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# taz.de -- Rücktritt von Roland Koch: Lieblingsrolle Bösewicht
> Wie es Roland Koch ziemlich weit nach oben geschafft hat - und warum er
> jetzt aufhören muss.
Bild: Damals siegte seine CDU und er wurde Ministerpräsident: Koch in einem St…
Jetzt muss er schon wieder Rekorde brechen: der erste Ministerpräsident von
Hessen, der so freiwillig abtritt. Der am genauesten geplante Abschied. Die
Nachricht, die am sorgfältigsten geheim gehalten wurde. Roland Koch will
sogar am Ende der Beste sein. Er muss.
Dabei hat er gerade das Scheitern eingestehen müssen, jedenfalls was sein
größtes Ziel angeht. Das mächtigste, höchste, schwierigste Amt in seiner
Lieblingsbeschäftigung, der Politik, das war doch sein Traum: Kanzler. Das
Amt, für das ihn sogar Helmut Kohl empfohlen hat.
Doch jetzt ist Kohl achtzig, und Koch leuchten in Wiesbaden die
Schweinwerfer merkwürdig auf den Scheitel, das Gesicht liegt im
Halbschatten. Er sagt, dass Schluss ist mit der Politik - und spricht von
"großer Zufriedenheit", mit der er von seinen Ämtern zurücktrete, und von
einer Zukunft in der Wirtschaft, mit 52 Jahren. Keine gesundheitlichen
Gründe? Keine ausgefuchste Vorbereitung auf den Sprung nach Berlin? Kein
Geheimplan? Darf man ihm das glauben?
Man darf. Denn wenn man sich die Geschichte von Roland Koch ansieht, kann
man beides verstehen. Warum er jetzt aufhört. Und warum ihm keiner glaubt,
dass er es einfach so tut.
Roland Koch kommt aus Eschborn bei Frankfurt. 1968 ist er zehn Jahre alt.
Die CDU ist nicht gerade Mainstream unter den Jugendlichen. Die meisten
tragen lange Haare und Strickpullis, Roland trägt als Teenager Schlips. Es
macht ihm nichts aus, der Sonderling zu sein, der Picklige und der Böse.
Sein Vater Karl-Heinz ist in der CDU, Roland gründet einen Ortsverband der
Jungen Union. Viele seiner Generation entscheiden sich für einen Weg, der
sich von dem ihrer Eltern unterscheidet. Koch nicht. Er will es nicht
anders machen als der Vater. Nur besser.
Dass er ein so schmerzfreier Widerborst ist, imponiert vielen. Er wird
Klassensprecher, steigt in der Jungen Union auf. In der Hessen-CDU tut er
sich mit anderen Halbstarken zur Tankstellen-Connection zusammen, auf
Bundesebene tritt er in den Andenpakt ein, beides Männerbünde auf dem Weg
nach oben. Die Erfolge motivieren ihn.
Kreisvorsitzender, Fraktionsvorsitzender, Landesvorsitzender - er lebt sich
in die Politik hinein. Auf einem Parteitag fällt er Helmut Kohl auf, der
ihn prompt zu sich einlädt.
Erstaunlich, dass so einer heute behauptet, er habe darauf geachtet, dass
Mensch und Amt nicht miteinander verwachsen.
1999 kandidiert er als Ministerpräsident. Im Bund und in Hessen regiert
Rot-Grün. Die CDU liegt weit hinten in den Umfragen, aber Koch will
gewinnen. Er muss. Er setzt auf eine Kampagne gegen die Reform der
Staatsbürgerschaft. Auf Hetze gegen Einwanderer. Und gewinnt. Koch wird
Ministerpräsident, mischt an der CDU-Spitze mit, formt die ohnehin
verschworene CDU in Hessen zu einem Kampfverband.
Umso merkwürdiger, dass jemand in so einer Blutsbrüderschaft nichts geahnt
haben will von den schwarzen Kassen, die im Jahr 2000 auftauchen. Hessens
CDU hat sich jahrelang mit Millionen von Geheimkonten in der Schweiz
versorgt, das Geld für die Kampagnen entstammte dem illegalen Netz. Die
Republik ist empört. Doch mit einem Mainstream umzugehen, der gegen ihn
schimpft, ist Kochs Spezialität. Er macht sich zum Chef einer
"brutalstmöglichen" Aufklärung - und überlebt. Bei der nächsten
Landtagswahl holt er sogar die absolute Mehrheit.
Nun arbeiten sie in der Staatskanzlei systematisch daran, ihn für Höheres
zu empfehlen. Immer wichtiger wird Regierungssprecher Dirk Metz. Der
dosiert Kochs Worte, sortiert dessen Auftritte, eicht die Strategien. In
Interviews sitzt Metz neben Koch und schickt ihm Tipps per SMS; wäre es
technisch möglich gewesen, hätte der Spindoktor sich vermutlich gern direkt
ins Hirn des Regierungschefs eingeloggt.
