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# taz.de -- Macher des Dokudramas "Dutschke": "Wir wollten die Kontroverse"
> Von den Studenten der 68er wurde er geliebt, von den Konservativen
> gehasst. Rudi Dutschkes Leben ist ein Film wert - die Macher Stefan
> Krohmer und Daniel Nocke im Gespräch.
Bild: Auch die Wegbegleiter von Rudi Dutschke hatten ein gespaltenes Bild von i…
taz: Herr Krohmer, Herr Nocke, im März haben Sie Ihr Dokudrama "Dutschke"
vorab im Berliner taz-Café gezeigt. Während die jüngeren Gäste den Film
eher positiv aufgenommen haben, haben viele Ältere ihn klar abgelehnt,
darunter auch taz-Autor Christian Semler. Hat Sie das gewundert?
Daniel Nocke: Nein, das hat mich nicht überrascht - auch wenn ich mir da
vorher keine Gedanken drüber gemacht hatte. Bei der taz-Veranstaltung ging
es aber nicht vor allem um die Auseinandersetzung von Generationen, sondern
darum, dass viele alte SDSler im Publikum saßen, die ihre Haltungen und
ihre Arbeit im Film denunzierend dargestellt fanden.
War Ihnen also von Anfang an klar, welch heftige Kontroverse dieser Film
auslösen würde?
Nocke: Das war ja die Hoffnung, die wir schon in dem Moment hatten, in dem
wir den Film gedreht haben. Vieles, was bei der taz-Veranstaltung gesagt
wurde, hätten wir gerne auch vor der Kamera gehört. Das war genau die
Stimmung, die wir erzeugen wollten, nach der wir uns gesehnt haben. Wenn
uns die alten SDSler anschreien, was denn mit unseren Idealen sei, und
außerdem hätte Dutschke ihnen sehr wohl zugehört - das wären tolle
Statements für unseren Film gewesen. Dass die Aufregung auch nach dem Film
stattfindet, geht aber in Ordnung.
Wahrscheinlich musste erst der Film als Grundlage da sein, worüber man sich
aufregen kann.
Nocke: Ich habe versucht, den Zeitzeugen, die ich für den Film interviewt
habe, zu erklären, was wir vorhaben, dass wir die Kontroverse wollen, zu
klaren Worten herausfordern wollen. Den fertigen Film konnte ich ihnen ja
schlecht zeigen, denn der basiert ja wiederum auf den Interviews.
Auch in der Presse wird der Film heftig angefeindet: Die Welt wirft Ihnen
"Geschichtsfälschung" und "Manipulation" vor, im Focus spricht
Dutschke-Freund Milan Horaczek von "Betrug am Zuschauer". Was sagen Sie zu
diesen Vorwürfen?
Stefan Krohmer: Wenn man einen Film über Dutschke macht und niemand würde
sich aufregen, hätten wir etwas falsch gemacht.
Bei der taz-Diskussion wurde bemängelt, dass der Film zu sehr auf die
Person Dutschke fokussiert ist und der Breite der Bewegung nicht gerecht
wird.
Nocke: Das war aber die Grundidee. Wir wollten einen Film über Dutschke und
nicht über den SDS oder 1968 im Allgemeinen. Wir wollten nachvollziehen,
was seine Wirkung ausgemacht hat, was ihn so stark hat wirken lassen - auch
über seinen Tod hinaus. Eine Darstellung zu finden, die das möglich macht,
war unser Ziel - allerdings ohne zu behaupten, dass das die einzige
mögliche Sichtweise auf Dutschke ist. Wir haben ja auch Leute im Film, für
die Dutschke eine Nervensäge war. Aus diesen weit auseinandergehenden
Sichtweisen auf ihn und auf die Zeit wollten wir einen abwechslungsreichen
Film machen.
Das hätte auch als Dokumentarfilm funktioniert, Sie haben die
Zeitzeugeninterviews aber bewusst mit Spielszenen verschränkt. Warum?
Nocke: Weil ich die Faszination, die mir beschrieben wird, in Filmbilder
übersetzen wollte, um damit etwas zu schaffen, worüber sich die Leute
aufregen können. Auf diese Weise sollte ein dokufiktionaler Film entstehen,
in dem man sich nicht die ganze Zeit bestätigt, in dem die Interviews eben
nicht die Spielszenen beglaubigen oder die Spielszenen immer genau das
illustrieren, was die Zeitzeugen gerade gesagt haben.
Krohmer: Außerdem haben wir den Film von Anfang an in dem Wissen gemacht,
dass er um 20.15 Uhr laufen würde. Und wenn es darum geht, Leute erst mal
für Dutschke zu interessieren, die sich bisher noch überhaupt nicht mit ihm
beschäftigt haben und auch kein Interesse an seiner Zeit haben, ergibt die
dokufiktionale Form auch mehr Sinn, weil sie zugänglicher ist. Spätestens
als wir das Gerüst der Interviews hatten, war mir klar, dass der Film auch
lustig werden würde, unterhaltsam, ohne dabei oberflächlich zu sein, ein
humorvoller Film über diese ja angeblich so humorlose Zeit.
Wäre das mit dem Humor denn ohne einen begnadeten Unterhalter wie Gaston
Salvatore, dem eindeutigen Publikumsliebling Ihres Films, denn so einfach
gewesen?
