Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- DFB-Schiedsrichter-Sexaffäre: Terror und Liebe
> Der frühere Schiedsrichtersprecher des DFB, Manfred Amerell, präsentiert
> verliebte E-Mails von Schiedrichter Michael Kempter und droht mit dem
> Staatsanwalt.
Bild: Klagt weiter: Manfred Amerell im Münchner Landgericht.
"Der Inhalt erklärt sich aus der unglaublichen Drucksituation. Das war
absoluter Terror." Mit diesen Sätzen reagierte Michael Kempter auf den
Auftritt von Manfred Amerell, dem ehemaligen Schiedsrichtersprecher des
DFB, bei Johannes B. Kerner auf Sat.1. Dort hatte Amerell, dem von Kempter
sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, E-Mails des 27-jährigen
Fifa-Referees präsentiert. Da bezeichnet Kempter den früheren
Oberschiedsrichter als "Schatz", fragt sich, warum er das Gefühl habe,
"ohne dich hat das Leben keinen Sinn", bekennt: "Ich liebe dich!" Kempter
bestreitet nicht, diese E-Mails verfasst zu haben. "Das könnte man so
sagen", antwortete Amerell auf die Frage Kerners, ob er bisexuell sei.
Ein paar Stunden vor dem TV-Auftritt war es vor dem Landgericht in München
zu einem Vergleich zwischen Amerell und dem DFB gekommen. Der Verband darf
weiterhin verbreiten, Amerell habe mehrere Schiedsrichter sexuell belästigt
bzw. bedrängt. Dafür erfährt nun Amerell die Namen der Schiedsrichter, die
eidesstattliche Erklärungen abgegeben haben, in denen sie den 63-Jährigen
beschuldigen. Der DFB wertete den Vergleich ebenso als Erfolg wie Amerell.
Der will nun handeln und die Verfasser der Erklärungen verklagen. "Sie
werden vom Staatsanwalt hören", sagte er.
Merkwürdig bleibt weiterhin die Rolle, die der ehemalige
Bundesliga-Schiedsrichter Franz-Xaver Wack in der Affäre spielt. Der hatte
am vergangenen Wochenende die Frau Amerells aufgesucht und ihr mitgeteilt,
dass er alle Einzelheiten im Fall Amerell kennt und dass sich weitere
Schiedsrichter an ihn gewandt haben. In einem TV-Interview erweckte er den
Eindruck, schon seit 2005 von Amerells Beziehungsgeflecht gewusst zu haben.
Er habe damals den Chef des DFB-Schiedsrichterausschusses Volker Roth
darüber informiert, dass Amerell Amtsmissbrauch betreibt. Roth zeigte sich
entsetzt. "Wenn Franz-Xaver Wack diese Behauptung aufrecht erhält, werde
ich ihn verklagen."
Roth wird vorgeworfen, sich in dem Fall nicht besonders geschickt verhalten
zu haben. DFB-Vizepräsident Rainer Koch, der bis Februar für das
Schiedsrichterwesen im Verband zuständig war, wurde von Roth, an den sich
Kempter mit seinen Anschuldigungen gewandt hatte, nicht über die Vorwürfe
informiert. Daraufhin ließ er sich die Zuständigkeit für die Referees
entziehen. Roth selbst glaubt, alles richtig gemacht zu haben. "Nach den
DFB-Statuten ist der Präsident zu informieren und nicht der Vizepräsident.
Genau das habe ich getan", so der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses
des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Dass seine Informationspolitik zu
schweren Verwerfungen im DFB-Präsidium geführt hat, kann er nicht
bestreiten.
Roth ist qua Amt auch Chefeinteiler der Schiedsrichter für die Partien der
ersten und zweiten Bundesliga. Als solcher wollte er, dass Kempter so
schnell wie möglich wieder pfeift. Ursprünglich plante er ihn für die
Partie von Fortuna Düsseldorf gegen Greuther Fürth am Freitag ein. Doch
gestern pfiff Frank Willenborg. Dann wollte Roth Kempter nach Berlin zum
Sonntagsspiel von Union gegen den MSV Duisburg schicken. Auch dieser Plan
wurde verworfen. Es scheint so, als stehe die Schiedsrichterkarriere des
Michael Kempter auf der Kippe. Eine E-Mail Kempters, die Amerell bei Kerner
präsentierte, lautete wie folgt: "Freue mich aufs Bayernspiel. Hoffentlich
fliegen sie gleich raus. Dann stoßen wir an!" Amerell schießt scharf, um
Kempter als Unparteiischen unmöglich zu machen. Dabei dürfte er selbst, was
den FC Bayern betrifft, kein Unparteiischer sein. In den 1970er-Jahren war
Amerell Geschäftsführer des TSV 1860.
6 Mar 2010
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Deutscher Fußballbund (DFB)
## ARTIKEL ZUM THEMA
Unklare Todesursache: Ex-Schiedsrichter Amerell ist tot
Der ehemalige Bundesligaschiedsrichter und DFB-Funktionär Manfred Amerell
ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Der Grund für seinen Tod ist bisher
unklar.
Kritik an DFB-Chef Zwanziger: "Vieles muss durchsichtiger werden"
Theo Zwanziger wird wohl DFB-Chef bleiben. Bei der Präsidiumssitzung wird
er wegen der Schiedsrichter-Affäre dennoch viel Kritik einstecken müssen.
Schiedsrichter-Sexaffäre: Wird Beckenbauer Zwanziger beerben?
Manfred Amerell und der DFB einigen sich in der Missbrauchsaffäre
außergerichtlich. In der Öffentlichkeit werden bereits die ersten
Nachfolgekandidaten von DFB-Präsident Zwanziger gehandelt.
Schiedsrichter-Affäre: Der falsche Hetero-Schein
Ein Opfer der Sexaffäre um DFB-Schiedsrichter ist bereits jetzt
festzustellen: Es ist die Gruppe der Homosexuellen im Fußball – und die ist
offenbar nicht gerade klein.
Missbrauch unter Schiedsrichtern: Als die Hand in die Hose wanderte
Ein Bundesliga-Schiedsrichter beklagt sexuellen Missbrauch durch den
inzwischen zurückgetretenen DFB-Oberschiedsrichter. Dessen Frau hat noch
ganz andere Geschichten parat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.