# taz.de -- Umstrittene Reisebegleitungen: Merkel verteidigt Westerwelle | |
> Im Fall der fragwürdigen Reisebegleitungen von Außenminister Westerwelle | |
> stärkt die Kanzlerin ihrem Vize den Rücken. Der Steuerzahler-Bund fordert | |
> mehr Transparenz bei den Reisen. | |
Bild: Die Entscheidung liegt beim Minister: Merkel nimmt Westerwelle in Schutz. | |
BERLIN rtr/dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Außenminister | |
Guido Westerwelle gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit seinen Auslandsreisen | |
in Schutz genommen. Die Kanzlerin sei überzeugt, dass Westerwelle die ihn | |
begleitenden Wirtschaftsdelegationen in Übereinstimmung mit den Regeln | |
ausgewählt habe, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine | |
Heimbach am Freitag in Berlin. Dies gelte auch für die in die Kritik | |
geratene Asienreise Westerwelles im Januar. Die Entscheidung über die | |
Besetzung der Wirtschaftsdelegationen liege beim jeweiligen Minister. | |
Westerwelle hatte sich bereits am Donnerstag gegen neue Vorwürfe gewehrt, | |
er vermische bei seinen Auslandsreisen private und dienstliche Interessen. | |
"Da der Opposition die politischen Argumente ausgehen, versuchen sie es | |
jetzt mit persönlichen Attacken gegen mich und meine Familie", erklärte der | |
FDP-Chef. Auf seiner Südamerika-Reise sprach der Minister von einem | |
verleumderischen Manöver und einer parteipolitischen Kampagne. Auch ein | |
Sprecher des Auswärtigen Amtes nannte die Vorwürfe haltlos. | |
FDP-Generalsekretär Christian Lindner stuft die Berichte über Westerwelle | |
gar als Gefahr für die Demokratie ein. "Wir müssen aufpassen, dass die | |
Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die da | |
konstruiert werden", sagte Lindner am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Er | |
wertete die Vorwürfe als Retourkutsche für die vom Parteivorsitzenden | |
Westerwelle angestoßene Hartz-IV-Debatte. "Das ist für viele unbequem. Er | |
wird (...) dadurch auch zu einer Art Zielscheibe von | |
Diffamierungskampagnen." | |
Lindner ging auch auf den Vorwurf ein, dass der Geschäftsführer einer Firma | |
von Westerwelles Bruder den Außenminister nach Japan und China begleitet | |
habe. Geschäftsführer Ralf Marohn sei auch vom rheinland-pfälzischen | |
SPD-Wirtschaftsminister zu einer Reise nach Asien eingeladen. Lindner | |
bekräftigte die Behauptung, dass Marohn als Asien-Experte auch bereits den | |
Mainzer SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck dorthin begleitet habe. Die | |
Mainzer Staatskanzlei hatte dem am Donnerstag aber widersprochen. Sie legte | |
auch die Teilnehmerliste der betreffenden Reise von 1999 vor, auf der der | |
damals offensichtlich direkt in China tätige Ralf Marohn nicht stand. | |
"Warum darf sich der Außenminister nicht der offensichtlich bestehenden | |
Expertise eines Mannes bedienen, nur weil sein Bruder einen Mini-Anteil an | |
dessen Unternehmen hält?", sagte Lindner. "Das ist unverhältnismäßig." | |
Im Auswärtigen Amt (AA) ist unterdessen Unmut spürbar, dass das Ministerium | |
fast fünf Monate nach Westerwelles Amtsübernahme seit Wochen nicht aus | |
negativen Schlagzeilen herauskommt. Mitarbeiter beklagen, dass wichtige | |
außenpolitische Themen im Haus derzeit kaum noch eine Rolle spielten. Wie | |
es in der AA-Zentrale weiter heißt, haben die Anträge zur Entsendung auf | |
diplomatische Auslandsposten in letzter Zeit zugenommen. Die Zahl liege | |
deutlich höher als sonst nach einem Regierungswechsel. | |
Die Opposition sprach von einer "Günstlingswirtschaft". Westerwelle wisse | |
offenkundig nicht, was sich gehöre, sagte SPD- Parlamentsgeschäftsführer | |
Thomas Oppermann der "Neuen Osnabrücker Zeitung". | |
Der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt und jetzige SPD-Fraktionsvize | |
Gernot Erler meinte, nicht die Debatte, sondern das Verhalten von | |
Westerwelle und seinem Parteifreund Entwicklungsminister Dirk Niebel | |
gefährdeten die Demokratie. Neben der Einladungspraxis führte er als Beleg | |
dafür an, dass Westerwelle "ganz nebenbei der Ausbau des brasilianischen | |
Atomkraftwerks Angra mit deutscher Beteiligung besiegelt wurde". Auch die | |
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisierte, dass Westerwelle sich zu einer | |
Hermesbürgschaft für ein Atomkraftwerk bereiterklärt habe, obwohl Brasilien | |
den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet habe. | |
Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, forderte | |
dagegen von Merkel eine "schnelle Lösung des Falls Westerwelle". Jeder Tag, | |
den Westerwelle im Amt bleibe, kratze auch am Ansehen Merkels. Der | |
Außenminister habe "das Ansehen der deutschen Politik und das Ansehen | |
Deutschlands im Ausland beschädigt". | |
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, | |
erklärte dagegen: "An dem Vorgehen des Außenministers gibt es nichts | |
auszusetzen." Er habe das Recht, seine Begleitung selbst auszuwählen, und | |
außerdem sei es "in deutschem Interesse, dass der Bundesaußenminister | |
Wirtschaftsvertretern die Möglichkeit einräumt, als Teil seiner Delegation | |
mitzureisen". | |
Der Bund der Steuerzahler forderte mehr Transparenz bei der | |
Politiker-Begleitung. Die Bürger müssten nachvollziehen können, welche | |
Firmen- oder Verbandsvertreter mit an Bord seien, sagte Geschäftsführer | |
Reiner Holznagel der "Osnabrücker Zeitung". Der Parteienrechtler | |
Hans-Herbert von Arnim meinte, Westerwelle verhalte sich wie ein | |
"politischer Neureicher". Er habe offenbar noch nicht gelernt, mit seiner | |
Regierungsmacht verantwortlich umzugehen, sagte Arnim im Rundfunk Berlin | |
Brandenburg. Was Westerwelle mache, sei zwar "nicht illegal, aber es hat | |
ein Geschmäckle". | |
12 Mar 2010 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kritik an Mronz und Westerwelle: Dienstreise mit Außenminister | |
Michael Mronz, der Lebenspartner von Guido Westerwelle, rechtfertigt seine | |
Reisen mit dem Außenminister. Dem Paar wurde vorgeworfen, Staats- und | |
Privatgeschäfte zu vermischen. | |
Kritik an Westerwelles Reise-Begleitung: Es bleibt in der Familie | |
Einem Medienbericht zufolge, hat Außenminister Westerwelle die | |
geschäftlichen Interessen seiner Familie stärker protegiert, als bekannt. | |
Auch sein Bruder Kai profitierte von dessen Auslandsreisen. | |
Kommentar Westerwelles Reisen: Gatte in der Retroschleife | |
Mag sein, dass FDP-Chef Westerwelle es bei seinen Reisebegleitungen mal | |
wieder übertrieben hat. Doch die Medien stürzen sich mit Herdentrieb auf | |
ihn und seine leichte Angriffsfläche. |