# taz.de -- Informationsrechtler über Facebook: "Verlangen Sie Auskunft!" | |
> Der Informationsrechtler Rainer Erd über die Durchsetzung deutschen | |
> Datenschutzrechts und mögliche Sanktionen gegen Facebook. Seine Idee: | |
> 500.000 Facebook-Nutzer sollen gleichzeitig Auskunft verlangen. | |
Bild: Welche persönlichen Daten sind gespeichert? Darüber muss informiert wer… | |
taz: Facebook hat einfach seine Datenschutzerklärung für die USA ins | |
Deutsche übersetzt, offenbar ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die | |
hiesige Datenschutzkultur zu verschwenden. Sind rechtlich gegen so viel | |
Dreistigkeit Sanktionen möglich? | |
Rainer Erd: Das Datenschutzrecht in Deutschland ist relativ schwach | |
ausgestaltet, was die Sanktionen anbelangt. Laut Gesetz können im | |
Bußgeldverfahren Geldstrafen zwischen 50.000 und 300.000 Euro verhängt | |
werden. | |
Das ist doch eine ganze Menge Geld ... | |
Das klingt viel, ist aber meines Wissens noch nie in der Praxis geschehen. | |
Die Datenschutzbeauftragten könnten Sanktionen verhängen, tun das aber im | |
Regelfall nicht. | |
Warum nicht? | |
In der Regel werden Abmahnungen verschickt, darauf reagieren die Firmen | |
dann, oder sie reagieren eben nicht. Nur in den allergrößten Ausnahmefällen | |
verhängen die Datenschutzbeauftragten Geldsanktionen. | |
Warum sind die Datenschutzbeauftragten so zurückhaltend? | |
Ich nehme an, das hängt damit zusammen, dass es im Datenschutzrecht bisher | |
immer eine Art Konsens des "das macht man nicht" gab. Es ist ja auch neu, | |
dass der Datenschutz solch eine Bedeutung hat, wie er sie jetzt durch die | |
großen Skandale bei der Bahn, der Telekom und Lidl erhalten hat. Vorher war | |
er ja immer ein Stiefkind, das im Verborgenen vor sich hinschlummerte. Ich | |
könnte mir vorstellen, dass jetzt, da immer mehr Verstöße publik werden, | |
die Datenschutzbeauftragten auch mehr Sanktionen verhängen werden. | |
Braucht der Datenschutz nun auch neue Institutionen? | |
Nein, die im Gesetz vorgesehenen Institutionen reichen eigentlich aus. Es | |
gibt Datenschutzbeauftragte auf Landes-, Bundes- und auch auf Europa-Ebene. | |
Und in jedem Unternehmen. Facebook müsste auch einen haben, sie haben ja | |
seit kurzem eine Niederlassung in Deutschland. Ob sie wirklich einen haben, | |
weiß ich aber nicht. Stellen Sie mal einen Auskunftsantrag, dann sehen Sie, | |
wer antwortet. Wenn überhaupt jemand. | |
Bestimmt haben die wen benannt. Aber nimmt der seine Aufgabe auch wirklich | |
ernst? | |
Wohl kaum, sonst hätten die nicht so problematische | |
Datenschutzbestimmungen. Sie nannten das Beispiel Datenschutzerklärung: Da | |
wurde die amerikanische Erklärung einfach übersetzt, Wort für Wort. Das | |
amerikanische Datenschutzrecht ist viel lascher als das deutsche. | |
Der Umgang mit Daten bei Facebook ist der genaue Gegensatz von dem, was das | |
deutsche Datenschutzrecht vorsieht. Alles liegt in der Entscheidungsgewalt | |
von Facebook, der Nutzer hingegen weiß nicht, welche persönlichen Daten von | |
ihm überhaupt gespeichert sind, wohin sie übermittelt werden und für wie | |
lange. | |
Andere Länder, andere Sitten – auch im Datenschutz? | |
In Europa ist das recht einheitlich, alle Länder der EU müssen ein | |
ähnliches Datenschutzniveau haben, das sieht die EU-Datenschutzrichtlinie | |
vor. Aber außerhalb von Europa sieht es ganz anders aus. Beispiel USA, oder | |
auch China: dort kennt man Datenschutz schlichtweg nicht. Argentinien | |
hingegen hat ein verhältnismäßig starkes Datenschutzrecht. Prinzipiell ist | |
es außerhalb von Europa eher problematisch. | |
Bei den Verhandlungen um das Swift-Abkommen zeigt sich, dass die Amerikaner | |
beim Datenschutz nicht viel mit sich reden lassen ... Wie groß sind denn | |
die Chancen, dass sich die kontinentaleuropäischen Datenschutz-Prinzipien | |
international verankern lassen? | |
Ich würde da etwas anderes empfehlen. Nach §34 des | |
Bundesdatenschutzgesetzes ist es möglich, Auskunft zu verlangen. Es gibt ja | |
7,5 Millionen deutsche Facebook-Nutzer. Man stelle sich vor, es gäbe so | |
etwas wie eine konzertierte Aktion von, sagen wir mal 500.000 Personen. Von | |
denen würde jeder Auskunft verlangen darüber, was mit ihren Daten | |
angestellt wird. | |
Dann macht Facebook erstmal gar nichts ... | |
... und wenn sie nichts machen, dann können die Leute Gerichte in Anspruch | |
nehmen und klagen und die Datenschutzbeauftragten werden aktiv. | |
Vergleichbares kennen wir aus anderen Bereichen des Verbraucherschutzes. | |
Und denken Sie mal weiter zurück an den Volkszählungsboykott in den | |
Achtzigern. Da haben die Leute die Interviewer nicht in die Wohnung | |
gelassen und Formulare nicht ausgefüllt. | |
Ein Plädoyer für einen Datenschutz, der vor allem am Nutzer selbst ansetzt? | |
Das allererste Plädoyer. Ich weiß natürlich auch, dass viele nicht aktiv | |
werden. Aber es wäre ein Anfang. Ganz basisdemokratisch seine eigenen Daten | |
selbst in die Hand zu nehmen. | |
30 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Julia Seeliger | |
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