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# taz.de -- Der Kult um Apple: Die Märchenmaschine
> Wenn Apple neue Produkte vorstellt, wird gefeiert, gejubelt, gehofft. Das
> bedenkenlose Anbeten des Guten produziert Unbehagen
Bild: Euphorie pur: Der Verkaufsstart des Apple-iPad im Mai.
BERLIN taz | Die Nachricht ist eigentlich banal: Apple hat am Montag neue
Produkte vorgestellt. Doch Apple stellt nie einfach nur Produkte vor. Der
kalifornische Elektronikkonzern sagt uns, was cool sein wird, bis zum
nächsten neuen Märchenstück. Dass unser Leben ohne Unbehagen sein kann –
solange wir das Richtige kaufen. Apple nämlich.
Allein dem ist nicht so. In einer guten Beziehung – so sagen Therapeuten –
ist es wichtig, zu wissen, wo man selbst aufhört und wo der andere beginnt.
Sonst wächst das Gefühl, sich im Partner zu verlieren, eigenständig nicht
mehr zu existieren und sich irgendwann aufzulösen im Gegenüber. Es ist die
Angst vor der eigenen Vernichtung. Deshalb fahren Paare auch mal getrennt
in den Urlaub. Haben eigene Freundeskreise. Deshalb gibt es Streit.
Mit Apple aber kann man nicht streiten. Die Firma tut alles, um genau das
zu vermeiden. Alles ist verständlich, leicht und einfach. Nicht umsonst
wird das iPhone Handschmeichler genannt, das iPad gar "Kuschelmedium".
Apple produziert Dinge, die wir liebkosen, bis sie ganz Teil von uns
geworden sind. Und wir von ihnen. Getrennt in den Urlaub fahren ist da
nicht mehr drin.
Ein paar Querköpfe gibt es dennoch, die versuchen, sich mit Apple
anzulegen. Kunden, die merken, dass ein neues Programme auf älteren
Apple-Rechnern nicht mehr läuft. Firmen, deren Software Apple nicht mehr
haben mag. Aber mit denen redet der Konzern dann einfach nicht. Oder sagt,
das sei jetzt eben so. Punkt. Auch deshalb fällt Streit eher schwer.
Und dann sieht alles auch noch so verdammt gut aus. So weiß, so stylisch,
so rund. Apple erzählt nicht nur Märchen, es verkörpert sie: "Eine Witwe
hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere
hässlich und faul" – so beginnt das Märchen von Frau Holle. Die schlichte
Wahrheit der vom Volk erzählten Geschichten lautete über Jahrhunderte: Wer
einen aparten Anblick bietet, ist automatisch gut. Wer scheiße aussieht,
muss böse sein.
Es hat lange gedauert und ein ganzes Zeitalter der Aufklärung gebraucht,
diesen dualistischen Automatismus infrage zu stellen. Jetzt ist er wieder
da, weil angesichts der Apfelcomputer nicht mehr gedacht wird. Sondern
gefühlt, begeistert, gejubelt. Und gehofft. Die Musikindustrie ersehnte
Rettung und bekam iTunes. Nun diktiert ihr Apple die Preise. Der Retter ist
ein Prinz, der sich das halbe Königreich einpackt, ohne dass es ihm
irgendwer angeboten hätte.
Derzeit bangen die Zeitungsverlage ums Überleben. Der weiße Ritter eilt
auch diesmal mit iPad und iPhone herbei. Er wird retten, aber nur die, die
er gern hat. Manche Medien lässt der Konzern partout nicht in seinen App
Store und entscheidet damit darüber, was publiziert wird und was nicht.
Deutsche Medienpolitiker beraten derzeit, ob man dagegen etwas tun könne.
Politiker gegen Apple? Die Ungeliebten gegen den Messias? Mitleid mit den
Mutigen mag man hier fühlen und auch ein wenig Angst um sie haben.
Wie anders war das noch, als die Europäische Union Microsoft dazu zwang,
sich Konkurrenzprodukten zu öffnen. Die Bezwinger von Bill Gates waren
Helden. Denn seine Programme und Computer waren eckig, unpraktisch und
Massenware. Sie waren derart außerhalb des Menschen, wie Apple in ihm ist.
Wo Apple Prinz ist, war Microsoft Prolet.
Mit einem Problem zu Microsoft zu gehen war ungefähr so, als stünde man vor
dem riesigen Kasten der russischen Botschaft zu Berlin – ein Moloch der
Flure, Türen, Kompetenzen. Schaudernd fragen sich die Bittsteller: Wie alt
werde ich sein, wenn ich wieder draußen bin? Microsoft blieb eben immer nur
Maschine, Märchen wurde es nie.
Dabei unterscheidet Microsoft und Apple gar nicht mehr so viel. Das
präpotente Gehabe des Monopolisten haben sich die einen von den anderen
abgeschaut, die Verachtung des Konsumenten ebenso. Und vom Gefühl der
Individualität, der Elite dürfte bei den hohen Apple-Verkaufszahlen
eigentlich bald nicht mehr sehr viel bleiben. Doch bisher ist genau das
Gegenteil der Fall.
8 Jun 2010
## AUTOREN
Daniel Schulz
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