Aber in der Landeshauptstadt Wiesbaden unterschätzen sie Angela Merkel.
"Die Oberschwester" wird sie abschätzig genannt. Chefarzt soll ein anderer
werden. Aber Merkel spinnt in Berlin ihre Netzwerke. Sie holt sich den
Fraktionsvorsitz, die Spitzenkandidatur, die Kanzlerschaft.
Nun versucht Koch so eng wie möglich mit ihr zusammenzuarbeiten. Natürlich
misstraut sie ihm weiter. Vielleicht hat er seinen Traum zurückgestellt,
aufgegeben sicher nicht. Jemandem, der so hart an seinem Aufstieg
gearbeitet hat, kauft man nicht ab, ohne Hintergedanken zu handeln, die
wiederum auf den Aufstieg zielen.
In seiner zweiten Amtszeit als Ministerpräsident möchte Koch endlich auch
beliebt werden. Er zeigt sich gern mit seinem Freund, dem Dalai Lama. Metz
tunt ihn auf weich und landesväterlich. Koch setzt sich für Zirkusbären
ein, sogar für Einwandererkinder.
Vor der Landtagswahl 2008 sind ihm die Umfragen nicht gut genug.
Strategiewechsel. Als ein Rentner in der Münchner U-Bahn von zwei Männern
mit Migrationshintergrund überfallen wird, macht Koch das Thema ganz groß.
"Wir haben zu viele junge kriminelle Ausländer!", facht er in der Bild eine
neue Kampagne an. Er handelt nicht aus Empörung oder Überzeugung heraus.
Sondern aus Berechnung. Die Ressentiments gegen Einwanderer verbindet er
mit schrillen Warnungen vor einer diffusen roten Gefahr: "Ypsilanti,
Al-Wazir und die Kommunisten stoppen", lautet die CDU-Parole. Die Kampagne
misslingt. Am Ende retten ihn nur 4.000 Stimmen in ein Machtpatt.
Aber er ist wieder in seiner Lieblingsposition. Er kann das schaffen, was
ihm keiner zutraut. Koch und seine Leute planen generalstabsmäßig. Sie
organisieren, mobilisieren und machen Druck. Die Fehler begeht die SPD.
Ypsilanti stürzt. Bei der Neuwahl schlüpft Koch in eine neue Rolle. Jetzt
ist er der verlässliche Kapitän in der Wirtschaftskrise.
Die CDU rechnet mit einem Klasseergebnis, einem Rekord vielleicht. Koch
darf wieder träumen. Aber die Wähler wollen ihn nicht. Gegen eine
aufgeriebene SPD holt er mickrige 37 Prozent und kann sich nur durch ein
gutes FDP-Ergebnis im Amt halten.
Immer wieder tauchen Spekulationen auf, Koch werde irgendwann doch
Finanzminister bei Merkel. Aber wieso sollte sie, die ewig Misstrauische,
das tun? Ihm gerade jetzt den Posten geben, der wichtiger und wichtiger
wird? Auf einem Parteitag nennt sie ihn einmal versehentlich "Roland Kotz".
Als Kochs Weggefährte Franz Josef Jung im Herbst als Verteidigungsminister
zurücktreten muss, kommt der Moment, in dem endgültig klar wird, wie
mächtig Merkel geworden ist. Ausgerechnet in seinem Kampfverband hat sie
einen eigenen Günstling aufgebaut: Den Hessenplatz im Kabinett bekommt die
32 Jahre alte Kristina Schröder. Ihr Aufstieg und ihre Nähe zu Angela
Merkel zeigen, dass sich aufstrebende Politiker schon länger nicht mehr an
Koch hängen.
Vor ein paar Wochen hat er verlangt, auch bei Bildung und Kinderbetreuung
zu sparen. Genau bei den Merkel-Themen. Die Kanzlerin machte klar, dass sie
die Prioritäten festlegt. Und Kristina Schröder widersprach ihm rotzfrech,
ausgerechnet die Frau aus seinem eigenen Landesverband.
Man muss kein so geübter Kalkulierer wie Koch sein, um zu dem Ergebnis zu
gelangen, dass der Junge aus Eschborn am Ende seiner politischen
Möglichkeiten angekommen ist. Welche Höchstleistung sollte er denn bitte
noch hinbekommen? Was hätte er noch werden können? Langjährigster
hessischer Ministerpräsident? Dienstältester Widerpart der Kanzlerin?
Roland Koch will einen anderen Rekord aufstellen. Er will noch einmal das
schaffen, was ihm keiner zugetraut hat. Am Ende ist das der Ausstieg aus
der Politik. Und der Abschied vom Kanzlertraum.
26 May 2010
## AUTOREN
Georg Löwisch
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