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# taz.de -- Beisetzung von Polens Präsident: Streit über die letzte Ruhestät…
> Das Vorhaben, den tödlich verunglückten Staatspräsidenten Lech Kaczynski
> in der Königsburg Wawel beizusetzen, stößt auf Widerstand bei den
> Krakauern.
Bild: "Krakau sagt Nein!": Wawel-Burg in Krakau.
WARSCHAU taz | "Nicht auf dem Wawel! Krakau sagt Nein!" skandieren knapp
500 Demonstranten vor dem Bischofssitz im südpolnischen Krakau. Sie wollen
eine Beisetzung des am Samstag bei einem Flugzeugabsturz ums Leben
gekommenen Präsidenten Polens in der Königsgruft auf dem Wawel verhindern.
In der Wawel-Kathedrale wurden über Jahrhunderte Polens Könige gekrönt und
beigesetzt. Die Nationaldichter Adam Mickiewicz und Juliusz Slowacki liegen
dort ebenso wie berühmte Politiker und Generäle. "Auf Wunsch der Familie",
erklärte am Dienstagnachmittag Krakaus Kardinal Stanislaw Dziwisz , "wird
das Präsidentenpaar Lech und Maria Kaczynski in der Gruft neben Marschall
Jozef Pilsudski beigesetzt.
Stunden später hatten sich die Demonstranten bereits organisiert. Das
allgemeine Unbehagen ist groß. Denn Kaczynski war ein umstrittener
Präsident. Er gewann die Präsidentenwahl 2005 durch eine Wahllüge seiner
Partei, der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS). Angeblich
habe sich der Großvater des damaligen Favoriten Donald Tusk im Zweiten
Weltkrieg freiwillig zur Wehrmacht gemeldet und gegen die Polen gekämpft.
Kaczynski spielte später noch mehrmals die antideutsche Karte,
entschuldigte sich nie bei Tusk und plante nun eine antirussische Kampagne.
Die Gedenkreise ins westrussische Katyn, wo der sowjetische Geheimdienst
1940 tausende polnische Offiziere ermordet hatte, sollte den Auftakt zum
Präsidentschaftswahlkampf 2010 bilden.
Dass Kaczynski "wie ein nationaler Held" gestorben sei, wie Kardinal
Dziwisz erklärte, weil er auf dem Weg nach Katyn gewesen sei und dort eine
Gedenkrede halten wollte, kommt für viele Polen reinem Zynismus nahe. Denn
die offizielle Gedenkfeier hatte bereits Tage zuvor am selben Ort
stattgefunden. Die Premierminister Russlands und Polens, Wladimir Putin und
Donald Tusk, hatten sich in einer Versöhnungsgeste die Hand gereicht.
Wenn etwas für das moderne Polen Heldentum ist, dann eine solche
Versöhnungsgeste. Denn das braucht Mut. Kaczynski war auf dem Weg zu einer
privaten Gedenkfeier. Er hatte viele Hinterbliebene der Katyn-Opfer
eingeladen, außerdem seine Parteifreunde von der PiS und dem Bündnis der
Demokratischen Linken (SLD). Aber "im Dienste der Nation" fuhr er nicht
nach Katyn.
Zur Trauerfeier am Sonntag in Krakau werden zahlreiche Staats- und
Regierungschefs erwartet, darunter US-Präsident Barack Obama, sein
russischer Kollege Dmitri Medwedew sowie aus Deutschland Bundespräsident
Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel. Doch Polens Regierung befürchtet,
dass es während der Feier zu Protesten und Demonstrationen kommen könnte.
Denn bislang wurde kein einziger Präsident Polens auf dem Wawel in Krakau
beerdigt. Die Hauptstadt der Republik liegt in Warschau. Hier gibt es
Kathedralen und Friedhofe, wo die berühmtesten Warschauer ihre letzte Ruhe
gefunden haben. Kaczynski selbst war geborener Warschauer und liebte seine
Heimatstadt. Auch das Familiengrab der Kaczynskis befindet sich in
Warschau. Dass nun aber der Zwillingsbruder des verstorbenen Präsidenten,
Jaroslaw Kaczynski, die alte Königsburg in Krakau ausgewählt hat, stößt auf
heftigen Widerstand.
Zwar verpflichtet die Polen die Staatstauer und Pietät gegenüber dem Toten
zur Zurückhaltung bei der Kritik, doch hat die Friedenspflicht auch ihre
Grenzen: "Das ist doch einfach eine maßlose Selbstüberschätzung", sagt eine
Demonstrantin in Krakau. "Ist er wirklich eines Königs würdig?", steht auf
ihrem Transparent. "Kaczynski war weder ein Held, noch hat er sich als
Präsident des Landes besondere Verdienste erworben", sagt sie. Umfragen
zufolge wäre Kaczynski bei den nächsten Wahlen abgewählt worden.
Zudem ist die Unfallursache in Smolensk noch nicht geklärt. Sollte es sich
herausstellen, dass Kaczynski den Befehl zur Landung trotz des starken
Nebels gegeben oder auf die Piloten Druck ausgeübt haben sollte, müsste er
nach der mit großem Pomp und internationalen Gästen inszenierten Beisetzung
wieder aus dem Wawel entfernt werden. "Das wäre für Krakau und Polen so
peinlich wie seine ganze Präsidentschaft", sagt die Studentin. Dann
skandiert sie wieder mit den anderen: "Bleib in Warschau! Bleib in
Warschau!"
15 Apr 2010
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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Debatte Kaczynski-Tod: Einig im Schmerz
Gab Präsident Kaczynski den Befehl zur Landung seines Flugzeugs? Die Frage
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Solange nicht klar ist, wer die letztlich tödliche Entscheidung zur Landung
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Streit um Kaczynskis Ruhestätte: Die Proteste verschärfen sich
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