# taz.de -- Lärm: Das knallt! | |
> Nicht nur das Knaack hat Ärger mit Nachbarn, auch vielen anderen Clubs | |
> droht wegen Ruhestörung das Aus. Die Club Commission fordert die Politik | |
> auf, Institutionen des Nachtlebens als Standortfaktor zu unterstützen. | |
Bild: Auch um den Yaam-Club wurde schon mehr als einmal gekämpft. | |
Wo gefeiert wird, gehts laut zu. Das wussten die Berliner, lange bevor ihre | |
Stadt als eine der beliebtesten Partyzonen in Europa galt. Doch die von | |
Musikclubs produzierte Geräuschkulisse wird dennoch nicht per se als | |
großstadttypisches Phänomen toleriert. Das haben zuletzt der | |
alteingesessene Knaack Klub in Prenzlauer Berg und das ebenfalls seit | |
Jahrzehnten bestehende SO36 in Kreuzberg zu spüren bekommen. Nach Klagen | |
von Anwohnern wurden die Betreiber der beiden Clubs von den Behörden | |
aufgefordert, die nach außen dringenden Geräusche ihrer Veranstaltungen | |
massiv zu reduzieren. Den Clubs, deren Klientel wenig Lust auf Punkrock in | |
Zimmerlautstärke hat, stellt sich seitdem die Existenzfrage. | |
Neben den beiden Läden gibt es laut der Berliner Club Commission (CC), | |
eines vor zehn Jahren gegründeten Verbands Berliner Party- und | |
Konzertveranstalter, zahlreiche weitere Fälle in den Innenstadtbezirken, in | |
denen etablierten Orten der Subkultur das Aus droht. Meist gehe es um | |
Klagen wegen nächtlichen Lärms. Immer wieder würden aber auch ohne | |
Absprachen baurechtliche Veränderungen beschlossen, die Einschränkungen für | |
die Clubs mit sich brächten - oft mit der Folge, dass sie umziehen oder | |
gleich ganz schließen müssten. | |
Nach Meinung von CC-Vorstandsmitglied Susann Treubrodt lässt sich die | |
Entwicklung nur stoppen, wenn die Berliner Clubs von der Politik als | |
wichtiger Kultur- und Wirtschaftszweig anerkannt werden. "Man bildet sich | |
in Berlin gern etwas auf unsere einzigartige Kulturlandschaft ein", so | |
Treubrodt. "Dass die vielen Konzert- und Elektro-Clubs einen entscheidenden | |
Teil dazu beitragen, dass jedes Jahr Millionen Menschen aus der ganzen Welt | |
nach Berlin kommen und eben nicht nur die Hochkultur gefördert werden muss, | |
vergessen die Politiker leider." | |
Anders als die Betreiber des Knaack und des SO36, die seit Monaten mit | |
Kampagnen in ihren Kiezen und im Internet über ihre Notlage informieren, | |
verhandelten die meisten bedrängten Party- und Konzertmacher lieber hinter | |
verschlossenen Türen, berichtet Treubrodt. "Rein rechtlich ist die Lage der | |
Betreiber oft katastrophal. Sie sitzen am kürzeren Hebel und müssen auf | |
Kompromisse mit den Hauseigentümern hoffen. Öffentlichkeit schadet da nur, | |
denken viele." | |
Die Club Commission will das ändern. Sie plädiert dafür, dass sich mehr | |
Clubbetreiber zu ihren Problemen bekennen. Die rund 110 Mitglieder des | |
Verbands erhielten deshalb kürzlich einen Brief, in dem der CC-Vorstand | |
unter dem Motto "Wir sammeln Lärm" dazu aufrief, ihm gegenüber aktuelle und | |
bereits bewältigte Konflikte mit Anwohnern und Behörden zu benennen. "Je | |
mehr Betroffene bekannt sind, desto konkreter kann man gegen die zunehmende | |
Verdrängung der Clubs aus der Innenstadt vorgehen", sagt Treubrodt. Darüber | |
hinaus berichtet sie, dass ihr Verband mit Anwälten und Lärmschutzexperten | |
politische Forderungen ausarbeite, um Druck auf die Politik ausüben zu | |
können. | |
Wenn der Eilentscheid, den das Berliner Verwaltungsgericht vor zehn Tagen | |
überraschend zugunsten des Knaack Klubs gefällt hat, rechtskräftig wird, | |
wäre man mit einer der Forderungen womöglich schon bald ein Stück weiter: | |
einem Bestandsschutz für etablierte Party- und Konzertlocations. Das | |
Gericht hatte im Fall des Knaack den Umbau eines benachbarten Bürokomplexes | |
in ein Wohnhaus als "rücksichtslos" eingestuft und damit die Klage eines | |
neu eingezogenen Anwohners über zu viel Lärm aus dem Knaack Klub | |
zurückgewiesen (taz berichtete). Jetzt wird nach Versäumnissen durch den | |
Architekten und das Bauamt des Bezirks Pankow gesucht. Außerdem muss noch | |
geklärt werden, was mit den vom Umweltamt geforderten Lärmschutzauflagen | |
passiert, die den Knaack-Betreiber Matthias Harnoß nach eigenen Angaben | |
rund 200.000 Euro kosten würden. | |
Harnoß hatte mit einer derartigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts | |
nicht mehr gerechnet und war in den vergangenen Wochen bereits auf der | |
Suche nach alternativen Standorten für den Knaack Klub. Sollte sich das | |
vorläufige Urteil durchsetzen, dürfte nicht nur das Knaack am jetzigen | |
Standort in der Greifswalder Straße gerettet sein. Auch andere Clubs | |
könnten davon profitieren. | |
Ob eine ähnliche Gerichtsentscheidung dem SO36 zugutekommen würde, ist | |
jedoch fraglich. Der dortige Streit mit einem Anwohner über den Lärmschutz | |
hat sich in den vergangenen Monaten zu einem Clinch mit der Hausverwaltung | |
ausgeweitet. Längst geht es nicht mehr allein um eine Lärmschutzmauer, | |
sondern auch um konzeptionelle Fragen. Aktuell würden die Anwälte beider | |
Seiten über die Zukunft des Clubs verhandeln, berichtet Lilo Unger, eine | |
der Betreiberinnen. Auch wenn die Zukunft des SO36 noch offen ist, steht | |
für sie jetzt schon fest: "Unsere Lage öffentlich zu diskutieren war | |
wichtig. Wir haben Probleme mit Nachbarn oder den Hausbesitzern früher oft | |
intern geregelt. Aber es ist unglaublich befreiend, wenn du erst mal | |
siehst, wie viele Menschen deine Arbeit unterstützen." | |
2 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Bernd Skischally | |
## TAGS | |
Club Commission | |
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