# taz.de -- Rechtsextreme Ostertagung: "Blutsvermischung führt zum Volkstod" | |
> Im niedersächsischen Dorfmark hat der "Bund für Gotterkenntnis" seine | |
> Ostertagung ausgerichtet. Mit dabei auch der NS-Jagdflieger Hajo | |
> Herrmann. Proteste sind nicht erwünscht. | |
Bild: Ludendorffer auf dem Weg zur Tagung. | |
DORFMARK taz | Auf der Straße ist der Protest gegen die rechtsextreme | |
Ludendorffer Vereinigung "Bund für Gotterkenntnis" nicht sehr willkommen. | |
Einwohner ziehen lieber ihre Vorhänge zu, schütteln auffallend mit den | |
Köpfen und beleidigen die knapp 120 Demonstranten, die durch den kleinen | |
niedersächsichen Ort Dorfmark ziehen und sich vor dem "Deutschen Haus" | |
aufstellen. Als der Ehrengast der Ludendorffer, der hoch dekorierte | |
NS-Jagdflieger Hajo Herrmann eintrifft, versuchen manche der Protestler ihn | |
zu fotografieren. Doch engagierte Ludendorffer schlagen ihnen gezielt die | |
Kameras aus den Händen. | |
Es ist Ostern, Fest der Auferstehung und von Karfreitag bis Ostersonntag | |
tagen die Anhänger des "Bund für Gotterkenntnis (Ludendorffer e.V.)" in | |
Dorfmark. Hinter verschlossenen Türen, im Hotel "Zur Post" und im Gasthof | |
"Deutsches Haus“. | |
Seit mehr als 35 Jahren hält der "Bund", der bundesweit 500 Aktive haben | |
soll, in dem Ort seine Ostertagung ab. Nicht bloß für Hotel und Gaststätte | |
ist der Verein, mit Sitz im bayrischen Tutzingen, ein Umsatzgarant. "Wir | |
haben denen viel zu verdanken", sagt eine Wirtin. "Friedliche Leute" seien | |
das, die "viel Geld" brächten, bestätigt eine Angestellte. | |
"In der Gemeinde ist die Auseinandersetzung schwierig" erklärt Steffen | |
Ahrens, stellvertretender Bürgermeister von Bad Fallingbostel (SPD). Er | |
betont, dass sich nicht alle der knapp 3.000 Einwohner daran stören, dass | |
die Ludendorffer als "Antisemiten" und "Neonazis" bezeichnet werden dürfen. | |
In Dorfmark sind die Anhänger von Mathilde Ludendorff, die von 1877 bis | |
1966 lebte, schon früh angereist. Meist kommen ganze Familien – vom Opa bis | |
zum Enkelkind. Viele tragen feine Anzüge, schicke Kleider. Einige der | |
Männer und Jungen bevorzugen Kurzhaarschnitt, Strickpulli und | |
Knickerbocker-Hosen, während die Frauen und Mädchen zu Zöpfen und | |
Dirndl-Kleidern neigen. | |
"Natürlich komme ich", versicherte auch Gerhard Fuchs der taz einige Tage | |
vor dem Treffen. Im nahen Hankensbüttel lebt der Ludendorffer, dessen | |
Telefonnummer die einzige Kontaktadresse auf ihrer Webseite ist. Fragen zum | |
Bund will er nicht beantworten, erklärt lediglich, dass sie "eine | |
Weltanschauungsgemeinschaft" seien. Eine Kontaktmöglichkeit, um den | |
Vorsitzenden Gunther Duda zu erreichen, mag er nicht angeben. Vor zwei | |
Jahren war er noch auskunftswilliger. "Wir setzen uns allein für das | |
philosophische Werk Mathilde Ludendorffs ein", betonte er damals und | |
erklärte, mit Politik hätten sie aber nichts gemein. | |
Doch der Ehrengast in diesem Jahr widerlegt die Behauptung. Bei der NPD und | |
DVU ist der Altnazi Hajo Herrmann als Redner immer wieder gern gesehen. Als | |
Rechtsanwalt vertrat er einige Holocaustleugner. Ein Gast, der Anke | |
Schmidt* nicht überrascht. Sie kennt die Ludendorffer privater, war früher | |
mal bei verschiedenen Tanzveranstaltungen dabei, ist aber nie Mitglied im | |
Bund gewesen. "Mich hatte damals verwundert, mit welchem Inbrunst die | |
jüngeren Männer über den Kampf der Wehrmacht redeten, so als wenn sie dabei | |
