Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- MENSCHENHANDEL: "Behandelt wie Täterinnen"
> 14 Frauen wurden als "Zwangsprostituierte" in der Helenenstraße
> festgenommen. Doch statt ihnen zu helfen, schiebt man sie ab, klagt ihre
> Anwältin
Bild: Ort der Razzia: Die Aufgegriffenen sitzen nun in Abschiebehaft
taz: Frau Graebsch, Sie vertreten zehn der 14 Frauen, die bei der
BKA-Razzia letzten Dienstag in der Helenenstraße als "mutmaßliche Opfer von
Menschenhandel" festgenommen wurden. Was geschieht mit denen?
Christine Graebsch: Zwei wurden wegen Minderjährigkeit freigelassen, zwölf
sitzen in Abschiebehaft. Eine von ihnen ist schwanger, das hat aber keinen
interessiert.
Haben die Frauen Ihnen berichtet, unter welchen Bedingungen sie gearbeitet
haben?
Sie selbst haben mir gesagt: Wir sind keine Opfer, werden aber behandelt
wie Täterinnen.
Die Frauen sagen also, dass sie weder verschleppt wurden, noch unter Zwang
gearbeitet haben?
Genau. Weder noch.
Beratungsstellen für Zwangsprostitutions-Opfer weisen aber darauf hin, dass
speziell Frauen aus Westafrika immensem Druck ausgesetzt sind - und
deswegen nur äußerst selten mit der Polizei zusammenarbeiten.
Das ist auch kein Wunder, wenn man sich gegen diese Frauen stellt. Warum
sollten sie mit der Polizei zusammenarbeiten, wenn man sie einsperrt?
Wurde den Frauen denn ein Kooperationsangebot gemacht?
So viel ich weiß eben nicht. In der Akte ist nichts Entsprechendes
dokumentiert. Gestern - nach einer Woche in Haft - wusste keine der Frauen
von so einem Angebot, wie es die auch für Bremen gültige EU-Richtlinie zur
Bekämpfung von Menschenhandel vorsieht.
Was sieht die denn vor?
Dass man Frauen in solchen Fällen vier Wochen Bedenkzeit an einem
geschützten Ort gibt. Das ist sicher kein Knast. Dort sollen sie abwägen
können, ob sie gegen die Zuhälter aussagen wollen. Falls ja, haben sie
Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis und Sozialleistungen für die Dauer
des Prozesses.
Hätte das denn was genutzt? Die Frauen sagen doch, dass sie eben keine
Menschenhandels-Opfer seien.
Trotzdem hätte man sie selbstverständlich über diese Möglichkeiten
informieren müssen. Diese bundesweite Razzia wurde als Maßnahme zum Schutz
der Opfer von Menschenhandel hingestellt. Das hat mit der Realität nichts
zu tun.
Sondern?
Sie diente offensichtlich nur dazu, die vermeintlich illegale Beschäftigung
der Frauen zu beenden. Die angeblichen Opfer landen im Abschiebeknast - und
das ganz ohne Rechtsgrundlage.
Warum? Die aus Nigeria und Libria stammenden Frauen hatten doch für
Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis.
Nein, aber sie alle haben einen Pass und eine Aufenthaltserlaubnis entweder
für Spanien, Italien oder Österreich. Dort leben sie seit einigen Jahren -
legal.
Sie sind hier aber illegal der Prostitution nachgegangen.
Sie sind vor weniger als drei Monaten eingereist - und durften wegen des
Schengener Abkommens drei Monate hier sein. Währenddessen dürfen sie zwar
nicht als Prostitutierte arbeiten, dazu braucht es eine Arbeitserlaubnis.
Der Verstoß dagegen ist aber maximal eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit,
das rechtfertigt keine Abschiebehaft.
Was wollen denn die Frauen?
Sie wollen zurück nach Spanien, Italien oder Österreich. Drei hatten schon
Rückflugtickets für die Zeit vom 14. bis zum 17. Februar. Also könnte man
sie einfach ausreisen lassen. Bei dreien wurde Geld beschlagnahmt, das man
bei ihnen gefunden hat. Davon könnten sie locker ihr eigenes Flugtickes
kaufen und das wollen sie auch. Stattdessen sollen sie zwischen 1.270 und
1.670 Euro für ihre Abschiebung bezahlen. Die haben mich gefragt, ob das
für alle zusammen ist.
Glauben Sie, dass die Frauen freiwillig hier waren?
Sie sagen, wir haben das freiwillig getan, uns hat niemand zu etwas
gezwungen. Irgendeinen organisatorischen Hintergrund wird es aber natürlich
geben, sonst wären die nicht alle unter so gleichen Bedingungen hier.
Auch wenn Ihre Mandantinnen Ausnahmen gewesen sein sollten, lässt sich das
Zwangsprostitutions-Problem nicht ignorieren. Die
Linken-Fraktionsvorsitzende Monique Troedel hat dazu mehr Personal bei der
Polizei und mehr Kontrollen gefordert. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Wenn man sich tatsächlich um die Frauen sorgt, würde ich nicht das Personal
bei der Polizei aufstocken. Diese Frauen werden mit den Mitteln des
Ausländerrechts bestraft.
9 Feb 2010
## AUTOREN
Christian Jakob
Christian Jakob
## TAGS
Prostitution
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rotlichtmeile im Viertel: Freie Sicht auf Helene
Der Sichtschutz in der Helenenstraße wird probeweise entfernt. Der Grund
ist die gestiegene Kriminalität.
PROSTITUTION: Opfer werden ausgewiesen
Amtsgericht bestätigt Inhaftierung der festgenommenen Afrikanerinnen aus
der Helenenstraße nur in einem Fall nicht. Ab morgen sollen sie abgeschoben
werden
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.