch ist die Lage nicht. Das zeigt eine Studie der
Sporthochschule Köln zur Lebenssituation der Spitzenathleten, die die
Deutsche Sporthilfe in Auftrag gegeben hat. Das Durchschnittseinkommen der
1.133 Befragten, die von der Stütze Sporthilfe profitieren, beträgt kaum
mehr als das eines Raumreinigers. Gut alimentiert sind lediglich die über
1.000 Athleten, die den Sportfördergruppen der Bundeswehr, der
Bundespolizei oder dem Zoll angehören. Diejenigen, die keine Staatsdiener
und -sportler werden wollen und stattdessen an die Universität gehen, leben
teilweise kaum über Hartz-IV-Niveau.
Auch weil im internationalen Wettbewerb ein immer größerer Zeitaufwand
betrieben werden muss, ist hierzulande ein neues Sport-Prekariat
entstanden. Auf diesen Missstand hat die Deutsche Sporthilfe jüngst mit
ironisch formulierten Stellenanzeigen in überregionalen Tageszeitungen
aufmerksam gemacht. Athleten wurden gesucht, die sich auch "bei einer
60-Stunden-Woche mit einem verfügbaren Einkommen von ca. 600 Euro im Monat
ausreichend motivieren können". Mit dieser Bewusstseinsschärfung für die
Lage der Sportelite wollte man der Kampagne "Dein Name für Deutschland" den
Weg ebnen.
Es ist im Übrigen kein Zufall, dass die Sporthilfe zum Duzfreund des
Bürgers wird. Der Gemeinschaftsgeist wird beschworen. Die konsequent in
Schwarz-Rot-Gold gehaltenen Plakatmotive appellieren an den Patriotismus
eines jeden. Die Botschaft lautet: Alle können zum Teilhaber künftiger
Erfolge werden. Wobei Klatten behauptet, ihm komme es nicht auf die Anzahl
der Medaillen an. Die sozialen Werte, die der Sport transportiere, wie
Fairness und Toleranz, seien für die Gesellschaft von größerer Bedeutung.
Aber er sagt auch: "Wenn wir bessere Leistungen haben wollen, können wir
nicht immer nur nach dem Staat oder einzelnen Unternehmen rufen."
Zweifellos bleibt die Leistung der Wert, der bei der Vergabe neu
akquirierter Gelder am meisten zu Buche schlagen wird. Im nächsten Jahr
führt die Sporthilfe das Modell "Elite Plus" ein. Bis zu den Olympischen
Sommerspielen in London 2012 sollen die verheißungsvollsten
Medaillenkandidaten monatlich 1.500 Euro zusätzlich ausbezahlt bekommen, um
sich ausschließlich auf den Sport konzentrieren zu können.
Für diese Komplettversorgung rückt die Sporthilfe zumindest temporär von
ihrem bislang propagierten Modell ab, die Verbindung von Leistungssport und
Berufskarriere zu ermöglichen. Nutznießer werden etwa 30 der von der
Sporthilfe geförderten 3.800 Athleten sein. Die Besten der Besten müssen
sich 18 Monate lang keine Sorgen um ihren Lebensunterhalt machen.
Danach werden sie wieder in die Klasse des Sport-Prekariats entlassen -
selbst wenn sich mit Hilfe der Bürgersponsoren der ehrgeizige Plan der
Sporthilfe umsetzen ließe, die durchschnittlichen monatlichen Zuwendungen
pro Athlet von 400 Euro auf 600 Euro zu erhöhen.
5 Feb 2010
## AUTOREN
Johannes Kopp
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