# taz.de -- Kommentar Apple überholt Microsoft: Wie Heroin | |
> Apple hat Microsoft überholt und ist nun die teuerste Technikfirma der | |
> Welt. Ist das besser? Nein. Windows ist zwar hässlich und Apple schick, | |
> dafür will Apple uns alle kontrollieren. | |
Bild: Apple: sauber, weiß und rein. | |
Jahrelang kämpften wir gegen den Feind Microsoft. Böse, böse, böse, wie | |
Bill Gates auf alle Rechner Windows raufzwang. Closed Source. Egoistisch | |
wie Gollum versteckt Gates den Software-Code, damit ihn keiner stehlen | |
könnte... Freie-Software-Aktivisten hatten mit dem bösen Buben Bill | |
leichtes Spiel. Windows war nicht nur proprietäre Software, es war auch | |
einfach hässlich, unflexibel und uncool. | |
Dieses schlecht gemachte Betriebssystem, das einem ständig den Blue-Screen | |
zeigte, mit kryptischen Zeichenketten. Sobald es zu Problemen kam, nervte | |
Windows mit Frage-und-Antwort-Spielen: "Ist das Kabel eingesteckt?" Ja, | |
verdammt! Stell mir nicht so blöde Fragen, Windows, wollte man da schreien. | |
Ich bin nicht blöd und: Mach mich nicht dümmer, als ich bin. | |
Windows war mittelmäßig. Windows, das Betriebssystem von der Stange. | |
Microsoft: Die Masse macht's. | |
Ganz anders Apple. Schon immer etwas Besonderes. Eigene Hardware. Selbst | |
bei den Prozessoren verfolgte Apple bis 2006 einen ganz eigenen Weg. Und | |
alles genau aufeinander abgestimmt: Das Apple-Betriebssystem MacOS, der | |
Maßanzug für die feine Hardware. Die Rechner in bunt, weiß oder | |
titanmetall. Genutzt von Designern, Filmemachern und DJs. Immer elegant, | |
und immer auch etwas teurer als andere Geräte. So war Apple damals, vor | |
fünf oder zehn Jahren. | |
Inzwischen gibt es neben den Apple-Computern auch ein Handy. "Das iPhone" | |
wird von seinen Besitzern geliebt, vergöttert – es ist bester Freund und | |
Lebenselixier in einem. Der Apple-Wahn ist zum Teil nachvollziehbar: | |
Schicke weiße, schwarze, bunte Geräte mit einer hohen | |
Benutzerfreundlichkeit. | |
Der Wahn ist gleichwohl emotional völlig übersteuert. Der "iPod", Apples | |
MP3-Player, wurde ein Kassenknüller, obwohl er bei Produkttests nur im | |
Mittelfeld abschnitt. Und kürzlich brachte Apple unter großem TamTam das | |
"iPad" auf den Markt. Technikjournalisten auf der ganzen Welt drehten | |
durch, viele Medien brachten ständig Neuigkeiten zu dem Gerät – lauter | |
kleine iPad-Kicks. | |
Mit Microsoft hingegen ging es in den letzten Jahren abwärts. Keiner mochte | |
die Firma, und dann wurde sie auch noch von der Europäischen Union an allen | |
Ecken und Enden zusammengestutzt. Internet Explorer? Windows Media Player? | |
Das dürft ihr nicht so einfach anbieten, sagten die Monopolhüter. Ihr müsst | |
auch der (freien) Konkurrenz Brücken bauen. Und Softwarepatente wollte in | |
Europa auch keiner haben. | |
Da stand Bill Gates dumm da. Das schicke Windows 7 kam zu spät. Windows | |
Mobile: spricht irgendwer davon? | |
Die Welt ist aufgeteilt zwischen Apple-Fanboys und Apple-Hassern, mehr und | |
mehr zwischen Apple und Google. Microsoft kommt nicht mehr vor. Apple ist | |
der neue Feind. | |
Apple hat sich nach oben gerobbt, getarnt mit Usability und Schönheit. | |
Schlauer als Microsoft, nutzt Apple da Freie Software, wo es sich auszahlt. | |
Apple-Geräte sind beliebt – doch sie sind "closed". Und auch Apples | |
Verständnis von unserer Welt: "closed". Apple will kontrollieren. | |
Sauber soll es sein im App Store. Mit restriktiven Policies wird er | |
freigehalten von Sex, Gewalt und Flash. Da geht es nach den Regeln von | |
Steve Jobs zu, und der definiert Freiheit auch mal gern als "Freedom from | |
Porn". Der App Store: die Super-Sauber-Einkaufswelt. Und weil wir uns in | |
Zukunft Inhalte im Netz immer weniger über Browser ansehen werden, sondern | |
mehr und mehr via Apps, ist es relevant, welche Apps im Store verfügbar | |
sind und welche nicht. | |
Apple ist wie Heroin. Apples Welt: glückliche, entmündigte Konsumenten, | |
beschützt von den weißen Brüdern iPod, iBook, iPhone und iPad. | |
Undurchschaubar, unfehlbar. Apple sagt: "Ihr braucht kein Flash" – und die | |
Nutzer konsumieren nur noch das, was ohne Flash funktioniert. Apple sagt: | |
Das sollst du nur auf meiner Hardware abspielen – dann kaufen die Menschen | |
eben einen neuen iPod. Apple sagt: "Ihr braucht keinen Sex" – und dann gibt | |
es eben keinen Sex. | |
Schöne neue Welt. | |
27 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Julia Seeliger | |
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