# taz.de -- Residenzpflicht wird nicht aufgehoben: Keine Reisefreiheit für Fl�… | |
> Flüchtlinge dürfen Berlin weiterhin nur mit Genehmigung verlassen, | |
> Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verzögert die geplante Aufhebung der | |
> Residenzpflicht. Flüchtlingsrat und Experten sind verärgert. | |
Bild: Bewegungsfreiheit gibt es nur mit Genehmigung | |
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zögert weiterhin, die Residenzpflicht | |
für Flüchtlinge aufzuheben. Bei einer Anhörung im Innenausschuss des | |
Abgeordnetenhauses am Montag bekräftigte Körting zwar seinen politischen | |
Willen, die umstrittene Reisebeschränkung aufzuheben; aus Angst vor | |
juristischen Einwänden zögert er aber bei der Durchführung. Flüchtlingsräte | |
und Opposition kritisierten das "bürokratische Versteckspiel" des Senators. | |
So bleibt Berlin vorerst eine Insel in Brandenburg, Asylbewerber und | |
geduldete Flüchtlinge dürfen die Stadt nicht ohne Genehmigung verlassen. | |
Gleichzeitig müssen Brandenburger Flüchtlinge Berlin umfahren, wenn sie | |
keine Erlaubnis haben, die Stadt zu durchqueren, sonst machen sie sich | |
strafbar. Diese "Residenzpflicht" ist in Europa einzigartig. Von ihr sind | |
in Berlin und Brandenburg etwa 11.000 Menschen betroffen. "Integration wird | |
so schon in der Wurzel verhindert", sagte die Sozialwissenschaftlerin Beate | |
Selders bei der Anhörung. | |
Die Politik müht sich unterdessen um eine Lösung, kommt aber zu keinem | |
rechten Ergebnis. Bereits 2006 hatte der Senat beschlossen, das | |
Asylverfahrensgesetz mit Brandenburg gemeinsam großzügiger auszulegen. Die | |
folgende Bundesratsinitiative aber scheiterte. Hoffnung keimte bei den | |
Flüchtlingsorganisationen auf, als Ende 2009 in Brandenburg SPD und Linke | |
eine gemeinsame Regierung bildeten. Der Berliner Linke-Fraktionschef Udo | |
Wolf erklärte der taz damals, der Aufhebung der Residenzpflicht innerhalb | |
beider Bundesländer stehe nichts mehr im Wege, weil die Brandenburger CDU | |
das Vorhaben nicht mehr blockieren könne. | |
Nach der CDU in Potsdam blockiert nun allerdings die SPD in Berlin. Im | |
Innenausschuss bekräftigte Körting zwar, dass er die Flüchtlinge nicht | |
unnötig einschränken wolle, dennoch sprach er von "juristischen Bedenken | |
bei der Verwaltungsvereinbarung der beiden Länder". Georg Claaßen, Sprecher | |
des Flüchtlingsrats Berlin, kritisierte den Innensenator: "Körting | |
versteckt sich hinter bürokratischen Einwänden." Auch von der Opposition | |
kamen Einwände. Giyasettin Sayan (Linke) sagte, die restriktive Regelung in | |
Deutschland mache den Flüchtlingen das Leben zur Hölle. Canan Bayram | |
(Grüne) zeigte sich enttäuscht: "Der Senator verfolgt eine | |
Verzögerungstaktik und prüft den Fall immer weiter, statt einfach zu | |
handeln." Politisch stehe der Vereinbarung der beiden Länder nichts im | |
Wege. "Lediglich an der Courage des Senators fehlt es", erklärte sie und | |
verwies auf ein juristisches Gutachten. | |
Vor der Anhörung im Innenausschuss hatte der Sachverständige Rolf Stahmann | |
ein Gutachten eingereicht, in dem er keine Probleme bei der asylrechtlichen | |
Zusammenlegung der beiden Bundesländer feststellt. Stahmann bekräftigte | |
sogar, dass das Gesetz explizit für Stadtstaaten eine Sonderregelung | |
offenhalte. "Der besonderen infrastrukturellen Bedeutung Berlins kann so | |
Rechnung getragen werden", erklärte Stahmann. Oft bleibe Brandenburger | |
Flüchtlingen nichts anderes übrig, als Berlin zu durchqueren. | |
Der Kameruner Nartial Chedjou berichtete nach der Anhörung, die | |
Residenzpflicht sei wie ein Gefängnis im Kopf, ständig habe er Angst, von | |
der Polizei kontrolliert zu werden. Ein anderer Flüchtling erklärte, viele | |
Brandenburger Flüchtlinge hätten sich auch nicht zur Anhörung in Berlin | |
getraut. Denn sonst hätten sie ihr Bundesland ohne Genehmigung verlassen. | |
23 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Kempkens | |
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