# taz.de -- Springers "Welt" wirft ZDF Fälschung vor: Enteignet Spinner! | |
> Das ZDF-Dokudrama „Dutschke“ führt beim Zeitungshaus Springer nicht bloß | |
> zum üblichen Beiß-Reflex gegen die '68er. Die "Welt" legt sich mit dem | |
> Sender an – und entlarvt sich selbst. | |
Bild: Achtung, Geschichtsfälschung: gleich bewegt sich der Mann im Bild! | |
BERLIN taz | Was für ein Vorwurf: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk | |
manipuliere, das ZDF fälsche historische Dokumente – all das hat Springers | |
Welt über das am Dienstag ausgestrahlte ZDF-Dokudrama „Dutschke“ | |
herausgefunden. „Historische Fakten im 'Dutschke'-Drama gefälscht“, heißt | |
es auf welt.de, und: „ZDF manipuliert Bild-Zeitung“. Dazu gibt es sogar | |
einen Videobeweis und einen brav die Verlagslinie artikulierenden | |
Fachredakteur. Sven-Felix-Kellerhoff hatte schon in seiner Vorabkritik in | |
der gedruckten Zeitung „Drehbuchautor und Regisseur der Manipulation | |
überführt“. | |
Und was für einer: Der Film mischt fiktionale Sequenzen, die sich an der | |
Biografie von Rudi Dutschke orientieren, mit sich zum Teil munter | |
widersprechenden Zeitzeugen-Erinnerungen (siehe taz vom 26.04.: „[1][Wir | |
wollten die Kontroverse]“). Doch bei Dutschke und 1968 hört bei Springer | |
wohl immer noch die Fähigkeit zum klaren Denken auf. Inklusive der | |
eigentlich banalen Erkenntnis, dass fiktionale Interpretation und | |
filmisch-künstlerische Mittel in einem – nun ja, eben: Film – weder | |
verboten noch schrecklich verwerflich sind. | |
Doch welt.de und Kellerhoff legen sogar mit einem eigenen [2][Filmchen] | |
nach: In der „Dutschke“-Handlung werden nämlich echte Bild-Schlagzeilen, | |
wie „Terror in Berlin“ gezeigt, doch hat das ZDF zum Teil die zugehörigen | |
Fotos ausgetauscht. Diese Bilder werden dann animiert, zu eigenen, aus der | |
Zeitungsseite heraustretenden fiktionalen Filmsequenzen. Das ist spannend | |
anzuschauen und filmdramaturgisch geschickt. Für die Welt dagegen aber | |
„Fälschung“, um „den Mythos der Hetze gegen Dutschke aufrecht zu erhalte… | |
Der Beweis: "Dutschke"-Film ist ein Film! | |
Dezent weißt auch die von Kellerhoff persönlich angegriffene | |
verantwortliche ZDF-Redakteurin Caroline von Senden darauf hin, dass „die | |
Integration von Filmaufnahmen in das Zeitungsbild (...) offensichtlich als | |
Komposition und Zusammenfügung von statischem Druckbild und Bewegtbild - | |
also als bewusste Montage“ zu erkennen sei. Doch der Historiker glaubt, was | |
er sehen will. Wie soll er auch anders: Dass Springer in Sachen 1968 böses | |
Unrecht widerfährt, hat Welt-Herausgeber Thomas Schmid ja anscheinend zum | |
sechsten, inoffiziellen [3][„Grundsatz“ der Konzernverfassung] erhoben. | |
Weil der Film auch nicht erwähnt, dass der Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras, | |
der 1967 bei den Anti-Schah-Demonstrationen in Berlin den Studenten Benno | |
Ohnesorg erschoss, ein Stasi-Spitzel war, ist der Ofen für die Welt ganz | |
aus. Dass diese Tatsachse Rudi Dutschke und Co. damals schlicht unbekannt | |
war und der Film obendrein bereits 2008 fertig gestellt wurde, die Kurras | |
DDR-Connection aber erst 2009 publik wurde – geschenkt. Genauso wie die | |
Tatsache, dass die Stasi-Unterlagenbehörde sogar ausdrücklich betont, es | |
gebe keinerlei Hinweis, dass die DDR-Führung direkt oder indirekt größeren | |
Einfluss auf die Studentenproteste gehabt habe. | |
Denn für Springer geht es eben um mehr, und dafür schreckt man nicht einmal | |
vor der Banalität des Blöden zurück: Auf welt.de findet sich mittlerweile | |
auch ein länglicher Beitrag von [4][Bettina Röhl zum Thema „Dutschke“]. Da | |
wird dann munter von der „kommunistischen Unterwanderung der Bundesrepublik | |
Deutschland“ in den 1960ern geschwafelt. Denn für die | |
Ulrike-Meinhof-Tochter Röhl, Jahrgang 1962, ist es „eine Groteske, dass von | |
Springer-Hetze gegen Rudi Dutschke gefaselt wird, entlang den Bahnen einer | |
vierzigjährigen Tradition und dass gleichzeitig verschwiegen wird, dass die | |
deutschen Leitmedien und die öffentlich-rechtlichen Medien Rudi Dutschke | |
nicht nur zu Gebote standen, sondern regelrecht förderten“. | |
ARD und ZDF, „die damals das Monopol besaßen, hofierten Dutschke in einer | |
Form, die man schon fast als hündisch und kindisch bezeichnen muss“, | |
schreibt Röhl. Und sorgt sich vermutlich, dass jetzt das ultralinke ZDF aus | |
dem blutroten Mainz schon wieder Revolution macht. Der historische | |
Durchblick der Großzeitzeugin, die immer wieder durch ihre bizarren | |
Einlassungen zur RAF auf sich aufmerksam macht, schenkt dem geduldigen | |
Leser aber auch einige brisante Erkenntisse über Rudi Dutschke selbst: | |
„Dutschke war eben ein Typ, der mit Geld nicht umgehen konnte und deswegen | |
trotzdem nie welches hatte.“ | |
Die Welt kann stolz auf soviel argumentative Tiefe sein. Und bleibt mit | |
Blick auf 1968 für Springer eine ziemlich flache Scheibe. Eine Frage hätten | |
wir aber noch: Wieso war am vergangenen Wochenende im Kommunistenblatt Bild | |
am Sonntag eigentlich so ein [5][freundliches Interview mit Gretchen | |
Dutschke]? | |
29 Apr 2010 | |
## LINKS | |
[1] /1/leben/medien/artikel/1/wir-wollten-die-kontroverse/ | |
[2] http://www.welt.de/videos/kultur/article7344004/ZDF-manipuliert-Bild-Zeitun… | |
[3] http://www.axelspringer.de/artikel/Grundsaetze-und-Leitlinien_40218.html | |
[4] http://www.welt.de/debatte/weblogs/Sex-Macht-und-Politik/article7373634/Rud… | |
[5] http://www.bild.de/BILD/politik/2010/04/25/gretchen-dutschke-klotz/witwe-vo… | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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