# taz.de -- Ostsee-Pipeline: Nord Stream schafft Fakten | |
> Trotz anhängiger Gerichtsverfahren werden erste Rohre für die | |
> Ostsee-Pipeline verlegt. Werden sich die auf insgesamt 8,8 Milliarden | |
> Euro geschätzten Baukosten je rechnen? | |
Bild: Baubeginn der Ostsee-Pipeline trotz Klagen seitens der Umweltschutzorgani… | |
Der Bau der ökologisch und politisch umstrittenen Pipeline durch die | |
Ostsee, die Deutschland und andere EU-Länder ab Ende 2011 mit russischem | |
Erdgas versorgen soll, hat begonnen. Am Mittwoch wurden auf der vor der | |
schwedischen Ostseeinsel Gotland liegenden Verlegeplattform "Castoro Sei" | |
die ersten der je 12 Meter langen Rohre zusammengeschweißt. Mehr als | |
100.000 werden für die 1.224 Kilometer lange Strecke benötigt. Für eine | |
geplante parallele Trasse, die ab dem kommenden Jahr gebaut werden soll, | |
werden es noch einmal so viele sein. | |
Die "Castoro Sei" soll sich in den nächsten Monaten in nordöstlicher | |
Richtung auf das russische Wyborg voranarbeiten. Dort wird am Freitag die | |
offizielle Eröffnungszeremonie für die Bauarbeiten stattfinden. Die | |
Arbeiten von Lubmin aus - dem deutschen Endpunkt der Pipeline - sollen im | |
Mai beginnen. Sowohl in Deutschland als auch in Finnland sind von | |
Umweltschutzorganisationen eingereichte Klagen gegen die Baugenehmigung | |
noch nicht entschieden. Sie haben aber keine aufschiebende Wirkung auf die | |
Arbeiten. | |
Gegenüber den ursprünglichen Planungen hat sich der Baubeginn der 2005 | |
beschlossenen Nord Stream, die mehrheitlich der russischen Gazprom und in | |
Teilen auch Eon und BASF/Wintershall gehört, um zwei Jahre verzögert. Er | |
kommt nun zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Gasmarkt in starkem Wandel | |
befindet. Vor zwei Jahren hatte Gazprom noch eine Verdreifachung des | |
Gaspreises auf 1.500 US-Dollar für 1.000 Kubikmeter prognostiziert. Heute | |
ist dieser auf 350 Dollar gesunken. | |
Verantwortlich dafür sind auch neue Erschließungsmethoden, mit deren Hilfe | |
die USA Russland als größten Erdgasproduzenten mittlerweile überholt haben. | |
Statt wie bislang üblich aus gashaltigen Sedimentschichten wird in den USA | |
mehr und mehr sogenanntes Schiefergas gewonnen. Hierfür werden tief | |
liegende Schieferschichten horizontal angebohrt, wobei das im Gestein | |
enthaltene Gas unter hohem Wasserdruck und Chemikalieneinsatz freigesetzt | |
wird. Das Verfahren ist wegen seiner Umwelteinwirkungen umstritten. Aber | |
die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass die USA bald | |
Eigenversorger werden und keine Importe mehr benötigen. | |
Flüssiggas aus den beispielsweise in Nordafrika, Dubai und Norwegen | |
aufgebauten riesigen Anlagen, die primär auf den US-Markt zielten, würde | |
dann nach Europa drängen. Und langfristig könnte auch europäisches | |
Schiefergas interessant werden. In Polen, Schweden, Bulgarien und Rumänien | |
wird bereits gesucht. IEA rechnet damit, dass die europäischen Vorkommen | |
den westeuropäischen Gasbedarf für 50 Jahre decken könnten. | |
Ob die von Nord Stream auf insgesamt 8,8 Milliarden Euro geschätzten | |
Baukosten - für die Kredite bürgt teilweise der deutsche Staat - sich | |
jemals rechnen werden, scheint daher zweifelhaft. Zudem ist unklar, woher | |
die jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas kommen sollen, um die | |
Leitungen zu füllen. Die Erschließung des dafür vorgesehenen Erdgasfelds | |
"Shtokman" in der Barentssee hat Gazprom aus Kostengründen vertagt. | |
7 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Gazprom | |
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