# taz.de -- Ypsilanti über die Koalistionsfrage: "Eine linke Frau hat es schwe… | |
> 2008 stand Andrea Ypsilanti in Hessen vor einer ähnlichen Situation wie | |
> Genossin Kraft jetzt in NRW: Große Koalition oder Linksbündnis? Für | |
> Letzteres sei Mut nötig, meint Ypsilanti. | |
Bild: Umlagert von der Presse: Andrea Ypsilanti 2008 in Frankfurt. | |
taz: Frau Ypsilanti, die SPD könnte in Nordrhein-Westfalen nach | |
gegenwärtigem Stand nur zusammen mit der Linkspartei die | |
Ministerpräsidentin stellen. So eine Zusammenarbeit haben Sie vor zwei | |
Jahren in Hessen ausgeschlossen. Sind derart kategorische Aussagen aus | |
heutiger Sicht richtig? | |
Andrea Ypsilanti: In Hessen habe ich die Zusammenarbeit 2007/2008 vor der | |
Wahl ausgeschlossen, weil diese Frage damals in der SPD noch absolut tabu | |
war. Es gab keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Programmen. Aber | |
genau die braucht man heute wie damals, bevor man eine Koalition | |
ausschließt oder eingeht. | |
Der Dialog zwischen SPD und der Linken ist also weiter als damals? | |
Die Parteien haben zumindest begonnen, sich mit der Programmatik der | |
jeweils anderen auseinanderzusetzen. Aber auch die Medien sollten sich mehr | |
mit den Inhalten befassen und nicht immer nur darüber spekulieren, wer nun | |
mit wem koalieren könnte. | |
Tun wir es trotzdem noch einmal: Ähnlich wie möglicherweise jetzt Hannelore | |
Kraft in Nordrhein-Westfalen standen Sie auch vor vor der Wahl große | |
Koalition oder Bündnis mit der Linken. Warum lehnten Sie die große | |
Koalition ab? | |
Das wäre in Hessen der größtmögliche inhaltliche Wortbruch gewesen. Unsere | |
Politik war mit der Politik der Koch-CDU nicht vereinbar. Heute bekommen | |
die Menschen viel zu oft Koalitionen, die inhaltlich nicht mehr das | |
vertreten, was die WählerInnen mit ihrer Stimme bezwecken wollten. Das ist | |
Betrug an den Wählenden. Es schafft Politikverdrossenheit. | |
Aus Sicht der SPD ist die große Koalition grundsätzlich falsch? | |
Ja. Eine große Koalition ist meistens ein großer Kompromiss und lähmt die | |
Demokratie. | |
Sie haben sich für die Zusammenarbeit mit der Linken entschieden und wurden | |
daraufhin von den Medien und Ihrer Partei abgestraft. Ist dies | |
grundsätzlich das Risiko einer Politikerin, die mit der Linken flirtet? | |
Für den grenzwertigen Umgang mit mir gibt es jedenfalls kein | |
geschichtliches Beispiel. Eine linke Frau hat es schwer in Deutschland. | |
Wenn mein Name Andreas Ypsilanti gewesen wäre, wäre manche Debatte sicher | |
anders geführt worden. | |
Also kann eine Frau das SPD-Tabu Rot-Rot-Grün nicht brechen - sondern dafür | |
braucht die SPD einen Mann? | |
So weit würde ich nicht gehen. Ich glaube, jeder Politiker hätte es schwer, | |
der mit einem dezidiert linken, gemeinwohlorientierten Programm antritt. | |
Aber unabhängig vom Geschlecht braucht jemand dafür vor allem Mut. | |
Der selbstverordnete und öffentlich auch so bezeichnete Linksruck der SPD | |
funktioniert also in der Praxis gar nicht? | |
Ich sehe keinen Linksruck in der SPD. Die Basis der SPD erwartet eine | |
linkere Politik, als sie ihr durch Gerhard Schröder aufgezwungen wurde. Wie | |
sich das programmatisch untermauert, werden wir sehen. | |
Sie haben das Institut für Solidarische Moderne gegründet - ein | |
Zusammenschluss von Politikern aus SPD, Grünen und Linken, dazu | |
Wissenschaftler und Gewerkschafter. Muss die Politik die Systemfrage | |
stellen? | |
Wir wollen einen zielgerichteten Programmdialog. Die Bildungsfrage muss neu | |
aufgerollt werden. Auch die Wirtschaftskrise zeigt das Scheitern eines | |
Systems. Dazu haben wir eine Klima- und eine Vertrauenskrise in der | |
Politik. Zu diesen Fragen arbeitet das Institut. Diese Probleme müssen als | |
Ganzes angegangen werden. Es ist ein Problem der linken Politik, dass nur | |
noch an Stellschrauben gedreht wird - als sei das System in Ordnung. Das | |
Gesamte hat keiner mehr im Blick. | |
25 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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