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# taz.de -- Roland Koch tritt ab: "Politik ist nicht mein Leben"
> Hessens Ministerpräsident Roland Koch überraschte fast alle mit seinem
> Rücktritt. Nun setzt er auf einen Job in der freien Wirtschaft.
Bild: Will Politik in Zukunft "von der Seitenlinie her betrachten": Roland Koch.
Das war ein schneller Abgang. Nicht einmal eine halbe Stunde brauchte
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) am Dienstagmittag, um seinen
überraschenden Rücktritt von allen politischen Ämtern zu verkünden. Im
großen Saal der Wiesbadener Staatskanzlei erklärte er unaufgeregt, fast
vergnügt, dass er fürderhin einfach nicht mehr regieren wolle und seine
Ämter als CDU-Landesvorsitzender und Bundes-Vize sowie das Landtagsmandat
niederlegen werde. Am Morgen habe er seine Fraktion darüber informiert,
dass er sein Amt als Regierungschef nur noch bis Ende August wahrnehmen
werde. Seine Familie und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten schon
seit mehr als einem Jahr Bescheid gewusst.
Das Land Hessen sei dank seiner elfeinhalbjährigen Amtszeit auf einem guten
Weg und "stabil", sagte Koch. Deshalb könne er gehen: "Ich möchte
erreichen, dass es bei Beibehaltung des politischen Kurses dieses Landes
einen Wechsel gibt." Was er stattdessen tun wolle, verriet er nicht. Koch
erklärte aber, er werde sich wieder "im Bereich von Wirtschaft und
unternehmerischen Entscheidungen betätigen". Für ihn als Rechtsanwalt sei
es sicher, dass Menschen wie er "auf beiden Seiten der Bank gut zu
gebrauchen" seien. Wichtig sei ihm, wiederholte er immer wieder, dass er
seinen Schritt freiwillig und "selbstständig" ohne Druck und Zwang
"wohlüberlegt" getan habe. Feste Pläne habe er nicht. Zuerst wolle er sich
einige Monate Auszeit "zum Durchatmen" gönnen und dann "ein Stück
abwarten", was auf ihn zukomme.
Die Politik ist, sagte Koch, "ein faszinierender Teil meines Lebens
gewesen. Aber Politik ist nicht mein Leben." Sein Schritt, vermutete er,
werde "zahlreiche Spekulationen auslösen". Diese seien müßig, denn er habe
sich, obwohl "mir das keinesfalls leichtfällt", vorgenommen, zum von ihm
selbst bestimmten Zeitpunkt zu gehen, um "einen neuen Lebensabschnitt" zu
beginnen. Gesundheitliche Gründe, versicherte er, spielten bei seiner
Entscheidung keine Rolle. Auch habe er "noch eine ganze, lange Zeit" nicht
vor, "auf der Pensionsliste des Landes Hessen" aufzutauchen. Er sei aber
froh, die Politik in Zukunft "von der Seitenlinie her betrachten" zu
können.
Bundeskanzlerin Merkel bedauerte den Rücktritt Kochs am Rande ihrer Reise
durch die Golfregion. Sie habe ihn "mit Respekt zur Kenntnis genommen".
Koch sei ihr "stets ein guter, freundschaftlicher Ratgeber gewesen". Das
solle er auch in Zukunft bleiben. Auch Außenminister Westerwelle bedauerte
den Rückzug. Der frühere bayerische Regierungschef Edmund Stoiber, lange
Zeit Weggefährte Kochs am rechten Rand der CDU, nannte Koch "einen Freund",
der "Mut zu Auseinandersetzungen" gehabt habe. Niedersachsens
Ministerpräsident Christian Wulff bedauerte "den Verlust für die Politik".
Es gehe "ein kluger Kopf und politischer Freund". Kurt Beck (SPD),
Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Landesnachbar, wertete den
Rücktritt als "ein politisches Erdbeben" und einen Schritt, den er
"überhaupt nicht nachvollziehen" könne, "es sei denn, es gibt noch im
Verborgenen ganz große Verwerfungen in Kochs CDU".
Die Opposition im Hessischen Landtag bedauerte den Rücktritt nicht. Die SPD
warf ihm "Flucht aus der Politik" vor. Die Grünen begrüßten den Rückzug als
"überfällig".
Mit Koch geht auch die hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger, die
allerdings ihr Landtagsmandat behalten wird. Sie war nur zeitweise als
potentielle Nachfolgerin gehandelt worden, denn seit vielen Jahren gilt der
sechs Jahre ältere, derzeitige Innenminister Volker Bouffier, 58, als der
wahrscheinlichere Kandidat. Bouffier ist wie Koch Jurist und seit
gemeinsamen Zeiten in der Jungen Union ein enger Vertrauter von Koch. 1982
wurde er Landtagsabgeordneter, dann Staatssekretär und seit Kochs
Regierungsantritt 1999 Minister des Innern und für Sport. Er sorgte immer
wieder für Schlagzeilen und genießt den Ruf eines Politikers mit
Rambomanieren. Zur Ausländerintegration forderte er 2007 klare
Verhältnisse: "In Deutschland gelten deutsche Gesetze und nicht die
Scharia." Deutschland dürfe nicht "zu einem muslimischen Land" werden. Er
setzte sich für verschärfte Rasterfahndung, Datenüberwachung und
verschärfte Polizeigesetze ein. Derzeit muss er sich im Landtag vor einem
Untersuchungsausschuss gegen den Vorwurf wehren, er habe einem Parteifreund
an den Ausschreibungsvorschriften vorbei zu einem hohen Polizeiamt
verholfen. Koch äußerte sich nicht dazu, wen er seiner Partei vorschlagen
werde.
25 May 2010
## AUTOREN
Heide Platen
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