# taz.de -- Cyberspace-Demokratie: Schwarz-gelb stärkt Onlinepetitionen | |
> Die Regierung will es erlauben, ein Thema mit 100.000 Unterschriften in | |
> den Bundestag bringen zu können. Wird so virtuellen Gesellschaften mehr | |
> Gehör in der Politik verschafft? | |
Bild: Mehr als 134.000 Unterschriften kamen gegen Internetsperren zusammen. | |
Die schwarz-gelbe Koalition will Onlinepetitionen aufwerten. Anliegen mit | |
genügend Unterstützung sollen künftig auch im Plenum des Bundestags | |
debattiert werden. Damit würde eine Art von Bürgerbegehren geschaffen. | |
Eingeführt wurden Onlinepetitionen 2005 zum Ende der rot-grünen | |
Regierungszeit. Nach einer Probephase läuft das neue Petitionssystem seit | |
Oktober 2008 auf Hochtouren. Am bekanntesten wurde die Eingabe von | |
Franziska Heine, die 134.000 Signaturen gegen Internetsperren sammelte und | |
damit die öffentliche Stimmung kippte. | |
Weitere medial erfolgreiche Petitionen forderten ein bedingungsloses | |
Grundeinkommen, mehr Kontrolle für die Musikverwerter von der Gema und die | |
Senkung der Mineralölsteuer. | |
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand bisher jeweils das Sammeln | |
der Signaturen. Wenn die Zahlen nach oben schnellen, wirkt das wie eine | |
Massendemonstration auf der Straße. Dass der Initiator noch nach sechs | |
Monaten vom Petitionsausschuss angehört wird, interessierte weniger. | |
Stimmiger ist es, wenn am Ende zumindest das Bundestagsplenum über eine | |
Massenpetition debattiert. Schließlich geht es meist um Anregungen zur | |
Gesetzgebung. Auf Druck der FDP ist die Aufwertung solcher Petitionen | |
bereits im schwarz-gelben Koalitionsvertrag enthalten. | |
Jetzt bereitet der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae einen Antrag vor, mit dem | |
die Geschäftsordnung des Bundestags entsprechend geändert werden soll. Nach | |
Thomaes Vorstellungen müssten binnen drei Monaten mindestens 100.000 | |
Unterschriften gesammelt werden, online oder auf der Straße. Zunächst | |
bekämen, wie bisher, die zuständigen Ministerien Gelegenheit zur | |
Stellungnahme. Dann würde der Initiator im Petitionsausschuss angehört. | |
Gleich anschließend könnte das Anliegen im Bundestag debattiert werden, | |
allerdings ohne Rederecht des Petenten. | |
De facto können Bürger so binnen wenigen Monaten ein breit diskutiertes | |
Anliegen auf die Tagesordnung des Bundestags setzen. | |
Die Vorschläge müssen allerdings relativ holzschnittartig vorgetragen | |
werden. Der Server des Bundestags akzeptiert Petitionen bisher nur bis zu | |
einem Umfang von 1.000 Zeichen (plus 3.000 Zeichen Begründung). Ein | |
ausgefeilter Gesetzentwurf kommt so als Massenpetition nicht infrage. | |
Noch im April wird sich die FDP-Fraktionsklausur mit Thomaes Vorschlag | |
beschäftigen, dann die anderen Fraktionen. Ziel ist ein Allparteienantrag. | |
Da die CDU im Koalitionsvertrag bereits zugestimmt hat, dürfte es wenig | |
grundsätzliche Probleme geben. | |
9 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach Onlinepetition: Gordon Brown rehabilitiert Alan Turing | |
Eine Online-Petition zeigte Wirkung: 55 Jahre nach dem Tod des schwulen | |
IT-Pioniers Alan Turing hat Gordon Brown sein tiefes Bedauern für dessen | |
Behandlung ausgedrückt. | |
Machtinstrument E-Petition: Die Online-Opposition | |
E-Petitionen bringen frisches Blut für die Demokratie. Mit wenig Aufwand | |
kommen neue Themen auf die politische Agenda. | |
Kommentar zu Meinungsbildung: Onlinepetitionen sind ernst zu nehmen | |
Alte Protest-Instrumente wie Demos und neue wie die Onlinepetitionen | |
ergänzen sich gegenseitig. Das eine liefert schöne Bilder, das andere große | |
Zahlen. | |
Debatte Internetsperren: Ein Netz voller Stoppschilder | |
Der Staat beginnt, seine Verbote auch in der virtuellen Welt durchzusetzen. | |
Das gesellschaftliche Klima könnte sich spürbar verändern. |