gewesen wären", erinnert sie sich. Bei einer Volkstanzveranstaltung der | |
Ludendorffer hörte sie, dass die Männer über den Mangel an Ehrung für | |
Wehrmachtssoldaten klagten. Von Verbrechen war nie die Rede gewesen, so | |
Schmidt, nur von den Greultaten der Roten Armee. | |
Auf ihrer diesjährigen Ostertagung dürften die Verbrechen auch beim Vortrag | |
"Englands Kriegsausweitungsstrategie und Besetzung Norwegens vor 70 Jahren" | |
kaum thematisiert worden sein. In der Zeitschrift der Ludendorffer "Mensch | |
und Maß" (M&M) führen gar Gundolf und Elke Fuchs aus, dass der "hitlerische | |
Antisemitismus" durch "jüdische Glaubensmächte" finanziert wurde, auch um | |
den "reinen Gedanken der Volkserhaltung" zu beschädigen. | |
Wirre Thesen von verwirrten Anhängern? Nein, Ludendorff selbst sah eine | |
"riesige Verschwörung der Juden" am Werk. Die Frau des General Erich | |
Ludendorff, der zusammen mit Adolf Hitler am 9. November 1923 einen | |
misslungenen Putschversuch anführte, unterstellt, dass die Juden | |
"insbesondere den Deutschen eine Art von Irrsein 'indizieren'" und zwar mit | |
Hilfe des Christentums, der Freimaurerei und des Sozialismus. Seitdem | |
würden die Deutschen sich zu anderen "Rassen" hingezogen fühlen, sodass die | |
"Rassentugenden mit dem ererbten Götterleben" verloren gingen und die | |
"Blutsvermischung" zum "Volkstod" führe. In "M&M" betont auch der | |
Vorsitzende Duda, dass am „entvolkenden, einweltlerischen 'Universalismus'" | |
die "Völker" zugrunde gingen. | |
Solche Aussagen hörte Schmidt nicht. "Bei den Treffen ist das alles sehr | |
familiär", sagt sie und überlegt, dass Volkstanz vielleicht auch nicht der | |
richtige Rahmen dafür war – und es würden "dort eh alle ähnlich denken". | |
Sie betont: "Die wirken schon wie eine verschworen Gemeinschaft". Im | |
Privaten werde das Politische sehr gelebt, man sei sehr heimatverbunden, | |
volksorientiert und umweltbewusst. "Über gesunde Ernährung konnte ich mich | |
sehr intensiv mit ihnen austauschen", erzählt Schmidt und ergänzt: "Da ist | |
man schnell einer Meinung". | |
Ihr fiel aber auch auf, dass die Familien sehr vorsichtig mit ihren | |
Äußerungen waren. Sie wollen in ihrem Umfeld jenseits des "Bundes" nicht | |
anecken, glaubt Schmidt: "Bei der Asylthematik hätte ich mit ihnen nichts | |
gemein", sagt sie: "Darüber redeten sie wohl nur wenn sie unter sich sind". | |
Nach Außen, auch um den Kindern den Alltag nicht zu erschweren, denkt | |
Schmidt, würden sie sich zurückgehalten. | |
Viele Jugendliche nahmen an der Ostertagung teil. "Das sind | |
Familienevents", weiß Schmidt. Politik und Privates ist gerade bei der | |
Erziehung untrennbar. So lautete ein Vortragsthema: "Bindungsforschung und | |
Krippen". Man ahnt den Tenor. Zur Erziehung in Schulen hat sich Vordenkerin | |
Ludendorff konkret geäußert: "Seht sie Euch doch an, diese armen (...) | |
Christenkinder, wenn sie in den Schulpausen miteinander plaudern. Da | |
wünscht sich das Kind, das zehn Jahre später den Gatten wählt und dann | |
darüber entscheidet, ob es Bastarde oder Deutsche unter seinem Herzen | |
trägt, allen Ernstes schwarze Haare statt blonder (...) und alle halten | |
dies für eine ganz äußerliche Angelegenheit". "Schon die Kinder fühlen sich | |
auserwählt, als etwas besonders", so Anke Schmidt. | |
* (Name geändert) | |
5 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
A. Röpke | |
A. Speit | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Neonazis | |
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