# taz.de -- Kommentar Tod von Polens Präsident: Das doppelte Trauma von Katyn | |
> Zum zweiten Mal ist Katyn zum Symbol für eine nationale Katastrophe | |
> Polens geworden. Doch Polen und Russen trauern gemeinsam. In dem Unglück | |
> liegt eine Chance zur Aussöhnung. | |
Bild: Ankunft des Sargs von Präsident Lech Kaczynski auf dem Flughafen Warscha… | |
Der Absturz der polnischen Präsidentenmaschine, die Staatschef Lech | |
Kazcynski und 95 weitere Insassen an Bord hatte und den keiner überlebte, | |
hat die Polen in einen Schockzustand versetzt. Für sie ist der Ort Katyn | |
damit zum zweiten Mal zu einem Symbol für eine nationale Katastrophe | |
geworden. | |
Bittere Ironie ist, dass sich in Katyn in der vergangenen Woche gerade erst | |
der Beginn der schwierigen Aussöhnung mit der Geschichte angedeutet hatte. | |
Nachdem die russische Seite jahrzehntelang Geschichtsklitterung betrieben | |
und den Massenmord an 22.000 Offizieren und anderen Angehörigen der | |
polnischen Elite durch den NKWD geleugnet hatte, gedachten Polens Premier | |
Donald Tusk und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin am Mittwoch | |
erstmals gemeinsam der Opfer. Auch wenn Warschau vergeblich auf eine | |
Entschuldigung Putins wartete, war dies weit mehr als nur eine symbolische | |
Geste. | |
Am Samstag trauerten Russen und Polen an fast gleichem Ort nun wieder | |
gemeinsam - nicht, wie geplant, um die Toten von 1940, sondern um die Opfer | |
der Flugzeugkatastrophe. Anstatt sich auf Beileidsbekundungen zu | |
beschränken, wandte sich Russlands Präsident Dmitri Medwedjew direkt an das | |
polnische Volk und ordnete in seinem Land eine eintägige Staatstrauer an. | |
Diese Reaktion, die für die Menschen in Polen von hoher Bedeutung ist, | |
verdient uneingeschränkt Respekt. Sie dürfte der russischen Staatsführung | |
nicht ganz leicht gefallen sein, hatte Präsident Lech Kaczynski, im Verbund | |
mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw als Regierungschef, doch keine | |
Gelegenheit ausgelassen, den großen Nachbarn zu düpieren. | |
Doch derlei Scharmützel scheinen der Vergangenheit anzugehören. Das zeigt | |
sich auch daran, wie man in Polen mit den abstrusen Verschwörungstheorien | |
umgeht, die von Vertretern des konservativen Lagers nach dem Flugzeugunfall | |
zum Besten gegeben werden. Zwar schickte sich sogar der polnische | |
Expräsident Lech Walesa an, im Fernsehen laut über eine mögliche | |
Verstrickung des Kreml in die Tragödie vom Samstag nachzudenken. Der Sender | |
aber drehte ihm kurzerhand den Saft ab. | |
So zynisch es klingen mag, liegt in dem tragischen Unfall doch auch eine | |
Chance. Er könnte die Entspannung der polnisch-russischen Beziehungen | |
beschleunigen. Das erste Signal dafür hat Moskau bereits gegeben. | |
12 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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