# taz.de -- Hertha verliert: Das Publikum schweigt erschrocken | |
> Eine halbe Stunde müht sich die Hertha gegen Hoffenheim - dann ist | |
> Schluss mit jeder Anstrengung. Am Ende verliert das Team zu Hause mit 0:2 | |
> und verharrt in Schockstarre am Tabellenende. | |
Bild: Mit dem Köpfchen, da hapert es bei Hertha: Hier Roman Hubnik (rechts). | |
Es war wie in den guten alten Zeiten im Berliner Olympiastadion. Der 1,95 | |
Meter große Josip Simunic schritt als Sieger den Mikrophonen entgegen. Und | |
man hatte wie immer, wenn der Serbe mit dem athletischen Körper, dem | |
kantigen Gesicht und dem entschiedenen Blick auftritt, das Gefühl: Hier | |
spricht der Anführer. Was er sagte ("Der Teamgeist und der unbedingte | |
Siegeswille waren der Schlüssel zum Erfolg") kam den Zuhörern auch sehr | |
vertraut vor. Unzählige Male schon hatte Simunic diese oder ähnliche Worte | |
verwandt, als er mit Hertha in der vergangenen Saison den Wettstreit um die | |
Meisterschale bereicherte. | |
Jetzt aber ergriff er für die TSG 1899 Hoffenheim das Wort, mit der er am | |
Sonnabend an seiner alten Wirkungsstätte 2:0 gewonnen hatte. | |
Möglicherweise, hielt ihm ein Reporter vor, werden genau diese drei nicht | |
geholten Punkte Hertha am Ende zum Klassenerhalt fehlen. "Das kann sein", | |
antwortete Simunic trocken. Er leistete sich nur einen sentimentalen Satz: | |
"Es ist schon schade, was hier passiert", fügte dann aber schnell hinzu: | |
"So ist das Leben." Zu den Pfiffen der Berliner Fans gegen ihn, erklärte | |
er: "So ist der Fußball." | |
Diesen Mann scheint nichts überraschen zu können. Aber insgeheim muss der | |
Kenner des Fußballs und des Lebens Simunic doch erstaunt gewesen sein, wie | |
leicht es mittlerweile geworden ist, in Berlin zu gewinnen. | |
Gewiss, Hertha hatte eine starke Anfangsphase und kam durch Raffael, | |
Florian Kringe und Adrián Ramos zu guten Torchanchen. Man hatte den | |
Eindruck, dass der 3:0-Erfolg vor einer Woche in Freiburg das Team | |
tatsächlich in Schwingung gebracht hätte. Aber ohne einen ersichtlichen | |
Grund bremsten die Berliner sich plötzlich selbst wieder aus. Ob der | |
dominante Abschnitt der Heimmannschaft eine Viertelstunde währte, wie | |
Hoffenheims Coach Ralf Rangnick erst schätzte, oder eine halbe, wie sein | |
Gegenüber Friedhelm Funkel ihn verbesserte, war dabei völlig nebensächlich. | |
Als Teilzeitabstiegskämpfer werden die Berliner keine Chance haben. | |
Nachdem Gästestürmer Demba Ba in der 35. Minute Arne Friedrich und Steve | |
von Bergen genarrt hatte und zum 1:0 einschob, waren die Berliner | |
allenfalls noch bei Standardsituationen gefährlich. Selbst das Profanste | |
misslang. Funkel erkannte darin den zu hektisch ausgeführten Willen, | |
unbedingt den Ausgleich zu machen. Doch danach sah das Spiel gar nicht aus: | |
Vielmehr ließen sich die Berliner alle Zeit der Welt. Und statt den kurzen, | |
direkten Weg nach vorne zu suchen, probierte etwa Fabian Lustenberger | |
(79.), den Ball in der eigenen Hälfte hoch und quer zu einem Mitspieler zu | |
befördern. Das Leder landete im Aus. Der Schweizer schlug vor Scham die | |
Hände übers Gesicht, das Publikum schwieg erschrocken. | |
Die angeschlagen angereisten Hoffenheimer, die nur eines der letzten elf | |
Spiel gewinnen konnte, erholten sich in der Hauptstadt prächtig von ihrer | |
Krise. Wie es schon viele Kurgäste im Olympiastadion vorgemacht hatten, | |
mussten die Badener dazu nur mit einer kompakten Defensivleistung | |
überzeugen und auf ihren sonst so charakteristischen Offensivdrang | |
verzichten. | |
Am Ende war es dem Ex-Herthaner Josip Simunic vorbehalten, den Satz zu | |
sagen, mit dem die Gästespieler zuletzt häufig zitiert wurden: "Es hat Spaß | |
gemacht, hier zu spielen." Und es fiel noch ein Satz, der in Berlin zum | |
Ohrwurm geworden ist. "Ich bin überzeugt, dass wir nicht absteigen werden." | |
Nur kam er dieses Mal nicht aus dem Munde des Beschwichtigers Friedhelm | |
Funkel. Gästetrainer Rangnick hatte sich aus dem Standardreportiere Funkels | |
bedient. Eine dreiste, wenn wahrscheinlich auch unbewusste Provokation. | |
Schließlich haben die Hoffenheimer mit 32 Punkten im Vergleich zur Herthas | |
15 Punkten bereits mehr als die doppelte Ernte eingefahren. | |
Funkel ließ sich dennoch nicht aus der Ruhe bringen. Der Zenmeister der | |
Berliner übt sich weiter im Stoizismus. Von den Endspielen gegen den | |
Abstieg will er schon lange nichts mehr hören. Er bewertete die Niederlage | |
zwar als "einen Rückschlag", stellte sie aber in den Kontext des | |
allgemeinen Seins eines Abstiegskandidaten: "Ich habe schon immer gesagt: | |
Es wird Wochenenden geben, an denen wir die Gewinner sind - dann wird es | |
wieder welche geben, an denen die anderen die Gewinner sind." | |
Etwas konkreter wies Steve von Bergen auf einen Umstand hin, der Hertha | |
derzeit zugute kommt: "Wir haben in unserer Scheißsituation immer noch das | |
Glück, dass die anderen nicht gewinnen." Den direkten Konkurrenten im | |
Abstiegskampf Freiburg und Nürnberg gelang jeweils nur ein Remis. | |
1 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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