| # taz.de -- BILDUNG: Josef und seine Brüder versöhnen sich | |
| > An der Regenbogen-Grundschule in Neukölln lernen Fünftklässler Religion | |
| > im Klassenverband und entdecken viel Gemeinsames. | |
| Bild: Manchen Kindern wird zu Hause viel Falsches über ihre Religion beigebrac… | |
| Ein Vater liebt einen Sohn mehr als seine anderen Kinder. Die | |
| eifersüchtigen Geschwister verkaufen den Bruder deshalb an Sklavenhändler. | |
| Dem Vater sagen sie, er sei tot. Die Josef-Geschichte handelt von Neid und | |
| Streit in der Familie, von Abschied, vom Alleinsein in der Fremde, und | |
| schließlich von Vergebung und Versöhnung. Und sie steht - in etwas | |
| unterschiedlichen Versionen - in der Bibel, in der Thora und im Koran. | |
| An der Regenbogengrundschule in Neukölln arbeiten die Fünftklässler gerade | |
| an einem Comic, der die Geschichte von Josef in bunten Bildern erzählt. In | |
| der Parallelklasse werden "Wut-Briefe" verfasst, in denen die Kinder | |
| aufschreiben, wer und was sie richtig ärgert - und bringen dabei ihre ganze | |
| Wut zu Papier. Die Briefe werden später auf dem Schulhof verbrannt: Die Wut | |
| soll verrauchen. | |
| Das alles gehört zum Religionsunterricht für Regenbogenschüler. Mit den | |
| ComiczeichnerInnen arbeiten Hans Beeten, Lehrer für katholische Religion, | |
| und Ahmad Shamma, Maler und Bildhauer. Die Briefeschreiber werden von der | |
| Lebenskundelehrerin Ilona Lange und der Künstlerin Annette Weber-Vinkeloe | |
| betreut. In ein paar Wochen werden sie in andere Klassen wechseln. Mit | |
| denen arbeiten derzeit die Lehrerinnen für evangelische, jüdische und | |
| islamische Religion gemeinsam mit weiteren KünstlerInnen. Nicht nur diese | |
| ungewöhnliche Teamarbeit zeichnet den Religionsunterricht der 5. Klassen an | |
| der Regenbogenschule aus. Sondern auch, dass die Kinder dabei als Klassen | |
| zusammen bleiben und nicht, wie sonst im bekenntnisorientierten | |
| Religionsunterricht an Schulen üblich, nach Konfessionen getrennt werden. | |
| "PRIL" heißt das Kürzel für dieses unorthodoxe Unterrichtsprojekt, in der | |
| langen Form: "Projekt der Regenbogenschule für interreligiöses Lernen". | |
| Entstanden ist PRIL vor vier Jahren aus der Teilnahme der kunstorientierten | |
| Neuköllner Grundschule am Schulwettbewerb "Trialog der Kulturen" der | |
| Herbert Quandt-Stiftung. Mit einer aus Puzzleteilen mit Bildern und | |
| Geschichten verschiedener Religionen zusammengesetzten Weltkugel gewann die | |
| Schule den dritten Platz. Das Preisgeld von 7.500 Euro ermöglichte die | |
| Fortsetzung der mit dem Wettbewerb begonnenen Zusammenarbeit von Künstlern | |
| und Religionslehrern. | |
| Im Jahr darauf erreichte die Schule mit einem überdimensionalen Buch, in | |
| dem die Kinder ihren ganz persönlichen Zugang zu ihren | |
| Glaubensvorstellungen beschreiben, gar den zweiten Platz - und 10.000 Euro | |
| Preisgeld. Die Idee zu PRIL war geboren und die Finanzierung des Projekts | |
| zunächst gesichert. | |
| Aber nicht nur ihr Kunstschwerpunkt hat der Grundschule Anschub für das | |
| interreligiöse Lernen geliefert. Als die Islamische Föderation Berlin im | |
| Jahr 2004 begann, an der Regenbogenschule Religionsunterricht zu geben, | |
| "waren wir zunächst sehr misstrauisch", erzählt Schulleiterin Heidrun | |
| Böhmer. "Wir befürchteten Konflikte um die Teilnahme muslimischer Kinder an | |
| Klassenfahrten oder dem Schwimmunterricht, auch, dass mehr Mädchen Kopftuch | |
| tragen würden." Die Regenbogenschule liegt am Rande des Rollbergviertels im | |
| Neuköllner Norden. Mehr als 80 Prozent der SchülerInnen kommen aus | |
| Einwandererfamilien, die meisten sind Muslime. | |
| Sechs Jahre später hat Schulleiterin Böhmer über die islamische | |
| Religionslehrerin Aynur Bulut nur Gutes zu sagen: "Sie ist eine sehr | |
| wahrhaftige Frau, es ist nichts Falsches an ihr." Sie sei "zu einem | |
