# taz.de -- Kommentar Kundus-Untersuchungsausschuss: Maximaler Vertrauensverlust | |
> Der gefeuerte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan wollte unbedingt | |
> verhindern, dass das Vertrauen in die Bundeswehr schwindet. | |
Welch ein Drama. Im himmelhohen Saal des Untersuchungsausschusses des | |
Bundestags sah der gefeuerte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sehr | |
klein aus. Doch er wählte große Worte. Vom Vertrauen sprach er, das Politik | |
und Gesellschaft in die Bundeswehr hätten, weil das Militär dem Primat der | |
Politik unterliege. Die Bundeswehr dürfe nicht in Misskredit gebracht | |
werden - wegen eines "Einzelvorgangs", wegen des Luftangriffs von Kundus. | |
Wenn es in den vergangenen Jahren einen Soldaten gab, der die insgesamt | |
vertrauensvolle Bindung zwischen Gesellschaft und Bundeswehr verkörperte, | |
dann war es in der Tat Schneiderhan. Es war nur verständlich und sogar | |
bewegend, wie vehement er vor dem Ausschuss dafür warb, dass diese Bindung | |
anerkannt und gepflegt werden müsse. Was der General dabei nicht zu | |
erkennen schien, war die geradezu groteske Tragik, in die er sich selbst | |
hineinplädierte. | |
Schneiderhan wollte die so wichtige Ressource Vertrauen erhalten, indem er | |
nach dem 4. September 2009 schwieg und schweigen ließ dazu, was doch schon | |
Stunden nach dem Bombardement kursierte: Es hatte zivile Opfer gegeben. Es | |
waren Fehler gemacht worden. Schneiderhan aber blieb dabei: Vorsicht mit | |
Zahlen, lieber nichts als etwa Falsches sagen. Doch genau dadurch hat der | |
oberste Soldat der Republik zum größten denkbaren Vertrauensverlust | |
beigetragen. Das Verhältnis der Republik zu ihrer Truppe ist - wie die | |
Umfragen zeigen - nicht zerstört, muss aber als beschädigt gelten. | |
Schneiderhan hatte maßgeblichen Anteil, wenn nicht die Hauptveranwortung | |
dafür, dass nach dem Luftangriff sowohl Bundeswehr als auch Regierung | |
tagelang nur diffuse Angaben machten. Dadurch aber hielt sich die | |
Falschangabe des Oberst Georg Klein und der Pressestelle des Ministeriums, | |
dass bloß 56 Taliban und keine Zivilisten getötet worden seien - und die | |
Öffentlichkeit erfuhr aus der US-Presse und anderen Quellen, dass dies die | |
Unwahrheit war. | |
Schneiderhan war bis November 2009 über sieben Jahre Generalinspekteur, | |
fast genau die Zeit, die der Afghanistan-Einsatz dauerte. "Vorsicht mit der | |
Öffentlichkeit, Vorsicht mit der Öffentlichkeit", rief er am | |
Donnerstagabend zweimal im Ausschuss. Er wollte die Bundeswehr nie der | |
Dynamik des Wechselspiels zwischen Politik und Medien aussetzen, wonach | |
Letztere oft auch unsachgemäß aufblasen, was interessierte Kreise ihnen | |
zustecken. Doch mit jedem Wort verriet der Exgeneralinspekteur die schier | |
unglaubliche Überforderung der Bundeswehr durch moderne, globalisierte | |
Kommunikation. Die Bundeswehr dachte: Was wir nicht sagen, das gibt es auch | |
nicht. | |
Stattdessen sollte hauptsächlich Oberst Georg Klein geschützt werden, der | |
den unseligen Befehl zum Bombenabwurf gegeben hatte. Vergeblich, wie seit | |
gestern klar ist: Die Bundesanwaltschaft hat das eigentlich auch | |
Unvermeidliche getan und mit Ermittlungen gegen Klein begonnen. Bis zum | |
heutigen Tag aber hält Schneiderhan um des Obersts Willen daran fest, sein | |
Befehl sei "militärisch angemessen" gewesen. Dem Minister Karl-Theodor zu | |
Guttenberg will er angedeutet haben, dass er selbst zu einer anderen, | |
politischen oder juristischen Bewertung kommen könne. | |
Doch diese Unterscheidung zwischen einer militärisch-positiven und einer | |
politisch-negativen Bewertung des Luftangriffs leuchtet niemandem ein. | |
Sowieso handelte Klein ja auch unter rein militärischen Gesichtspunkten | |
offenbar fehlerhaft - er hat unter Vortäuschung falscher Tatsachen die | |
US-Bomber angefordert, und sich nur auf eine Quelle verlassen, wen er da | |
treffen würde. In einem Krieg aber, der auch nach Aussage von Generälen | |
nicht militärisch gewonnen werden kann, fließen militärische und politische | |
Bewertung ineinander. In der neuen US-Strategie für Afghanistan wird dies | |
auf die Pointe gebracht, dass mit zwei getöteten Taliban möglicherweise | |
zwölf neue Taliban entstanden sind - die Freunde und Verwandten der Toten. | |
Hält mit Schneiderhan die Bundeswehr aber an der militärischen | |
"Angemessenheit" fest - etwa auch der neue Generalinspekteur Volker Wieker | |
-, so wird sich das Vertrauen nicht restaurieren lassen. Der Vorwurf würde | |
dann nicht mehr nur lauten: Bunkermentalität und Realitätsverleugnung. | |
Sondern auch: Lernunfähigkeit. | |
20 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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