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# taz.de -- Ägypten spielt Macht aus: Böses Blut am Nil
> Die Rechte am Nil sollen neu verteilt werden. Aber Ägypten, das bislang
> den Löwenanteil des Wassers nutzt, lehnt die Neuregelung ab und droht
> ostafrikanischen Staaten mit Konsequenzen.
Bild: Der Nil in Ägypten.
Ein leuchtendes Beispiel der Kooperation sollte der neue Rahmenvertrag über
die Nutzung des Nilwassers nach zehn Jahren Verhandlungszeit bilden.
Stattdessen ist er ein Exempel der Uneinigkeit. Nur vier der zehn
Anrainer-Staaten des 6670 Kilometer langen afrikanischen Flusses kamen am
gestrigen Freitag zu der Unterschriftenzeremonie im ugandischen Entebbe:
Uganda, Äthiopien, Tansania und Ruanda. Burundi, Kenia und die
Demokratische Republik Kongo waren aus "technischen Gründen" ferngeblieben
und wollen später nachziehen.
Doch der politische Sprengstoff liegt im Fernbleiben der beiden anderen
Länder, Ägypten und Sudan, die sich kategorisch weigern, den neuen Vertrag
überhaupt zu unterzeichnen. Der Grund: In dem Paragraphen, in dem es um
Wassersicherheit geht, sind die kolonial verbrieften Wasserrechte dieser
beiden Länder nicht mehr festgeschrieben.
Nun soll das neues Vertragswerk ein Jahr zur Unterschrift ausliegen. Aber
sowohl Ägypten als auch der Sudan machen derzeit keinerlei Anzeichen sich
umstimmen zu lassen. Ägyptens Wasserminister Nasir Allam hat einen
Aufenthalt in den Niederlanden abgebrochen, um in Kairo über Gegenmaßnahmen
zu diskutieren.
Für Ägypten stellt der Nil die wichtigste Lebensader dar. 95 Prozent des im
Land verbrauchten Wassers stellt der Fluss. Laut alten britischen
Kolonialverträgen von 1929 und 1959 steht Ägypten der Löwenanteil von 55,5
Milliarden Kubikmeter Wasser jährlich zu, 90 Prozent der Gesamtmenge. Die
anderen Länder dürfen also höchstens zehn Prozent der Wassermenge
entnehmen.
Genau das fechten die Länder am Oberlauf des Flusses an. "Ägypten scheint
nicht Willens, bei den rigiden kolonialen Abkommen Flexibilität zu zeigen,
die ijm fast das absolute Recht auf den Wasserverbrauch gibt", schreibt die
ugandische Tageszeitung Daily Monitor. Ägypten besteht auf dem Status Quo.
"Wir wollen, dass unsere historischen Rechte auch weiterhin anerkannt
werden. Zweitens müssen die anderen Länder Ägypten bei größeren
Wasserprojekten um Erlaubnis fragen, um sicher zu gehen, dass die uns nicht
schaden. Und wenn das alte Abkommen modifiziert wird, dann kann das nur im
Konsens geschehen", erläutert Hani Raslan vom Al-Ahram Zentrum für
Strategische Studien in Kairo. Alle drei Punkte wollen die
Oberanrainer-Staaten nicht mehr akzeptieren.
Kern des Problems ist das Bevölkerungswachstum am gesamten Verlauf des
Nils, an dessen Ufern heute 300 Millionen Menschen leben. "Äthiopien hat
heute mehr Einwohner als Ägypten, es erlebt in manchen Landesteilen
periodische Trockenheiten. Gleichzeitig stellen die Quellen in Äthiopien 85
Prozent des Nilwassers und damit des ägyptischen Wassers", beschreibt der
auf ägyptisch-ghanesische Journalist Gamal Nkrumah die in Äthiopien
gefühlte Ungerechtigkeit.
Für Raslan ist das eine falsche Rechnung. "Hier wird immer nur das sich im
Nilbecken befindliche Wasser zusammengezählt, von dem Ägypten fast
vollständig in der Bewässerung abhängt, und es wird nicht in Betracht
gezogen, dass die Länder am Oberlauf auch Regen haben. Das müsste man alles
zusammenrechnen, um dann zu sehen, wer wie viel Wasser netto zur Verfügung
hat", argumentiert er. "Wir werden all unsere politischen, diplomatischen
und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen", droht er.
Und wenn das alles nichts nützt? Raslan pausiert in seinem kleinen Büro im
Al-Ahram-Gebäude im Zentrum Kairos, dann zählt er die zahlreichen internen
Konflikte der Oberanrainer auf: "Stammesprobleme"r in Ruanda und Burundi,
ein Bürgerkrieg im Kongo, eine Fast-Bürgerkriegs-Situation in Uganda, ein
gespaltenes Kenia, interne Probleme in Äthiopien. "Wenn diese Länder uns
das Wasser abgraben wollen, dann träumen sie davon, dass wir das zulassen".
Eine unverhohlene Drohung, dass Ägypten bei diesen Konflikten Öl ins Feuer
gießen könnte.
Gamal Nukrumah, der im gleichen Gebäude bei der englischen Wochenausgabe
der Zeitung Al-Ahram zwei Stockwerke tiefer sitzt, schüttelt den Kopf
angesichts solcher Aussagen. "Es gibt genug Wasser für alle. Das Problem
ist wie wir es verwenden und verschwenden. Darauf sollten sich unsere
Politiker konzentrieren", sagt er. Dem stimmt auch der Nilexperte der
deutschen Entwicklungshilfeorganisation GTZ, Axel Klaphake, am Telefon in
der ugandischen Hauptstadt Kampala zu.
Laut Studien der Weltbank stehe auf absehbare Zeit, also die nächsten 10
bis 15 Jahre, genug Nilwasser zur Verfügung, um alle Nutzungsansprüche der
Anrainer zu befriedigen, erklärt er. Es wäre nun die Aufgabe, der im neuen
Rahmenvertrag zu schaffenden Kommission, Lösungen zu finden, wie sowohl die
Bewässerungslandwirtschaft als auch der Regenfeldbau effizienter werden
kann. "Da gibt es enorme Einsparungspotentiale und das trifft für die
Länder am Ober- und Unterlauf des Flusses zu." Es gäbe gute technische
Lösungen, durch ein besseres Management die Wasserverteilung im Sinne aller
Parteien langfristig zu regeln. "Technisch sind die Länder deutlich weiter,
als das die Politik wahrgenommen hat", lautet sein Fazit.
14 May 2010
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## TAGS
Nil
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