# taz.de -- Defa-Stiftung: Wächter des DDR-Kinoerbes | |
> Die Defa-Stiftung verwaltet den Filmstock der DDR und versucht | |
> Kinobesucher auch für unbekanntere Streifen zu begeistern. Das gelingt im | |
> Ausland weitaus besser. | |
Bild: Der war auch bei der defa: Winnetou-Darsteller Gojko Mitic. | |
Der Wächter des Filmschatzes der DDR sitzt im vierten Stock eines Altbaus | |
in Mitte. Mehr als 10.000 Kinostunden hat die Deutsche Film AG der DDR, | |
kurz Defa, dem vereinten Deutschland hinterlassen. Über die Kinofilme, | |
Dokumentationen, Trickfilme und Synchronfassungen ausländischer Streifen | |
wacht Helmut Morsbach, der Vorstand der Defa-Stiftung. Sie wurde 1998 von | |
der Bundesregierung gegründet, um das Kinoerbe der DDR zu erhalten und ist | |
eine der 700 Stiftungen, die sich in Berlin gemeinnützig engagieren (siehe | |
Kasten). | |
DDR-Klassiker wie "Die Legende von Paul und Paula" oder "Spur der Steine" | |
kennen inzwischen auch die meisten Westdeutschen. "Unser Job ist es, neben | |
solchen Hits auch unbekannte DDR-Streifen aus der Versenkung zu holen", | |
erklärt Morsbach. Er kennt jeden der knapp 1.000 Spielfilme, die in dem | |
Babelsberger Studio für das sozialistische Kino gedreht wurden. Heute | |
firmiert das inzwischen 99-jährige Studio wieder wie vor der Defa-Gründung | |
unter dem Namen "Studio Babelsberg". | |
Die 12.000 Filmspulen lagern allerdings nicht im Büro von Helmut Morsbach, | |
sondern im Bundesfilmarchiv in Wilmersdorf. Das Stiftungsvermögen in Höhe | |
von acht Millionen Euro besteht aus den Rechten an dem Filmstock und dem | |
Verkaufserlös des alten Programmkinos "Börse" in Mitte, das bis 2003 zur | |
Stiftung gehörte. Die gemeinnützige Organisation verwaltet und | |
katalogisiert den Bestand, muss ihn aber auch für die Kino- und | |
Fernsehnutzung nach und nach digitalisieren. Jedes Jahr bringen Verleih und | |
Verkauf von Filmen oder Ausschnitten etwa eine Million Euro ein. Das Geld | |
wird verwendet, um Filmreihen zu organisieren, Publikationen über die | |
DDR-Filmlandschaft herauszugeben und Künstler zu fördern. | |
Eine Recherchestipendium für seinen neuen Film hat gerade der Regisseur | |
Christian Schwochow bekommen, dessen Debütfilm "Novemberkind" 2009 für den | |
Deutschen Filmpreis nominiert war. Zudem lobt die Stiftung jährlich Preise | |
aus, auch für Arbeiten, die nichts mit DDR-Aufarbeitung oder ostdeutscher | |
Filmlandschaft zu tun haben. | |
Und manchmal werden Morsbach und die fünf Stiftungsmitarbeiter zu | |
Detektiven, wenn es darum geht, verloren geglaubte oder verbotene Filme | |
wiederzufinden, wie im Fall von "Die Taube auf dem Dach". Anfang der 70er | |
Jahre gedreht, passierte der Streifen die DDR-Zensur nicht. Die | |
Charakterisierung der Hauptfiguren - ein unangepasster Arbeiter und eine | |
Frau zwischen zwei Männern - wurden als Angriff gegen die DDR gewertet. | |
Entgegen der sonstigen Praxis wurde der Streifen nicht im staatlichen | |
Filmarchiv aufbewahrt, sondern vernichtet. | |
Nach der Wende tauchte eine fast zerstörte Arbeitskopie auf und konnte | |
wiederhergestellt werden, verschwand danach aber abermals. Die | |
Defa-Stiftung startete im vergangenen Jahr eine Suchaktion und fand die | |
Kopie über den Insolvenzverwalter der ehemaligen Defa-Kopierwerke in | |
Babelsberg. 30.000 Euro hat die Stiftung in die erneute Rekonstruktion | |
gesteckt, im Herbst soll er ins Kino kommen. | |
Doch in Deutschland bleiben viele Kinoreihen leer, wenn die alten | |
Ost-Streifen laufen. 2008 löste der Regisseur Volker Schlöndorff mit seiner | |
provokanten Feststellung "Defa-Filme sind furchtbar" einen Protestschrei | |
unter - vor allem ostdeutschen - Filmschaffenden aus. Die Stiftung | |
verwahrte sich in einem Offenem Brief gegen das Pauschalurteil. | |
"Schlöndorff hat uns damals bekannter gemacht als zehn Jahre Pressearbeit", | |
erzählt der Stiftungsvorstand Morsbach heute. Deutsche Fernsehsender und | |
Kinos ignorieren das DDR-Filmerbe dennoch. | |
Nicht so im Ausland. "Unsere Retrospektive im MoMA in New York lief super, | |
in Israel waren die Kinos ausverkauft", erzählt der Filmexperte. Die Filme | |
werden dafür englisch untertitelt, für die Vorführung in Israel vor drei | |
Jahren hat die Stiftung sogar 15 Filme mit hebräischen Untertiteln | |
versehen. | |
Neben Spielfilmen gehören zu dem Defa-Erbe knapp 6.000 Dokumentarfilme und | |
die Wochenschauen, die bis 1980 in den DDR-Kinos vor dem Hauptfilm liefen. | |
Zudem hat die Stiftung vor drei Jahren die Firma Defa spektrum gegründet. | |
Diese verwaltet Dokumentationsmaterial aus übernommenen Archiven wie etwa | |
dem des DDR-Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Zudem kaufte die | |
Stiftung 2004 das Privatarchiv des Filmhistorikers Thomas Grimm. Das | |
enthält 2.500 Stunden Interviews mit Zeitzeugen des vergangenen | |
Jahrhunderts, neben bekannten Intellektuellen wie Hans Mayer, Heiner Müller | |
oder dem Historiker Eric Hobsbawm hat der Filmemacher auch unbekanntere | |
Leute interviewt, DDR-Bürgerrechtler, Pfarrer oder Wissenschaftler. "Ein | |
Archivort wie die Defa-Stiftung kann das Material gebündelt viel besser | |
pflegen und verbreiten", erklärt Grimm | |
1 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Kathleen Fietz | |
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