| wichtigen Teil des Kollegiums geworden". Das war nicht immer so: Anfangs | |
| habe sie sich kaum ins Lehrerzimmer getraut, erinnert sich Bulut. Zu | |
| abweisend seien ihr viele LehrerInnen begegnet. Heute trifft sich die | |
| 36-Jährige, die in Deutschland aufwuchs und in der Türkei | |
| Grundschulpädagogik studierte, einmal pro Woche mit ihren KollegInnen vom | |
| PRIL-Team, um die Arbeit zu besprechen. | |
| Alle im Team sind sich einig: Der interreligiöse Unterricht habe die | |
| Atmosphäre an der Schule verändert - nicht nur im Kollegium: "Seit die | |
| Kinder mehr übereinander und über die verschiedenen Religionen, aber eben | |
| auch über deren Gemeinsamkeiten wissen, gehen sie anders miteinander um", | |
| sagt die evangelische Religionslehrerin Rita Schickle. Was nicht bedeute, | |
| dass es keine Probleme mehr gebe, ergänzt Esther Fischer, die jüdische | |
| Religionslehrerin: "Es gibt Kinder, die nicht essen, was ich mitbringe, | |
| wenn wir gemeinsam Feste feiern", erzählt sie. Aynur Bulut ergänzt, dass | |
| Kinder früher, wenn sie im Islamunterricht beim Thema Christentum ein Kreuz | |
| malte, zu ihr gesagt hätten: "Das darfst Du doch nicht!" | |
| "Es wird manchen Kindern zuhause viel Falsches über ihre Religion | |
| beigebracht", sagt der Künstler Shamma. Esther Fischer erzählt von einem | |
| Mädchen palästinensischer Herkunft, das sich von ihr nicht berühren lässt - | |
| und hat Verständnis: "Ihre Angehörigen in der Heimat wurden bombardiert!" | |
| Aber mit Geschichten wie der von Josef und seinen Brüdern könne sie den | |
| Kindern zeigen, "dass wir doch eigentlich alle Brüder sind". | |
| Der Bezug auf gemeinsame Werte wie Toleranz und Vergebung gibt auch der | |
| konfessionslosen Lehrerin des humanistischen Lebenskundeunterrichts die | |
| Möglichkeit sich einzubringen: "Es geht bei PRIL ja darum, sich gegenseitig | |
| mit seinen jeweiligen Überzeugungen kennenzulernen", sagt Ilona Lange. Sie | |
| werde nicht "als Ungläubige ausgegrenzt". Zudem gehe das Projekt in der | |
| Zusammenarbeit mit den Künstlern "ja über die Beschäftigung mit Religion | |
| hinaus", betont Künstlerin Weber-Vinkeloe. | |
| Nicht nur die beteiligten Religionsgemeinschaften mussten dem Projekt PRIL | |
| zustimmen. Denn in Berlin werden die Bekenntnisunterrichte als freiwilliges | |
| Fach von den Glaubensgemeinschaften selbst erteilt - und die Lehrkräfte | |
| dafür von ihnen entsandt und bezahlt. Auch die Eltern der | |
| RegenbogenschülerInnen mussten für PRIL ins Boot geholt werden. Denn | |
| eigentlich nehmen an den Religionsstunden nur die dafür angemeldeten Kinder | |
| teil. Und die Eltern ließen sich mehr als überzeugen: "Das Elterncafé | |
| unserer Schule hat schon nachgefragt, ob sie nicht auch beim | |
| interreligiösen Lernen mitmachen können", so Schulleiterin Böhmer. | |
| Aus der Josef-Geschichte soll zum Ende des Schuljahres ein "Josef-Spiel" | |
| entstehen, mit dem alle Kinder der Regenbogenschule an dem Wissen, das die | |
| Fünftklässler erarbeitet haben, teilhaben können. Das PRIL-Team macht sich | |
| derweil Gedanken darüber, ob im kommenden Schuljahr das gemeinsame Lernen | |
| auf weitere Klassen ausgedehnt werden kann - und wie sie die SchülerInnen | |
| noch besser einbinden können, die anderen Religionen angehören, Hindus und | |
| Buddhisten etwa. | |
| Doch vor allem bangen sie um die weitere Finanzierung des interreligiösen | |
| Unterrichts: Die steht auf wackeligen Füßen, wenn das Preisgeld | |
| aufgebraucht ist, aus dem etwa die Honorare für die Künstler finanziert | |
| werden. Aus dem eigenen Etat bezahlen kann die Schule das nicht. | |
| 8 Jun 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
| Alke Wierth | |
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| Islamverbände | |
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