# taz.de -- Union nach Koch-Rückzug: Rechtsaußen gesucht | |
> Die Union sucht nach Roland Kochs Abgang einen neuen | |
> Vorzeige-Konservativen. Doch unter Kanzlerin Merkel ist der Bedarf nach | |
> einem Hardliner gesunken. | |
Bild: Ein Mann geht seinen Weg: Roland Koch. | |
Manche Kommentare klingen, als sei jemand gestorben: "Roland Koch als | |
Mensch, mit seiner Rhetorik, seiner strategischen Begabung und auch der | |
Gabe, Themen inhaltlich zu klären und zuspitzen zu können: Das ist schwer | |
zu ersetzen." Was der Vizechef der Unions-Fraktion im Bundestag, Michael | |
Meister, zum Rückzug des hessischen Ministerpräsidenten aus allen Ämtern | |
erklärte, gibt die Stimmungslage bei konservativen CDUlern wieder. Unter | |
ihnen keimt die Frage auf, wer künftig rechte Wähler an die Union binden | |
kann. Die Antwort könnte einfacher sein, als viele vermuten. | |
Koch hat in elf Jahren als hessischer Ministerpräsident Hass und | |
Bewunderung auf sich gezogen: Hass von politischen Gegnern, die im heute | |
52-Jährigen den obersten Linkenfresser und Integrationsverhinderer | |
Deutschlands sehen. Bewunderung hingegen bringen ihm Menschen entgegen, die | |
ihn als Verteidiger von Tradition, Familie, Wirtschaft und Nation | |
verstehen. Zumindest Letzteres drohe der Partei künftig zu fehlen, klagen | |
rechte Unions-Politiker. | |
Beispielsweise Jörg Schönbohm. Der frühere brandenburgische Innenminister | |
und langjährige Chef der dortigen CDU plant bereits für die Oppositionszeit | |
im Bund: "Dann werden wir uns wieder mehr auf Inhalte besinnen, die gerade | |
stark vernachlässigt werden in der Hoffnung, man könne die Laufkundschaft | |
gewinnen, denn die Stammkundschaft käme auf jeden Fall", sagte er dem | |
Tagesspiegel. Kochs Weggang nannte Schönbohm nach dem Abgang von Friedrich | |
Merz den zweiten "herben Verlust, der nicht ohne weiteres zu ersetzen ist". | |
CDU-Präsidiumsmitglied und Junge-Unions-Chef Philipp Mißfelder forderte | |
seine Partei auf, "rasch zu klären, wie die CDU besser zusammenstehen kann, | |
ihre ganze Bandbreite kraftvoll vertreten kann und vor allem, ob und wer | |
überhaupt die bisherige Rolle von Koch übernehmen kann und soll". Mit dem | |
Abgang des Hessen sei "ein Eckpfeiler im Präsidium der Union weggebrochen". | |
Doch hinter diesen Klagen steckt vor allem Kalkül. Der | |
Vorzeige-Konservative Schönbohm hat nie verwunden, dass er 2006 seinen | |
Platz im CDU-Präsidium räumen musste - ausgerechnet für den | |
Schwarz-Grün-Sympathisanten Friedbert Pflüger aus Berlin. Mißfelder | |
hingegen übernähme nur allzu gern den frei werdenden Posten eines | |
stellvertretenden Parteivorsitzenden. | |
Für diesen Job ist jedoch ein anderer im Gespräch: der sächsische | |
Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Der Vizevorsitzende der | |
Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, lobte, Tillich habe "sehr klare | |
wirtschaftspolitische Vorstellungen geäußert und macht in Sachsen eine | |
tolle Politik". Sachsen-Anhalts CDU-Chef Thomas Webel versprach Tillich | |
Unterstützung und sagte: "Er hätte es verdient, Stellvertreter zu werden." | |
Doch was wie die Lösung für ein Personalproblem wirkt, ist eher der Beweis | |
für die Orientierungslosigkeit der Union. Tillich gilt auch in den eigenen | |
Reihen nicht als konservativ. Ebenso wenig wird erwartet, dass sich der | |
freundliche Sachse zum rabiaten Rechtsaußen wandeln werde. | |
Wahrscheinlich sind viele Unions-Anhänger bereits weiter, als konservative | |
CDUler annehmen. Indizien hierfür lieferte Koch selbst. Sein Versuch, im | |
Landtagswahlkampf 2008 mit ausländerfeindlichen Parolen Wähler zu | |
mobilisieren, erwies sich anders als noch 1999 als Flop. Und als Koch vor | |
wenigen Wochen forderte, der Ausbau von Betreuungseinrichtungen für unter | |
Dreijährige müsse auf Jahre verschoben werden, protestierten auch viele | |
Parteifreunde. Einstige Grundfesten konservativer Politik - das Beharren | |
auf privater Kindererziehung und die Festlegung von Frauen aufs | |
Hausfrauendasein - sind heute selbst in der Union geschleift. | |
Der Abgang der Reizfigur Koch könnte sich daher für die Union nicht als ein | |
Problem erweisen, sondern als Lösung. | |
26 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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