# taz.de -- Miyazaki-Hommage auf arte: Waldgeister und wandelnde Schlösser | |
> In einer sechsteiligen Hommage widmet sich Arte dem japanischen | |
> Animationsfilmregisseur Hayao Miyazaki - unter anderem mit "Mein Nachbar | |
> Totoro" (Do, 20:15). | |
Bild: Den Waldgeist Totoro (links) sehen nur Kinder in echt. Die Erwachsenen m�… | |
Eine retrofuturistische fliegende Insel, ein von Gottwesen bevölkertes | |
Badehaus, ein archaischer Märchenwald aus der Shogun-Zeit, eine | |
Endzeit-Erde, die von einem bizarr-schönen Giftpilzwald überwuchert wird, | |
und ein bonbonbuntes Fantasiekönigreich aus dem frühindustriellen Europa, | |
durch das ein Haus auf zwei Beinen stapft - so sieht es aus in der Welt von | |
Hayao Miyazaki, des vielleicht bedeutendsten Animationsfilmregisseurs der | |
Welt, dessen Filme in den letzten 30 Jahren stets zu den beliebtesten und | |
bestbesuchten in ganz Japan gehörten. | |
Es ist etwas rätselhaft, warum Arte Miyazaki erst jetzt eine Werkschau | |
widmet, bestehend aus sechs seiner zehn Filme, die bis zum 22. April immer | |
montags und donnerstags um 20.15 Uhr gezeigt werden - wo sich der | |
mittlerweile 69-Jährige doch gerade im comicaffinen Frankreich großer | |
Beliebtheit erfreut. In Deutschland nahm die Öffentlichkeit erstmals 2002 | |
Notiz von Miyazaki, als "Chihiros Reise ins Zauberland" den Goldenen | |
Berlinale-Bären gewann. In den vergangenen Jahren wurden dann zwar einige | |
ältere Filme nachträglich ins Kino gebracht und auf Super RTL und RTL II | |
gezeigt - doch Miyazakis neuestes Werk, "Ponyo - Das verzauberte | |
Goldfischmädchen", auf dessen Ausstrahlung Arte aus rechtlichen Gründen | |
leider verzichten muss, fand trotz einer Wettbewerbsteilnahme in Venedig | |
keinen deutschen Kinoverleiher. | |
Ein Jammer. Denn die Imaginationskraft Miyazakis ist einzigartig. In den | |
von ihm geschaffenen Welten verschwimmen die Grenzen von Realität und | |
Fantasie, bevölkert werden sie von einem Bestiarium sonderbarer Wesen, | |
oftmals ambivalente Charaktere, die nicht dem klassischen Gut-Böse-Schema | |
Hollywoods entsprechen - dabei sind es meist tapfere, tomboyhafte Mädchen, | |
die Miyazaki auf Abenteuerreise schickt. Wie für Anime üblich, sprechen | |
seine Filme Kinder und Erwachsene gleichermaßen an. Und transportieren | |
nebenbei eine klare Haltung gegen Krieg und die fortschreitende | |
Umweltzerstörung. | |
Kennzeichnend für Miyazakis Filme ist die Vermischung von westlichen und | |
östlichen Bild- und Erzähltraditionen: Odysseus, Gullivers Reisen, Jules | |
Verne, Lewis Carroll werden zitiert, dazu bedient Miyazaki sich aus dem | |
prallen Fundus der japanische Sagenwelt, der Anime-Symbolik und beim | |
Shintoismus, jenem animistischen, japanischen Volksglauben, in dem jeder | |
Baum, jeder Fluss, jeder Stein beseelt sein kann. Besonders stark ist der | |
Shinto-Einfluss dabei in "Mein Nachbar Totoro", der heute Abend läuft, | |
Miyazakis reduziertesten und schönsten Film. | |
Zwei Mädchen, sechs und zehn Jahre alt, freunden sich im ländlichen Japan | |
der 50er-Jahre mit einem Eulenbärenkatzen-Waldgeist an, dem Herren eines | |
gigantischen Kampferbaums. In 80 Minuten passiert so gut wie gar nichts - | |
und gerade deswegen ist dieser Film von zenhafter Eleganz, ein | |
traumähnlicher Einblick in die Gedankenwelt von Kindern, kongenial | |
begleitet von der Musik Joe Hisaishis, dem Leibkomponisten Miyazakis. | |
Im Anschluss folgt die etwas verschrobene Dokumentation "Der Tempel der | |
tausend Träume" über Miyazaki, seinen Kollegen Isao Takahata und ihre | |
gemeinsamen Produktionsfirma Studio Ghibli. Hier kann man die | |
Miyazaki-Werke dann auch mal mit den japanischen Originalstimmen hören - | |
die die allenfalls passable deutsche Synchronisation, auf die Arte leider | |
zurückgreift, bei weitem übertreffen. | |
8 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
Michael Brake | |
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Manga | |
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