# taz.de -- Politologe Franz Walter über Kochs Rücktritt: "Erschütternde pol… | |
> Mit Roland Koch verliert die CDU wieder einen in den 70ern sozialisierten | |
> Kopf. Die Konservativen in der Partei sind nun heimatlos, stellt | |
> Politologe Franz Walter fest. | |
Bild: Zufällig am rechten Rand zu erkennen: Angela Merkel und Roland Koch (gan… | |
taz: Herr Walter, Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch will | |
zurücktreten. Was heißt das für die CDU? | |
Franz Walter: Die Konservativen haben verloren. Eine ganze Generation von | |
CDU-Politikern ist mit ihrem primären politischen Ansatz gescheitert. Sie | |
wurden Mitte bis Ende der 50er-Jahre geboren und galten als die | |
Nachwuchselite der Partei. Mit Wulff, Koch, Müller und von Beust haben sie | |
die Ministerpräsidenten in Niedersachsen, Hessen, Saarland und Hamburg | |
gestellt. Im weiteren Sinne gehörten auch Oettinger in Baden-Württemberg | |
und Rüttgers in Nordrhein-Westfalen dazu. Jetzt sind die meisten nicht mehr | |
im Amt oder deutlich angeschlagen. | |
Woran sind sie gescheitert? | |
Die Koch-Generation wurde in den 70er-Jahren sozialisiert, als sie trotzig | |
in die Junge Union eintrat, während sich die Mehrheit ihrer | |
Klassenkameraden von den 68ern inspirieren ließ. Daraus ergab sich eine | |
typische Frontstellung: Man war gegen die Gesamtschule, gegen Kinderkrippen | |
und gegen die spinnerte AKW-Bewegung. In all diesen Punkten musste die | |
Koch-Generation nachgeben, weil der gesellschaftliche Trend über sie | |
hinweggegangen ist. | |
Die gängige Lesart ist aber, dass Koch zurückgetreten sei, weil Merkel ihn | |
nicht als Minister wollte – und eine Wiederwahl in Hessen unwahrscheinlich | |
ist. | |
Bei jedem Ministerpräsidenten macht sich in der zweiten oder dritten | |
Legislaturperiode angeödeter Verdruss breit. Trotzdem bleibt Kochs | |
politische Bilanz erschütternd. | |
Um bei Ihrer Generationentheorie zu bleiben: Merkel ist wenig älter als | |
Koch – warum hat sie trotzdem gewonnen? | |
Als Ostdeutsche hat sie diese Kulturkämpfe rund um die 68er nicht | |
mitgemacht. Sie muss daher nicht die vorbeiziehende Karawane ankläffen, | |
sondern kann nüchtern die gesellschaftlichen Entwicklungen analysieren. | |
Aber war Roland Koch nicht wichtig, um den rechten Rand einzubinden? | |
Ich weiß nicht, was der rechte Rand in der CDU sein soll. Koch hatte kaum | |
typisch rechte Themen, die er kraftvoll symbolisiert hätte. Sie wurden von | |
ihm eher punktuell und gezielt eingesetzt – und damit ist er ja bei der | |
vorletzten Hessen-Wahl gescheitert, als er die angebliche Kriminalität | |
ausländischer Jugendlicher in den Mittelpunkt stellte. | |
Trotzdem zeigt die erfolgreiche Bild-Kampagne gegen die "Pleite-riechen", | |
dass es in Deutschland nationalistische Gefühle gibt, die bisher politisch | |
kaum bedient werden. | |
Bornierter Nationalismus ist in Deutschland schwierig, schon wegen der | |
nationalsozialistischen Vergangenheit. Allerdings zeigt der europäische | |
Vergleich, dass das bürgerliche Lager meist dort eine Hegemonie erreicht, | |
wo es durch eine rechtspopulistische Partei gestärkt wird. In ihnen sammeln | |
sich übrigens nicht etwa die Alten und Ewiggestrigen. Die Rechtspopulisten | |
haben eine absolute Mehrheit bei den Jungen – während die CDU inzwischen | |
das Problem hat, dass sie die Partei mit den meisten Nichtwählern ist. | |
Die CDU würde also eine rechtspopulistische "Ergänzung" tolerieren? | |
Sollte Rot-Rot-Grün weiterhin Mehrheiten in den Landtagswahlen erzielen, | |
werden einige in der CDU zum Schluss kommen, dass es einer Volkspartei | |
nicht schadet, sich auszudifferenzieren. | |
Wie sähe der Steckbrief einer idealen rechtspopulistischen Partei in | |
Deutschland aus? | |
Sie müsste die Inflationsängste der Mittelschicht aufgreifen, die momentan | |
überhaupt nicht politisiert werden. Auch ließe sich die Migration als | |
Kostenfaktor für die Sozialsysteme thematisieren. Dies dürfte aber nicht | |
nationalistisch wirken. Geeignet wäre daher ein geschäftstüchtiger Mensch | |
aus der Wirtschaft - oder aber ein Politiker, dem Wirtschaftskompetenz | |
zugeschrieben wird und der an den Rand gedrängt wurde. | |
Wie etwa der von Merkel abservierte CDU-Finanzexperte Friedrich Merz. | |
In meinem Fachbereich haben wir eine Untersuchung durchgeführt, welche | |
Politikertypen die Wähler schätzen. Gerade bei der prekären Unterschicht | |
fiel immer wieder der Name Merz. Dort werden die Bruce-Willis-Typen der | |
Politik geschätzt. | |
27 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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