# taz.de -- Schulgründungen in Bremen: Freie Schulen kommen voran | |
> Das Bremer Verwaltungsgericht macht deutlich, dass es die Ablehnung von | |
> "Freier Schule" und "Humanistischer Schule" durch die Bildungsbehörde | |
> nicht teilt. | |
Bild: Erster Schultag: Bis die nun bestärkten freien Schulen Erstklässler beg… | |
Die Initiativen zur Gründung freier Schulen in Bremen sind ein gutes Stück | |
voran gekommen. In zwei am Mittwoch verhandelten Fällen hat das Bremer | |
Verwaltungsgericht deutlich gemacht, dass die bisherige Ablehnung seitens | |
der Schulbehörde einer juristischen Überprüfung vermutlich nicht standhält. | |
Verkündet werden die richterlichen Entscheidungen allerdings erst am | |
morgigen Freitag. | |
Die von der Vorsitzenden Richterin Annette Ohrmann vertretene Einschätzung | |
scheint jedoch eindeutig: Sowohl der Initiative zur Gründung der "Freien | |
Schule Bremen" als auch der "Humanistischen Schule" sei die Genehmigung mit | |
nicht nachvollziehbaren Gründen versagt worden. | |
Für die Behörde ist das auch insofern eine umfassende Niederlage, als die | |
beiden Initiativen ihre Zulassung mit verschiedenen Ansätzen beantragen: | |
Die "Freie Schule" setzt auf die Besonderheit ihres pädagogischen | |
Konzeptes, dessen Erprobung im öffentlichen Interesse liege. Die | |
"Humanistische Schule" möchte als weltanschauliche Bekenntnisschule | |
genehmigt werden. "Besonderes Konzept" und "Bekenntnis" sind die beiden | |
grundgesetzlich vorgesehenen Begründungen, mit denen eine private | |
Grundschule genehmigt werden kann. | |
"Das war ein großer Schritt für uns", sagt Sven Golchert, der mit seiner | |
Initiative seit drei Jahren um die Genehmigung der "Freien Schule" kämpft. | |
Die Bewertung des Gerichts ist eine große Genugtuung: Punkt für Punkt nimmt | |
Richterin Ohrmann die Ablehnungsbescheide auseinander. Dabei geht es stets | |
um die Behauptung, die einzelnen Elemente des Konzepts der "Freien Schule" | |
seien an den öffentlichen Schulen bereits vorhanden: subjektorientiertes | |
Lernen, demokratische Strukturen und ein fließender Übergang zwischen | |
Kindergarten und Grundschule. "Es langt nicht, wenn so etwas in Ansätzen | |
oder als Modellversuch existiert", macht Ohrmann mit Verweis auf ein Urteil | |
des Bundesverfassungsgerichts deutlich. Die öffentliche Schule müssen von | |
diesen Elementen "geprägt" sein, um deren Erprobung an Privatschulen als | |
überflüssig beziehungsweise nicht genehmigungsfähig ansehen zu können. | |
Oberschulrat Walter Henschen will das so nicht stehen lassen: Kommendes | |
Jahr erprobe man den flexiblen Schuleintritt: Nicht nach Stichtag, sondern | |
gemäß individuellem Entwicklungsstand werde an einer bestimmten Schule die | |
Einschulung vorgenommen. | |
Richterin Ohrmann findet das gut. Das Konzept der "Freien Schule", unter | |
dem selben Dach sowohl eine Kindergarten- als auch zwei Schulgruppen | |
einzurichten, sei trotzdem weitergehend. Und während an öffentlichen | |
Schulen allenfalls eine repräsentativer Demokratie praktiziert werde, wolle | |
die "Freie Schule" mit ihren wöchentlichen Großplena Basis-Demokratie | |
erproben. | |
Nachdem alle Einzelpunkte zu Lasten der Schulbehörde durchdekliniert sind, | |
probiert deren Justiziar eine Art Generalangriff: "Hier wird keine Schule, | |
sondern eine Lebensform beantragt", sagt Detlef von Lührte - "eine | |
entwickelte Form von Homeschooling", setzt Henschen nach. Angesichts von | |
gerade mal 45 Schülern ein unsinniger Vorwurf, halten die | |
Initiativen-Vertreter kopfschüttelnd dagegen. | |
Schon äußerlich prallen die Gegensätze aufeinander: Auf der einen Seite die | |
in Ehren ergrauten Behördenvertreter, bei denen zunächst die exakte | |
Betitelung - Regierungsdirektor oder Senatsrat? - geklärt werden muss. Auf | |
der anderen Seite beispielsweise Golchert, der seine solide Erscheinung mit | |
zwei rudimentären Rasta-Zöpfen anreichert. Und hinter ihm, im voll | |
besetzten Saal, wuseln zu spät kommende Väter und Mütter mit Kleinkindern - | |
die nun auf eine "andere" Schule hoffen können. Falls die nächste | |
Behördenablehnung wieder gerichtlich durchfällt. | |
Auch das Projekt der "Humanistischen Schule" wird vom Bildungsressort | |
weiter strikt abgelehnt - die Frage ist nur: mit welchen rechtlichen | |
Argumenten? Zumal es im bayerischen Fürth sowie in Berlin bereits solche | |
Schulen gibt. Henschen versteigt sich gar zu der Behauptung: Alle | |
öffentliche Schulen in Bremen seien "humanistische Schulen". | |
Selbst wenn dem so wäre: Rechtlich ist das nicht entscheidend. Für eine | |
Zulassung reicht eine allgemein anerkannte und im Schulkonzept prägende | |
Weltanschauung aus. Dass der Humanismus ein solches Bekenntnis ist - daran | |
haben die Richter keinerlei Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht auch | |
nicht. | |
24 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
H. Bleyl | |
J. Zier | |
## TAGS | |
Schule | |
Bildung | |
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