Nocke: Natürlich haben wir auf solche Leute gehofft und waren sehr froh,
nachdem wir das Interview mit ihm geführt hatten. Wir hätten so lange
Interviews geführt, bis wir die Auseinandersetzung gehabt hätten, nach der
wir suchten. Aber ich hatte eigentlich keine Sorge, dass das beim Thema
Dutschke und 1968 auch klappt.
Sie haben also nicht von Anfang an auf die Auseinandersetzung zwischen dem
nach rechts abgedriften Dutschke-Weggefährten Bernd Rabehl und seinem
Konkurrenten um die Gunst des Studentenführers, Gaston Salvatore, gesetzt?
Nocke: Das hat sich in den Interviews ergeben. Wir haben auf
Auseinandersetzung gesetzt zwischen den Zeitzeugen, das auf jeden Fall,
aber nicht konkret auf diese beiden.
Sie arbeiten häufig und eng zusammen. Warum eigentlich?
Nocke: Weil es gut klappt. Wir haben eine ähnliche Sicht auf die Dinge,
finden ähnliche Sachen lustig - also: Warum sollte man es ändern?
So leidenschaftslos?
Krohmer: Wir haben jedenfalls keine Mission, kein Dogma aufgeschrieben, an
das wir glauben. Das ergibt sich.
Wie haben Sie Ihre Zusammenarbeit organisiert?
Krohmer: Daniel hat die Interviews geführt, ich habe sie gemeinsam mit dem
Kameramann Patrick Orth aufgezeichnet, was für mich ein guter Einstieg ins
Thema war. Daniel war zu dem Zeitpunkt schon viel weiter, weil er sich
natürlich auf die Interviews vorbereitet hatte. Ich war mir ehrlich gesagt
anfangs noch gar nicht so klar darüber, ob ich jetzt unbedingt derjenige
sein muss, der diesen Film macht. Als ich diesen Gesprächen beiwohnte, ist
mir schon sehr früh der Gedanke gekommen, dass ich eine Figurenerzählung
haben will, die sich über beide Teile erstreckt. Bei jemandem wie Gaston
Salvatore sollte der Zuschauer das Gefühl haben, im Interview wie in den
Spielszenen ein und dieselbe Figur zu sehen. Das fand ich erstrebenswert,
das war für mich der Punkt, an dem ich wusste, warum ich den Film mache.
Meine wesentliche Rolle begann aber natürlich, als ich die Szenen von
Daniel bekam.
Was ist es, was Sie aus der Perspektive der Nachgeborenen dem Dutschke-Bild
hinzufügen wollten?
Nocke: Ich wollte dem Dutschke-Bild überhaupt nichts hinzufügen, weil ich
gar nicht für mich beanspruche zu wissen, wer Dutschke ist, und das erzähle
ich euch jetzt mal. Davon bin ich weit entfernt. Ich versuche zu verstehen,
was mit die Zeitzeugen erzählen, und versuche, die Faszination zu
begreifen, die sich mir persönlich erst mal nicht erschließt. Wenn ich alte
Dutschke-Reden sehe, dann habe ich nicht das Gefühl, sofort die
Fensterscheiben von Deutsche-Bank-Filialen einschmeißen zu müssen, wie es
Peter Schneider bei der Premiere von der jüngeren Generation gefordert hat.
Was sehen Sie, wenn Sie Dutschke reden hören?
Nocke: Einen engagierten Redner, der im Ton seiner Zeit, einem Ton, der mir
nicht mehr aktuell scheint, seine Mitmenschen mitzureißen versucht, mich
heute aber vor dem Fernseher nicht mehr erreicht. Meinen speziellen
Blickwinkel habe ich nie vergessen und nie über andere gestellt. Ich wollte
dem Dutschke-Bild nichts hinzufügen, sondern die Tatsache nutzen, dass
Leute anfangen, sich zu streiten, wenn sie den Namen hören.
Was ist für Sie das eindrücklichste Bild Ihres Films bezüglich der
Faszination, die von Dutschke ausging?
Nocke: Für mich ist die Szene sehr wichtig, in der Dutschke es auf einer
Party nicht lassen kann zu theoretisieren, während alle anderen längst
trinken und tanzen. Es freut mich, dass es Stefan und der Darsteller
Christoph Bach geschafft haben, die charismatische Wirkung, die uns
Zeitzeugen beschrieben haben, auch in so einem Moment deutlich werden zu
lassen.
Krohmer: Das ist ein Mosaik. Ein wichtiges Steinchen für mich ist, dass
Dutschke eben nicht nur aggressiv aufgewiegelt hat, sondern auch die Gabe
hatte, immer mit einem Lächeln auf sein Gegenüber zuzugehen und den Leuten
das Gefühl zu vermitteln, dass er sie respektiert, wirklich an dem
interessiert ist, was sie zu sagen haben - auch wenn er völlig anderer
Meinung ist und sie anschließend vom Gegenteil zu überzeugen versucht.
Diese Haltung hat er gelebt, dadurch entstand eine Nähe zum Volk. Die Leute
fanden ihn einfach glaubwürdig und haben deswegen über seine Endlosreden
hinweggesehen, deren Inhalt sich bestimmt auch damals nicht jedem sofort
erschlossen hat.
27 Apr 2010
## AUTOREN
David Denk
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